Nosferatu - Der Untote

Originaltitel
Nosferatu
Land
Jahr
2024
Laufzeit
132 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Volker Robrahn / 3. Januar 2025

Robert Eggers erzählte uns im Interview zu seinem letzten Film „The Northman“ dass er damit den „definitiven Wikinger-Film“ abliefern wollte. Und wenn dieser aufregende Filmemacher uns nun mit seinem langjährigen Wunschprojekt „Nosferatu“ beglückt dann steht dahinter selbstredend erneut der Anspruch nach all den unzähligen Adaptionen von Bram Stokers Dracula-Stoff nun auch den definitiven Vampir-Film zu präsentieren. Keine einfache Aufgabe bei einem den allermeisten doch sehr vertrauten Stoff. Aber obwohl selbst Eggers das Genre mit seinem Beitrag nicht komplett neu erfinden kann ist ihm ein sehr beeindruckender und packender Film gelungen der viel zu bieten hat.

Bekannt ist die Geschichte des Vampirfürsten im Kern wohl wirklich so ziemlich jedem, auch wenn es sich bei der „Nosferatu“- Variante um eine leicht abgewandelte Version des Dracula-Mythos handelt, die der große deutsche Expressionist Friedrich Wilhelm Murnau vor ziemlich genau einhundert Jahren vor allem deshalb vornahm weil er keinerlei Rechte an einer Verfilmung des Romans von Bram Stoker besaß – was dazu führte dass der 1922er „Nosferatu“ lange aus der Öffentlichkeit verschwand und erst mit Jahrzehnten Verspätung seinen berechtigten Status als einer der ganz großen Stummfilmklassiker erhielt. Einen Stellenwert den die erste nun auch schon wieder fast ein halbes Jahrhundert alte Neuverfilmung durch Werner Herzog nicht zu erreichen vermochte. Denn trotz der im Grunde idealen Besetzung von Klaus Kinski in der Titelrolle bewegt sich Herzogs Film von 1978 viel zu stark in den typischen Fahrwassern dessen was damals als „neuer deutscher Film“ fungierte und mit seiner gewollten Kunstfertig- und Langsamkeit die Geduld des Zuschauers strapazierte.

Das ist hier nun nicht der Fall, denn obwohl Eggers Film von der reinen Laufzeit her nochmal ein Stück draufpackt kommt einem dabei nie der Gedanke in den Sinn „da hätte man aber auch gut etwas kürzen können“. Auch wenn sich Zeit genommen wird ist das Geschehen von Anfang an nicht nur atmosphärisch packend sondern baut auch eine perfekte Spannungskurve auf, breitet eine Geschichte aus die sich konsequent und unvermeidlich auf eine finale Konfrontation und einen Endkampf zwischen gut und böse, Verdammnis oder Erlösung zuläuft. Das Einzige was eventuell etwas die Spannung raubt ist dabei die Tatsache dass man die Geschichte eben grundsätzlich kennt und damit zwangsläufig auch einige der Entwicklungen – aber eben auch nicht alle, denn nicht nur die Auflösung ist eine andere, durch ihre aufgeladene Bedeutung letztlich stärkere als in Stokers Roman.

Auch das Verhältnis zwischen dem Vampir, der hier Orlok heißt und seinem erwählten „Hauptopfer“ namens Ellen hat eine andere Qualität. Da diese eben nicht einfach nur wehrloses Opfer ist sondern eine selbst für die Versuchungen und Verlockungen der dunklen Kraft empfängliche Frau ,die sich zu wehren weiß und eigene Entscheidungen trifft. So ist denn auch Ellen-Darstellerin Lily Rose-Depp die eigentliche Entdeckung des Films. Die Tochter des berühmten Johnny verdingte sich bislang eher in solch fragwürdigen, Kevin Smith-Vehikeln wie „Tusk“ oder „Yoga Hosers“ überzeugt hier aber mit großer Ausdruckskraft als innerlich zerrissene Ellen und stiehlt damit sogar Bill Skarsgard die Show der nach seinem Auftritt als Clown Pennywise ein weiteres Mal hinter einer grotesken Maske verschwindet und vor allem mit seiner Stimme wirkt. Der erst kürzlich im themenverwandten „Renfield“ als Dracula-Helfer aktive Nicholas Hoult gibt nun dessen erklärten Gegner, den vielschichtigeren Part hat jedoch Aaron Taylor-Johnson als dessen widerspenstiger Kollege Friedrich abgegriffen.

Ergänzt durch Eggers Stammschauspieler Willem Dafoe ("Der Leuchtturm") als Van Helsing-Verschnitt ergibt das ein exzellentes Darstellerensemble, das sich durch eine extrem düstere Geschichte in einem unangenehmen, bedrohlichen Umfeld bewegt. Zusammen mit der durchaus heftige Brutalität samt Rattenplage, tödlicher Pest und abgebissenen Tierköpfen dürfte das für ein eventuell angelocktes Arthaus-Publikum an der einen oder anderen Stelle dann schon eine harte Prüfung bedeuten,. Aber es ist natürlich erfreulich, dass sich der leidenschaftliche Regisseur hier nicht zurücknehmen musste, denn Ekel und Gewalt sind ist in diesem Fall ganz sicher kein Selbstzweck sondern dem Thema und der Geschichte schlicht angemessen.

Es gibt also inszenatorisch oder auch schauspielerisch nichts zu mäkeln an dieser kraftvollen Vampir-Interpretation und wenn es dennoch nicht für die absolute Höchstwertung reicht dann ist das im Grunde nur deshalb so, weil auch ein Robert Eggers das Rad nicht völlig neu erfinden kann und einem diverse Szenen und Momente halt vertraut sind bei dieser recht werkgetreuen Adaption des Murnau-Films - bei der man aber eigentlich auch gar nicht von einem klassischen „Remake“ sprechen kann, denn dafür unterscheiden sich die Art und Möglichkeiten der Inszenierung zum Stummfilm grundsätzlich viel zu sehr. Umso beneidenswerter sind all diejenigen (wie viele mögen es sein?), für die dies vielleicht der allererste Dracula/Nosferatu-Film überhaupt. Lohnen tut der sich aber auch für alle Anderen.

Bilder: Copyright

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