Pieces of April - Ein Tag mit April Burns

Originaltitel
Pieces of April
Land
Jahr
2003
Laufzeit
81 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 4. Juni 2010

 

Augen auf! In allzu vielen Lichtspielhäusern wird dieses kleine Juwel wohl nicht zu sehen sein und es steht zu befürchten, dass es nach nur kurzer Zeit auch schon wieder aus den Kinos verschwindet. Was ganz furchtbar ungerecht wäre, denn mit "Pieces of April" erreicht uns tatsächlich einmal ein amerikanischer Film, der sich einem dort arg strapazierten Thema von einer ganz ungewohnten und sympathischen Seite nähert: Der Bedeutung der Familie und dem steten Streben nach deren Zusammenhalt. In zahlreichen Hollywood-Filmen wurde und wird dies als alleinig sinnstiftendes Ziel ausgegeben und die entsprechende Erkenntnis sowohl den Filmfiguren als auch dem Zuschauer dabei meist mit dem moralischen Holzhammer eingetrichtert. Hier aber nicht, obwohl unser Tag mit April Burns gleich mit einer nun wirklich uramerikanischen Tradition beginnt, nämlich den Vorbereitungen zum großen gemeinsamen Thanksgiving-Mahl.

Dieses gehört in den USA zwar grundsätzlich zu den essentiellen Familienfeierlichkeiten, ist bei Familie Burns aber etwas ganz Außergewöhnliches. Denn geladen hat dieses Jahr Tochter April, das schwarze Schaf der Familie. Diese liegt mit ihren Angehörigen ständig im Clinch und lebt in einem winzigen Apartment in der heruntergekommenen Lower East Side von New York. Ihre Drogenvergangenheit hat sie hinter sich gebracht und dazu einen neuen Freund, der sie gut behandelt und es anscheinend ehrlich mit ihr meint. Der Rest der Familie hat da aber so seine Zweifel und das Thema "April" eigentlich schon lange abgehakt. Nur auf Treiben des sanftmütigen Vaters setzt sich der Tross samt Geschwistern und seniler Oma in Bewegung und macht sich auf die recht weite Fahrt in die Metropole. Dass Aprils Mutter schwer an Krebs erkrankt ist und auf die übergroße Fürsorge ihrer Lieben sehr gereizt reagiert, macht das Unterfangen dabei nicht eben leichter. Während man also im Auto schnell darüber diskutiert, ob denn diese ganze Reise überhaupt Sinn macht, kämpft April daheim mit "Murphys Gesetz": Alles was schief gehen kann, geht auch schief, und bei ihren verzweifelten Versuchen das Truthahnessen irgendwie zu retten, wird sie gezwungen sich zum ersten Male mit ihrer skurrilen Nachbarschaft zu beschäftigen.

Die Momente, in denen April mehr oder weniger hilflos dem ersten toten Truthahn ihres Lebens gegenübersteht, und die Suche nach Hilfe bei den ihr bis dahin völlig unbekannten Nachbarn gehören dann zu den wirklich witzigen Szenen des Films, der ansonsten sicherlich mehr Drama als Komödie ist. Wer selbst schon einmal versucht hat mit Werkzeugen zu hantieren, deren Funktion ihm völlig fremd ist, weiß die Bemühungen der jungen Miss Burns zu schätzen und kann ihre Panik gut nachvollziehen. Eine Aussage, die auf nicht wenige Szenen zutrifft, denn eines wird schnell deutlich: Hier geht es um wirkliche, echte Menschen und um deren glaubhaftes, nachvollziehbares Verhalten.
So verleiht Regisseur und Autor Peter Hedges den Bewohnern des schäbigen und unwirtlichen New Yorker Wohnhauses zwar genügend Macken um für den einen oder anderen Gag gut zu sein, aber er übertreibt es nicht. Der in seinem Sozialverhalten leicht gestörte junge Mann aus dem obersten Stock erweist sich dabei dann als auf den eigenen Vorteil bedachter Widerling, ist aber nicht wirklich gefährlich. Das gutmütige schwarze Ehepaaar hilft April so gut es kann, behält den rauen Umgangston aber bei. Auch die einzelnen Familienmitglieder wirken nicht unbedingt von Grund auf sympathisch, haben aber eine nachvollziehbare Motivation für ihr Verhalten. Und vor allen Dingen besitzen sie die Bereitschaft ihre Ansichten zu ändern, auch wenn das Zeit braucht und sie den Mut dazu erst finden müssen. Warum genau es zum Bruch kam und was nun April überhaupt dazu bewegt die Familie einzuladen wird zwar nicht genauer erklärt, lässt sich aber anhand der jeweiligen Charakterisierungen schon recht gut erahnen.
Wie dann die Masken und die destruktive Sturheit seiner Charaktere sich langsam lösen, dies schildert Hedges unglaublich überzeugend und beweist damit, dass er nicht nur Drehbücher schreiben kann ("Gilbert Grape - Irgendwo in Iowa") sondern wohl auch selbst der beste Mann ist um diese umzusetzen. Unterstützt wird er dabei von einem feinen Ensemble an Schauspielern, in dem Teenie-Queen Katie Holmes aus der TV-Serie "Dawson's Creek" ihre darstellerische Reifeprüfung ablegt und aus dem Patricia Clarksons kranke und dennoch autoritäre Mutter herausragt. Ihre Oscar- und Golden Globe-Nominierung für diese Rolle ist sehr erfreulich, allein schon deshalb weil ihrem Film dadurch eine größere Aufmerksamkeit zuteil wird.
Schön, dass die Academy auch einem wirklichen Low-Low Budget-Film eine Chance gibt. Denn dass hier nicht viele Mittel zur Verfügung standen, kann "Pieces of April" zu keiner Zeit verbergen. Der etwas grobkörnige Video-Stil vermittelt meist den Eindruck eines unfreiwilligen "Dogma"-Films und den Mann mit der wackeligen Handkamera hätte man ja auch ab und zu mal stützen können. Das ist dann aber auch der einzige kleine Kritikpunkt und stört den Genuss des Films nicht wirklich. Auch die mancherorts geäußerte Vermutung, das stilistisch etwas eigenwillige Ende sei nur zustande gekommen, weil den Machern das Geld ausging, sollte man nicht besonders ernst nehmen. Denn diese "Schlussbilder" kann man sehr wohl auch als bewusst gewähltes und stimmiges Finale empfinden (zumal sie noch mit einer sehr schönen Musik unterlegt werden). Und sie machen auch noch einmal deutlich, warum die Familienzusammenführung von "Pieces of April" einen wirklich bewegt, warum sie Herzenswärme vermittelt und um so vieles glaubwürdiger wirkt, als beispielsweise in der gerade anlaufenden Hochglanz-Variante "Im Dutzend billiger". Hier dagegen haben wir einen kleinen, wundervollen Film mit ganz wunderbaren Darstellern. Einen Film, der auch das Versprechen abgibt, dass wir von Peter Hedges wohl noch Einiges erwarten dürfen. Und die Erkenntnis vermittelt: Wenn schon leicht anrührende Familiengeschichten, dann doch bitte so und nicht anders.

Bilder: Copyright

10
10/10

mein gott, was habe ich denn da zusammengeschrieben?! muss wohl betrunken gewesen sein. anyway, 10 von 10 Digital Eyes bleibt gerechtfertigt.

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