Welche Zutaten braucht es, um einem Kinogänger einen genießbaren Rachefeldzug aufzutischen? Vorschlag: Jason Statham prügelt seinen Widersachern das Leben aus dem Leib. Der Rest läuft von selbst – sollte man zumindest meinen. Doch die Romanverfilmung „Parker“ liefert den Gegenbeweis.
Parker (Statham) ist ein Gauner mit Prinzipien. Keiner, den er bestiehlt, nagt am Hungertuch, und keinen, den er verletzt, trifft es unverdient. Als Anführer einer fünfköpfigen Crew hat er es zu Beginn des Films auf die Einnahmen eines Jahrmarktes in Ohio abgesehen. Der Coup gelingt, doch auf der Rückfahrt kommt es zwischen Parker, der seinen Anteil einfordert, und den übrigen Mitgliedern, die das gesamte Geld in einen noch größeren Raub investieren wollen, zum Streit. Mit zwei Kugeln im Körper landet Parker im Straßengraben – left for dead. Zum Nachteil der vier übrigen Gangster überlebt das robuste Kraftpaket jedoch schwer verletzt und sinnt auf Rache. Nicht des Geldes wegen, sondern aus Prinzip. Denn ein Deal ist ein Deal.
Ein Mann sieht also wieder einmal rot. Das zumindest suggerieren die sechs Leinwand ausfüllenden Lettern, die am Anfang in passender Farbe den Filmtitel formen. Direkt daneben marschiert Jason Statham als Priester verkleidet zielstrebig durchs Bild. Doch dieses Versprechen entpuppt sich bis auf wenige Ausnahmen als ein leeres. Abgesehen von einigen gelungenen Szenen, in denen Parker mal richtig auf den Putz haut, beinhalten die fast zwei Filmstunden hauptsächlich uninteressante Gespräche der Titelfigur mit einem weiblichen Charakter, der so unnötig wie nervig ist. Dabei haben Regisseur Taylor Hackford („Ray“, „Im Auftrag des Teufels“, „Dolores“) und Drehbuchautor John J. McLaughlin („Black Swan“, „Hitchcock“) doch schon bewiesen, dass sie es besser können.
„Parker“ fehlt es an Spannung, Witz und Inspiration. Ein durchschnittlicher 08/15-Actioner käme vielleicht auch ohne diese Merkmale über die Runden, doch darüber, dass es den Charakteren eklatant an Glaubwürdigkeit fehlt, lässt sich nicht so einfach hinwegsehen. Die bösen Buben besitzen exakt eine Charaktereigenschaft und unterscheiden sich ansonsten lediglich durch ihr Aussehen – geschenkt. Dass Parker offenbar gar keine Alternative zur Blutrache sieht, obwohl ihm letztlich bis auf etwas Geld nichts in seinem Leben genommen wurde – problematisch, aber immerhin prinzipientreu. Vollkommen unglaubwürdig wird es jedoch, wenn Parker vor dem Auftraggeber der vier Betrüger gewarnt wird, welcher scheinbar noch übler drauf ist als die Mafia, sowie den fatalen Konsequenzen für sein Wohlergehen. Letztlich schickt dieser fürchterlich böse und mächtige Auftraggeber aber lediglich eine Ein-Mann-Armee los (der angeblich beste Mann auf diesem Gebiet), die zweimal in Aktion tritt und beide Male jämmerlich versagt.
Wenn wenigstens keine Zeit dafür bliebe, über diesen Unfug nachzudenken, könnte „Parker“ immer noch vor dem Scheitern gerettet werden. Doch das ist das Hauptproblem: Zwischen dem Auslöser des Rachefeldzuges und dessen finaler Etappe vergehen gut 90 Minuten, gefüllt mit einigen deftigen Einlagen, vor allem aber dem Auftritt und Wirken des wohl überflüssigsten Filmcharakters des Kinojahres: Leslie, Parkers „Assistentin“, gespielt von Jennifer Lopez.
Leslie, geschieden und verschuldet, arbeitet als Immobilienmaklerin in Palm Beach, einer wohlhabenden Gegend in Florida. Ihr erster Auftritt: Sie vermasselt einer erfolgreichen und wenig beliebten Mitarbeiterin, also Konkurrentin, einen Deal. Dass diese das wohl verdient hat, muss man halt so hinnehmen. An ihrer Stelle macht nun Leslie Bekanntschaft mit Parker, der sich als einer der Schönen und Reichen ausgibt, tatsächlich aber auf der Suche nach dem Versteck der Todgeweihten ist. Im Anschluss erfährt der Zuschauer viel über die Probleme und Sorgen von Leslie, sieht, wie eine Immobilienmaklerin die Identität von Parker in Windeseile als gefälscht enttarnt (besorgt hatte er sie sich zuvor natürlich bei dem Besten auf diesem Gebiet...), und wird Zeuge der plumpen Annäherungsversuche eines Polizisten, die sie – in Anspielung auf ihren Coffee to go und eine bevorstehende Autofahrt – mit Sprüchen kontert wie: "Er ist groß und schwarz – natürlich stecke ich ihn mir zwischen die Beine."
Das alles ist genauso interessant wie der Seniorentanz auf dem Jahrmarkt und hat mit der eigentlichen Handlung nur wenig zu tun. Dass sich hinter dem Schein einer quirligen Karrierefrau das Sein einer vom Job Frustrierten und Angewiderten verbirgt, ist klar. Ein bisschen Kritik an den oberen Zehntausend muss eben auch noch mit rein. Hätte eine echte Schauspielerin wie Annette Bening – man denke bloß an „American Beauty“ – den Schaden, den diese Rolle anrichtet, vielleicht noch in Grenzen halten können, kaspert sich Lopez von Szene zu Szene. An manchen Stellen ist sie Drehbuch und Regie aber wirklich hilflos ausgeliefert. Beispielsweise wenn sich Leslie vor Parker bis auf die Unterwäsche entkleiden soll, damit dieser sie auf mögliche Wanzen überprüfen kann, und dabei Angst vor ihm verspürt, weiß man natürlich, dass ihr – zumindest was körperliche Gewalt betrifft – rein gar nichts droht. Parker schadet ja schließlich keiner Person, die es nicht verdient hat. Mit der musikalischen Untermalung soll dennoch eine Spannung aufgebaut werden, die im Ansatz nicht existiert. Welchen Einfluss Leslie schließlich auf den finalen Racheakt nimmt, sei aus Spoilergründen nicht detaillierter beschrieben. Doch das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit für diesen Charakter, aber auch den Film im Allgemeinen erlischt spätestens an dieser Stelle.
Nein, Filme wie dieser müssen natürlich nicht wahnsinnig ernst genommen werden. Doch mit einer ideenlosen Inszenierung, die auch vor nutzlosen Rückblenden nicht zurückschreckt, sowie einer langweiligen und häufig schlicht unplausiblen Handlung, die ihr eigentliches Ziel lange Zeit aus den Augen verliert, sorgt man nicht einmal für einen kleinen Spaß für Zwischendurch. Für die „Parker“-Titeleinblendung am Anfang hätte sich deshalb eine deutlich passendere Alternative angeboten; eine, in der Leslie ins Bild stolpert und die sechs Buchstaben versehentlich über den Haufen rennt. Das hätte auf das Kommende zumindest besser vorbereitet.
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