Eigentlich habe ich in diesem Film nichts verloren, ich gehöre nicht zur Zielgruppe und ich habe von der Materie (fast) keine Ahnung. Ich habe vor über einem Jahrzehnt die ersten zwölf Folgen von dieser Serie gesehen und seitdem nie mehr aus nur eine Minute, geschweige denn den ersten Kinofilm, der vor zwei Jahren für weite Teile der weiblichen Bevölkerung ein ähnlich weltbewegendes Leinwand-Ereignis war wie für uns Männer die Rückkehr von "Star Wars". Bei der Pressevorführung komme ich mir zunächst ähnlich fehl am Platze vor wie Mr. Big auf der homosexuellen Hochzeit, die diesen Film eröffnet: Um mich herum scheint es nur Frauen und Schwule zu geben. Also: Was mache ich hier? Ich mache ein Experiment: Kann man als Mann, dem "Sex and the City" bis dato ziemlich egal war, in diesen Film gehen und sich trotzdem gut unterhalten? Kann Mann also seine Lebensabschnittsgefährtin als Revanche für zahlreiche aufgenötigte Action-/Horror-/Brachialkomödien-Besuche der Harmonie zuliebe in diesen Film begleiten, ohne sich einen Zacken aus der Krone zu brechen? Die Antwort ist: Mann kann. Auch wenn hier ein sehr dünner Plot auf eine sehr lange Laufzeit ausgewalzt wird.
Die erste gute Nachricht für die treuen Anhängerinnen von SATC: Einen zentralen Kritikpunkt des ersten Teils, nämlich dass die vier Freundinnen die meiste Zeit getrennt unterwegs waren, kann man hier getrost vergessen, denn Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda verbringen fast den gesamten Film zusammen, haben aber natürlich mit ihren individuellen Problemen zu kämpfen: Miranda leidet unter ihrem chauvinistischen Boss, der sie als Frau nicht ernst nimmt und sie zur spontanen Kündigung provoziert. Charlotte hat zu ihrer Adoptivtochter noch ein leibliches Kind bekommen, das aber den lieben langen Tag nur schreit und ihrer stets so bemüht die Contenance wahrenden Mutter den letzten Nerv raubt. Gott sei Dank hat Charlotte ein Kindermädchen, die allerdings in ihrem Job genauso patent ist wie ihre Brüste groß sind. Da kann man sich schon mal Sorgen machen, ob der Ehemann wohl auf dumme Gedanken kommt. Samantha versucht derweil recht erfolgreich, die körperlichen Symptome der Wechseljahre durch die Einnahme zahlloser Vitamin- und Hormon-Präparate zu bekämpfen, um weiterhin jung, verführerisch und vor allem sexuell hyperaktiv zu bleiben.
Carrie wiederum ist glücklich in ihrer Ehe mit Mr. Big, beginnt sich aber Sorgen zu machen, dass sich Routine in ihren Alltag einzuschleichen beginnt. Etwas unwohl beobachtet Carrie, wie Big sich langsam zu einer Couch Potatoe entwickelt und abends lieber zuhause sitzt, als sie schick zum Essen und auf Partys auszuführen. Endgültig zu weit geht es Carrie, als Big ihr zum zweiten Hochzeitstag einen Fernseher fürs Schlafzimmer schenkt. Glotze gucken im Bett? Geht's noch unglamouröser? Carrie flüchtet sich für zwei Tage in ihre alte Wohnung, ein Kurzpause, die ihrer Beziehung so gut tut, dass Big vorschlägt, solch zwei "freie Tage" ab jetzt jede Woche einzurichten. Was Carrie erstmal erschrecken lässt: Fangen sie schon an, sich auseinander zu leben? Mit dieser ungeklärten Frage im Kopf bricht Carrie nun mit ihren Freundinnen in eine Woche Urlaub nach Abu Dhabi auf, wo die vier Ladies in unfassbarem Luxus schwelgen, aber auch mit den lokalen Ansichten kollidieren, was sich für eine Frau ziemt und wie sie sich verhalten sollte.
Dass es bis zum Aufbruch in diesen Urlaub, das eigentliche Herzstück des Films, fast eine Stunde dauert, lässt bereits erahnen, wie gemächlich sich der Plot hier vorwärts bewegt, und es wirkt auch ziemlich an den Haaren herbei gezogen, wie Autor und Regisseur Michael Patrick King seinen vier Heldinnen diesen Mega-Luxus-Urlaub auf Einladung und Kosten eines Scheichs in den Schoß fallen lässt. Das darf Mann aber wohl nicht so eng sehen, denn mit dem Schritt auf die große Leinwand ist auch der ganz große Glamour zu einem zentralen Verkaufsargument von "Sex and the City" geworden, und da muss dann halt ein etwas gewolltes Plot-Vehikel her, damit die vier Ladies in noch teureren Autos kutschiert und in noch teureren Unterkünften einquartiert werden, während sie erneut eine scheinbar unbegrenzte Auswahl an feinsten Stoffen aus den Händen der angesagtesten Designer tragen. Da wirkt das Product Placement für Pringles und Ritter Sport (!!) schon fast etwas profan und stillos.
