Nur noch 60 Sekunden

Originaltitel
Gone in 60 seconds
Land
Jahr
2000
Laufzeit
117 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Andreas Berger / 31. Mai 2010

 Das Hauptproblem vieler dieser typischen Sommer-Blockbuster sind ja gar nicht mal unbedingt die flachen Figuren oder die dünne Story. Auf beides sollte man bei derartigen Produktionen eigentlich vorbereitet sein. Wesentlich störender wirkt oft der selbstauferlegte Anspruch, etwas in jeder Hinsicht überlebensgroßes zu präsentieren und den Zuschauer mit wirklich allen zur Verfügung stehenden Mitteln in den Sitz zu pressen. Herausforderungen, bei denen es (mindestens!) um das Schicksal der Menschheit geht, sind als Thema daher besonders beliebt, man erinnere sich an die beiden pompösen Asteroidenschmonzetten „Deep Impact“ und „Armageddon“, die vor zwei Jahren mit einer Mischung aus spektakulären Effekten und drei Überdosen Pathos auf Publikumsfang gingen. Für letzteren Film war bekanntlich Hit-Produzent Jerry Bruckheimer verantwortlich, der auch im Jahr 2000 wieder versucht, ein möglichst großes Stück vom sommerlichen Box-Office-Kuchen abzubekommen. Dieser Versuch nennt sich „Nur noch 60 Sekunden“ und entpuppt sich erfreulicherweise als deutlich bescheidener und vor allem auch wesentlich vergnüglicher als Michael Bays cineastischer Zuckerschock von 1998.

Memphis Raines war früher mal ein berüchtigter Autodieb, der sich jedoch aus dem Unterwelt-Milieu zurückgezogen hatte, um seinen kleinen Bruder Kip nicht in kriminelle Kreise zu locken. Genützt hat’s wenig, denn während Memphis heute Kindern das Kart-Fahren beibringt, klaut Kip Luxuswagen. So gut wie sein Bruder scheint er das Geschäft jedoch nicht zu beherrschen, denn ehe er sich’s versieht, steckt er ganz tief in der Tinte bzw. in einer Schrottpresse. Memphis kann ihn zwar in letzter Sekunde retten, muß dem Gangster Raymond Calitri aber versprechen, für ihn innerhalb von 72 Stunden 50 Nobelkarossen zu stehlen. Während sich Detective Castlebeck - ein alter Bekannter aus seinen kriminellen Glanzzeiten - erneut an seine Fersen heftet, trommelt Memphis sein altes Team wieder zusammen und macht sich an die Arbeit...

Soviel zur Story. Eher dünn, gell? Entsprechend flach dann auch die Figuren, die aber - fast schon ein Bruckheimer-Trademark - immerhin von einer gutklassigen Besetzung verkörpert werden. Darstellerische Höchstleistungen gibt’s hier natürlich nicht zu bewundern. Besonders Angelina Jolie hat in diesem Film genau genommen überhaupt nichts zu tun, außer ganz toll auszusehen, aber da sie für eine derartige Aufgabe nun wirklich nicht die schlechteste Wahl ist, geht das schon in Ordnung. Nicolas Cage scheint der Dreh auch Spaß bereitet zu haben, was man schon allein daran erkennt, daß er seine patentierte Leidensmiene nur ungefähr die Hälfte der Laufzeit zur Schau stellt. Auch solche verdienten Schauspieler wie Robert Duvall oder Delroy Lindo werden sich wegen ihrer Auftritte in „Gone in Sixty Seconds“ (so der mal wieder deutlich wohlklingendere Originaltitel) noch keine neuen Smokings für die nächste Oscarverleihung bestellen müssen, werten den Film aber schon allein durch ihre Anwesenheit noch weiter auf. 

Für den Regieposten hat Bruckheimer den schon fast verschollen geglaubten Dominic Sena ausgegraben, der vor sieben Jahren mit dem Serienkiller-Thriller „Kalifornia“ sein Spielfilmdebut feierte. Da der gute Mann zuvor Werbespots und Videoclips gedreht hat, verwundert es kaum, daß auch „Gone in Sixty Seconds“ sehr augenschmeichelnd in Szene gesetzt wurde und - mit fetzigen Elektrorhythmen unterlegt - sehr dynamisch daherkommt. Die Actionszenen sind allerdings nicht ganz so zahlreich ausgefallen, wie sich so mancher vielleicht erhofft hatte, denn es gibt nun nicht bei jedem der 50 zu stehlenden Wagen eine neue Verfolgungsjagd zu bestaunen, sondern nur beim letzten. Diese Sequenz ist dann aber wirklich flashig geraten, erstaunt mit solchen Gimmicks wie umherfliegenden Gastanks und Abrißbirnen und endet mit einem der übertriebensten Autosprünge seit „Blues Brothers“. Sehr schön! Der Realismus der Verfolgungs-Szenen in „Ronin“ war natürlich ebenfalls sehr beeindruckend, aber hier darf auch ruhig mal wieder geklotzt werden. Der eigentliche Showdown, in dem Memphis dann dem fiesen Calitri gegenübersteht, fällt demgegenüber allerdings doch deutlich ab und wirkt regelrecht gewöhnlich. 

Dieser kleine Makel mindert das Vergnügen aber nur geringfügig, zumal sich Drehbuchautor Scott Rosenberg diesmal die peinlichen Gags (man erinnere sich nur an die Tunte in „Con Air“) verkneifen konnte und den simplen Plot statt dessen mit einigen wirklich amüsanten Details aufgelockert hat. Überhaupt steht die Crime-Thematik eher im Hintergrund, was den ganzen Film - übrigens ein Remake von „Die Blechpiraten“ (1974) - trotz seiner arg schematisch wirkenden Konstruktion sehr locker und fast schon sympathisch wirken läßt. Von wie vielen anderen Blockbuster-Kandidaten läßt sich das schon behaupten?
Also: Wie so oft kommt es auch hier auf die allmächtige Erwartungshaltung an. Wer auf eine alles in den Schatten stellende Zerstörungsorgie hofft, könnte durchaus enttäuscht werden. Wer hingegen eine grotesk aufgeblasene Masturbationsvorlage für „Auto-Bild“-Abonnenten befürchtet hatte, darf sich über einen erstaunlich spaßigen Film freuen, der seine selbstgesteckten Ziele ohne große Mühe erreicht.

Bilder: Copyright

7
7/10

Tolle Autos, gute Action, zu Lachen gibt's auch was, lediglich ein paar dümme Sprüche hätte man sich schenken können. Die Charaktere sind zwar nichts besonderes, aber ein paar Typen bleiben einem dann doch im Gedächtnis haften, allen voran "Sphinx", der immer wieder für eine Überraschung gut ist.

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