Spaghetti-Western kennt man ja nun und die sind auch wortwörtlich ein alter Hut. Aber hier haben wir nun wirklich mal etwas anderes, einen sagen wir mal Smörebröd-Western: Ein von und mit Dänen produzierter Western, der statt dem spanischen Almeria (der klassischen Kulisse des Eurowestern) in Südafrika gedreht wurde. Angelegt ist Kristian Levrings Film als Starvehikel für Dänemarks größten internationalen Filmstar Mads Mikkelsen, der es sich zwischen zwei Staffeln als Hannibal „The Cannibal“ Lecter nicht nehmen lassen wollte, in Stiefel und Cowboyhut zu wechseln. Solche Gelegenheiten sind ja selten geworden. Und so absurd ist die dänische Connection ja auch nicht, schließlich kamen auch diverse Einwanderer aus dem kleinen skandinavischen Staat, unter ihnen mit Christian Madsen ein seinerzeit enorm berühmter Gesetzeshüter und Veteran von drei verschiedenen Kriegen in drei verschiedenen Armeen (!), über den eigentlich unbedingt mal jemand einen Film drehen sollte.
Wie Madsen ist auch Jon (Mads Mikkelsen) ein Veteran des deutsch-dänischen Kriegs und ist nach Kriegsende in die USA ausgewandert, um sich dort eine Existenz als Farmer aufzubauen. Sechs Jahre hat es gedauert, bis Jon mit der Hilfe seines Bruders Peter (Mikael Persbrandt) eine anständige Farm sein Eigen nennt und nun holt er die damals in Dänemark zurückgelassenen Frau und Kind zu sich. Doch direkt nach deren Ankunft nimmt das Schicksal eine brutale Wendung: In die Postkutsche, die Jon und seine Familie zu ihrer Farm bringen soll, steigen auch zwei verschlagen aussehende Kerle, Paul (Michael Raymond-James) und Lester (Sean Cameron Michael). Am Ende der Nacht hat Jon Frau und Kind verloren, sich jedoch an den Schuldigen umgehend gerächt. Diese Rache hat jedoch Konsequenzen, denn die nahegelegene Stadt Black Creek leidet unter dem gnadenlosen Delarue (Jeffrey Dean Morgan), der sich von dem unterwürfigen Bürgermeister Keane (Jonathan Pryce) und dem hilflosen Sheriff Mallick (Douglas Henshall) Schutzgeld dafür bezahlen lässt, dass er und seine Outlaws sie in Ruhe lassen. Paul war Delarues Bruder, und nun denkt der brutale Bandenführer nicht nur daran, sich Pauls stumme Witwe „Princess“ (Eva Green) unter den Nagel zu reißen, er nimmt auch die Stadt in den Würgegriff, bis sie ihm den Schuldigen für den Tod seines Bruders ausliefern. Bald sieht sich Jon in einem einsamen und relativ aussichtslosen Kampf gegen Delarue und seine Schergen...
Nun ja, soooo aussichtslos ist der Kampf freilich nicht, ansonsten hätten wir es hier ja mit einem Kurzfilm zu tun, aber ansonsten nimmt dieser Film sich des „Einer gegen alle“-Prinzips an, das viele der klassischen Hollywood- („12 Uhr Mittags“) und Italowestern („Django“, „Für eine Handvoll Dollar“) vereint. Wie in diesen Filmen üblich ist auch hier die Dorfbevölkerung zu feige und im Umgang mit Waffen zu ungeschult, um sich gegen einen Diktatoren wehren zu können, und ein einsamer Außenseiter muss dieses bewerkstelligen. So weit, so klassisch, was eigentlich auf den kompletten Film zutrifft. Denn anders als der zweite ungewöhnliche Western des Jahres, „The Homesman“, will „The Salvation“ gar nicht ein revidiertes oder anderes Bild des Westens zeigen, sondern gibt sich damit zufrieden, eine ganz und gar konventionelle Geschichte zu erzählen, bei der fast alle Figuren die gewöhnlichen Stereotypen verkörpern.