Mit dem allgemeinen Glamour-Faktor wird nach der Ankunft in Abu Dhabi zum Glück auch der Gag-Faktor hochgeschraubt, so dass der Film nach seiner etwas plätschernden ersten Stunde nun mehr Fahrt aufnimmt. Das ist vor allem dem Subplot um Samantha zu verdanken, der vom Flughafen-Zoll bei der Einreise ihre gesamten Hormon-Pillen weggenommen werden und die nun urplötzlich von all den Menopause-Symptomen überfallen wird, vor denen sie sich so gefürchtet hat. Für die an der Langzeit-Tauglichkeit ihrer Ehe zweifelnden Carrie kommt es derweil zu einem unerwarteten Wiedersehen mit einem denkwürdigen Ex-Freund, was ihren Gefühlshaushalt mächtig durcheinander bringt.
Was dann übrigens auch der einzige Handlungsstrang von größerer Relevanz ist, so dass sich kaum leugnen lässt, dass eigentlich der gesamte Plot dieses Films an Banalität und Belanglosigkeit kaum zu überbieten ist. Eine böse Männer-Zunge könnte sogar meinen, dass die gute Carrie sich einfach ein bisschen sehr anstellt und wohl nie so ganz zufrieden sein kann - trotz Multimillionendollar-Apartment mit eigenem Zimmer für all ihre Schuhe und Kleider scheint sie ihren Gatten noch immer in der Bringschuld zu sehen, ihr Leben spannend und aufregend halten zu müssen. Dass Mr. Big auch so seine Schwierigkeiten hat zu verstehen, was seine Gattin jetzt eigentlich genau für ein Problem hat, macht ihn für den männlichen Zuschauer nicht nur sympathisch, sondern zeigt auch auf, warum man eben auch als Mann an diesem Film durchaus Spaß haben kann. Denn der Humor spielt hier die meiste Zeit auf der klassischen Mario-Barth-Klaviatur und intoniert einmal mehr den Evergreen von den Männern, den Frauen, ihren jeweiligen Eigenheiten und wie das alles nie so richtig zusammenpassen will. Wohlgemerkt mit deutlich mehr Stil und Finesse als Mario Barth.
Dafür hätte es natürlich keine 140 Minuten gebraucht, die zentralen Handlungselemente des Films hätte man auch locker in der Hälfte der Zeit abarbeiten können, zumal Miranda und Charlotte nach Ankunft in Abu Dhabi - abgesehen von einer sehr schönen gemeinsamen Szene, in der sie offen und ehrlich über ihr Muttersein reden - eigentlich nichts Wichtiges mehr zu tun haben (vom echten Abu Dhabi sieht man im ganzen Film übrigens gar nichts - gedreht wurde in und um Marrakesch in Marokko). Aber "Sex and the City 2" nimmt sich eben seine Zeit, um all das zu zelebrieren, was seine Zuschauerinnen sehen wollen: Den Luxus, den Glamour, die Mode und vor allem das Zusammensein dieser so lieb gewonnenen vier Freundinnen. Das Erstaunliche ist, dass der Film trotz Handlungsarmut selbst dann nie wirklich langweilig wird, wenn Mann sich mit diesen vier Damen eben nicht sonderlich verbunden fühlt und wie Frau für jede Minute dankbar ist, die man mit ihnen verbringen darf.
Das macht "Sex and the City 2" noch immer nicht zu einem großartigen Film, aber angesichts des glücklichen Leuchtens in den Augen der weiblichen Zuschauerinnen nach Verlassen des Kinosaals lässt sich nicht leugnen, dass der Film liefert, was von ihm erwartet wird. Und immerhin lässt sich konstatieren, dass "Sex and the City 2" frischer, frecher und lustiger ist als so ziemlich jede konventionelle romantische Komödie der letzten Zeit. Also Männer: Wenn ihr eurer Partnerin mal den Gefallen tun wollt, sie in einen Frauenfilm zu begleiten, dann ist dieser hier sicher nicht die schlechteste Wahl. Und die Damen dürfen sich jetzt schon auf die nächste Fortsetzung freuen, denn Teil Drei ist bereits in der Mache. Den rezensiert hier dann wohl auch wieder eine Frau.
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