Es ist Zeit für die jährliche Woody Allen-Dosis und auf seiner Rundreise durch die Metropolen Europas ist der Altmeister nun nach London, Barcelona und Paris also auch in Rom angekommen – da darf sich dann wohl auch Berlin langsam Hoffnung machen, obwohl die deutsche Hauptstadt vermutlich doch noch etwas zu wenig Magie und Nostalgie ausstrahlt, um das Interesse der Kulturikone zu wecken. Und wohl auch zu wenige verwertbare Klischees, denn derer bediente sich Allen zwar auch bei seinen erfolgreichsten Werken der letzten Jahre, doch im Vergleich zu etwa „Matchpoint“ und „Midnight in Paris“ greift er dieses Mal dann doch zu tief in den Topf der landestypischen Muster, ohne seinen hier versammelten Stereotypen aber als Ausgleich auch ein wenig Tiefe und Substanz zu verleihen.
Vier Episoden sind es, die jede für sich genommen auch kaum abendfüllend wären: In einer stellt sich Woody Allen nach längerer Pause (genauer gesagt seit „Scoop“) auch mal wieder selbst vor die Kamera und versucht dem zukünftigen Stiefvater seiner Tochter zu einer Karriere als Opernsänger zu verhelfen, nachdem er dessen erstaunlichen Tenor beim Singen unter der Dusche vernommen hat. Dummerweise kann das öffentlichkeitsscheue Stimmwunder allerdings auch nur genau dort seinen Stimmzauber entfalten – eben unter der Dusche. Ein anderes junges und ziemlich verklemmtes italienisches Pärchen gerät unterdessen auf amouröse Abwege, denn während SIE sich in der Stadt verläuft und dabei unerwartet ihrem Idol aus vielen Filmen begegnet, bekommt ER es aufgrund einer Verwechslung mit dem temperamentvollen Callgirl Anna (Penelope Cruz) zu tun. Der völlig farblose Durchschnittsrömer Leopoldo (Roberto Benigni) wird dagegen über Nacht zu einer von zahllosen Papparazzi verfolgten Berühmtheit, ohne das er jedoch wüsste warum. Und der Architekt John (Alec Baldwin) erkennt in Jack (Jesse Eisenberg) eine Art jüngeres Ich wieder, dem er als Mentor ersparen möchte ähnliche Fehler in Liebesangelegenheiten zu begehen, als ihm die charismatische Monica (Ellen Page) den Kopf verdreht.
Die Bilder sind farbenfroh und wunderschön, die Ablichtung der pittoresken römischen Gassen und Sehenswürdigkeiten lässt (wie auch schon der Titel des Films) auf eine große Begeisterung für diese vom Duft der großen Geschichte umwehte Stadt schließen – doch da sich die erzählten Episoden sämtlichst zwischen belanglos und albern bewegen kommt am Ende von „To Rome with Love“ leider auch nicht viel mehr heraus als ein hübsch anzuschauender Bilderbogen. Und das ist dann doch ein wenig enttäuschend für einen Filmemacher vom Kaliber Woody Allens, selbst wenn man sich hier von vornherein auf einen der thematisch leichteren Filme des sonst oft grummeligen und gern auch mal charakterliche Abgründe auslotenden Regisseurs eingestellt hat. Zwar schmeißt sich Penepole Cruz als fleischgewordene Versuchung hier mächtig ins Zeug, doch ist gerade ihr Handlungsstrang der klischeebeladenste, demzufolge sämtliche Italiener stets nur „Amore“ im Kopf haben und sich dabei auch auf die unwahrscheinlichsten Abenteuer einlassen. Nicht sehr realistisch, aber immerhin recht lustig auch der Umgang mit unserem talentierten Tenor, den die ehrgeizige Woody Allen-Figur dann halt mit Duschkabine auf die Bühne stellt und dort das Publikum begeistern lässt, während stetig das Waser aus dem Schlauch plätschert.
Vollends ins Surrelae driftet dann das Geschehen um den biederen Leopoldo ab, der plötzlich von Menschenmassen umlagert und verehrt wird, der einfach „so berühmt ist, weil er halt berühmt ist“ und sich fortan die Supermodels an seiner Seite aussuchen darf. Obwohl er sich mit seinen ebenfalls berühmten oder auch berüchtigten Zappeleien hier bis kurz vor Schluss zurückhält, wird einem erst durch diese kurze Rückkehr des Roberto Benigni bewusst, wie wenig einem diese Nervensäge in den letzten Jahren eigentlich gefehlt hat.
Wäre da nicht wenigstens noch die zweifellos stärkste Geschichte um die Versuchungen des jungen Jack, man müsste wirklich daran zweifeln, ob sich der verantwortliche Autor und Regisseur denn hier überhaupt für sein Drehbuch interessiert oder tatsächlich einfach nur ein paar schöne Tage im alten Rom verbracht hat. Doch im Beziehungsgeflecht zwischen dem der verantwortungslosen Femme Fatale Ellen Page verfallenden Jesse Eisenberg samt dem die sich anbahnende verhängnisvolle Affäre aus dem Hintergrund kommentierenden Alec Baldwin gelingen sie dann doch wieder, die pointierten und selbstironischen Dialoge, welche mit großem Vergnügen das Gehabe der vermeintlich intellektuellen Schöngeister entlarven.
Es ist schon ein großes Potpourri der heißen Luft und der Nichtigkeiten, welches der mal mehr, mal weniger zuverlässige Chronist menschlicher Verhaltensweisen uns dieses Mal auftischt und trotzdem: Einen gewissen Charme und Witz hat das natürlich und Spaß macht es - auch dank vieler ausgezeichneter Darsteller - dann letztendlich doch wieder. Womit erneut bewiesen wäre, dass selbst ein schwächerer Allen-Film immer noch eine gewisse Grundqualität besitzt, die ihn vor dem kompletten Absturz bewahrt. Und darum handelt es sich bei „To Rome with Love“ halt ganz zweifellos: Um einen der schwächeren Woody Allen-Filme.
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