Was man allerdings erkennt ist, wie sehr Levring und seine Crew versuchen, dem Look und Feeling eines klassischen Spaghetti-Westerns nahezukommen, deutlich zu sehen in der Ruinenstadt, in der Delarues Bande wohnt und in den wenig glamourösen Gefechten in wahlweise Regen und Matsch oder drögem Staub. Und wie im Italowestern üblich versteht der Regisseur es, sich den Gesichtern seiner Figuren anzunähern, anstatt der damals üblichen Zooms nimmt Levring hier allerdings lieber die elegantere Kamerafahrt. Apropos Gesichter: Zweimal spielt Levring mit seinem Kameramann Kasper Winding geschickt mit den Möglichkeiten der Kameraführung, indem er Informationen über etwas gerade Geschehenes (aber nicht Gezeigtes) sichtbar macht, indem er die Gesichter zweier Figuren erst von der einen, dann der anderen Seite zeigt. Was besonders der Szene, in der Delarue in vermeintlich postkoitaler Eintracht mit Princess zusammenliegt, eine neue und dramatische Wendung gibt, die den Film nachhaltig beeinflusst.
Überhaupt ist der visuelle Aspekt das Ansprechendste an „The Salvation“, denn wenn die Story sich doch kaum von altbekannten Genreversatzstücken absetzen möchte, so ist das Ganze immerhin ausgesprochen schön und visuell interessant umgesetzt. „Dogma, Schmogma“ wird sich der damalige Mitbegründer des Realismus-Versprechens dänischer Regisseure gedacht haben, denn weiter entfernt als von den damaligen Restriktionen kann man hier kaum sein. Schwelgerische Kulissen, Kamera und Kostüme, klassischer Score, sogar CGI (auch wenn die Explosion im Schlussdrittel schon sehr unecht aussieht) – wenn schon Western, dann wenigstens richtig wird sich Levring gedacht haben. Dass er dann dem auch visuell gut abgehangenen Genre tatsächlich noch den einen oder anderen visuellen „Aha“-Moment abringt, ist dann doppelt schön. Besonders die hochkontrastigen Nachtszenen direkt nach der fatalen Kutschfahrt stechen hier ins Auge.
Wie in den meisten Italowestern üblich hat auch Levring seinen Film mit allerlei markigen Gesichtern ausgestattet. Die meisten Banditen bleiben wort- und eigenschaftslos, haben aber immerhin ein Merkmal (der Brillen-und-Zigarre-Typ, der Typ mit Fransenmantel usw.) und sehen schön dummdreist-brutal aus. Und als speziellen Gag dann noch Eric Cantona als – natürlich „der Korse“. Diese international zusammengestoppelte Bande erinnert auch an die Spaghettiwestern-Vorbilder, die ja oftmals europäische Co-Produktionen waren, die wild spanische, italienische, deutsche (Klaus Kinski! Horst Frank!) sowie – falls möglich – amerikanische Schauspieler mischten. Beim Hauptdarstellertrio bleibt Mads Mikkelsen schön Mikkelsen-haft stoisch, Jeffrey Dean Morgan genießt wie damals in „Watchmen“ das Leben als Arschloch (und hat auch wieder einen Bösewicht-Schnauzer, der gottseidank nicht gezwirbelt wird) und Eva Green durchbricht die relative monotone Typisierung ihrer letzten Rollen – wie wir kürzlich angesichts des zweiten Abenteuers in „Sin City“ festgestellt haben – und gibt eine zwar verschlagene, aber weitaus weniger böswillige Figur ab. Steht Frau Green ja ab und zu auch ganz gut, genau wie die große Narbe, die man ihr hier verpasst hat. Und ihr Handicap sorgt dafür, dass Frau Green nur mit ihrem ausdrucksstarken Gesicht arbeiten muss, was auch ziemlich gut klappt.
Es gibt eben eigentlich nicht wirklich viel auszusetzen an diesem Film, außer die Abwesenheit von irgendwelchen Neuerungen. Das mag wenig Western-affine Menschen stören, Genrefans können sich dagegen an einem richtig schönen 'Old school'-Western erfreuen. Das tat auch der Rezensent und rät daher durchaus, sich diese „Erlösung“ anzusehen. Wie auch bei einer der Toprreferenzen im Genre, „Unforgiven“ – bei uns ja leider viel beliebiger „Erbarmungslos“ – wird auch hier der Titel nicht weiter erklärt, so dass man dann noch schön argumentieren kann, um wessen Erlösung es sich hier handelt: Jons? Oder vielleicht doch die von Princess? Oder die der Stadt Black Creek selbst? Solche vertiefenden Fragen muss man bei diesem Film zwar nicht stellen, kann man aber. Und das ist doch ein gutes Zeichen.
Neuen Kommentar hinzufügen