"The Northman" - Interviews mit Regisseur Robert Eggers & Hauptdarsteller Alexander Skarsgard

von Volker Robrahn / 20. April 2022

Seine ersten beiden Filme haben bereits genügt um Robert Eggers zu einem der viel versprechendsten neuen Regisseure zu machen, denn sowohl in „The Witch“ als auch in „Der Leuchtturm“ gelang ihm eine faszinierende Mischung aus Genre- und Arthouse-Kino. Mit „The Northman“ präsentierte er nun seine neueste, deutlich größere Produktion in Hamburg der Presse.

Filmszene: Mr. Eggers, Sie haben sich also entschieden den definitiven Wikinger-Film zu machen. Warum war Ihnen das so wichtig?

Robert Eggers: Nun, bei einem Western wäre das eine deutlich schwerere Aufgabe, aber ganz so viele Wikinger-Filme gibt es ja noch nicht, daher war das schon ein Ansporn. Diese Kultur wird ja selten akkurat dargestellt, im Grunde schon nicht seit Richard Wagner sich entschied Hörner auf ihre Helme zu setzen, was seitdem praktisch überall so übernommen wird. Es ist nicht alles wissenschaftlich erforscht und bei einigen Dingen muss auch ich mich auf mein Gefühl und die Inspiration verlassen, aber insgesamt ist mir die Recherche zu den tatsächlichen historischen Gegebenheiten schon sehr wichtig – und ich mache das auch einfach sehr gerne. Und deshalb musste unser Film auch in Island gedreht werden, denn es ist nun mal eine isländische Geschichte.

Ihre bisherigen Filme waren deutlich kleinerer und intimere Angelegenheiten. Mussten sie jetzt erstmal lernen wie man denn überhaupt Actionszenen inszeniert?

Ja, ich hatte bisher keine Ahnung wie das geht. Man kann durchaus sagen, dass ich zu Beginn eigentlich nicht dafür qualifiziert war diese Art Film zu machen. Also galt es zu lernen und sich Dinge anzueignen, damit wir es gemeinsam hinbekommen. Nicht nur ich habe dafür viel Energie investiert, es waren sehr anstrengende, komplizierte Dreharbeiten mit viel Schlamm und Dreck und ich weiß nicht, ob es überhaupt eine einzige Szene gibt in der es nicht regnet. Aber ich hoffe, wir haben es hinbekommen.

Sie besitzen zwar diese Art Besessenheit was Recherche und korrekte historische Darstellung betrifft, dennoch aber offenbar auch ein Faible für Fantasy und das Übersinnliche. Wie passt das zusammen?

Für mich ist das ganz einfach zu erklären: Die übernatürliche Welt war für Leute in früheren Jahrhunderten genauso real wie alles Andere in ihrem Leben, es war ein Bestandteil davon. Also muss ich das auch zeigen. Andere meinen man kann auf die alten Sagen nicht viel geben weil die ja diese übernatürlichen Elemente beinhalten. Aber die Menschen damals hielten das alles ja für real sie haben nicht bewusst oder absichtlich „Fantasy“ verfasst.

Ich habe mich zwischendrin gefragt, ob Sie denn ein großer Fan von „Conan, der Barbar“ sind, dem ersten Film von 1982. Der Beginn mit dem Sohn der den Mord an seinem Vater mitansehen muss , Rache schwört und zu einem muskulösen Kämpfer heranwachst ist doch recht ähnlich, auch wenn es sich letztlich um eine andere Art Film handelt.

Oh ja, „Conan“ hab ich als Kind viel zu oft gesehen (lacht). Und ich habe sogar einige direkte Zitate aus dem Film eingebaut, z.B. wenn Fjölnir seinen Helm abnimmt zitiert das James Earl Jones. Aber es sind sicher auch ein paar „versehentliche“ Zitate mit drin, einfach weil ich „Conan“ wirklich sehr oft geschaut habe.

Spüren Sie einen gewissen Druck mit „The Northman“ aufgrund der Größe der Produktion nun auch ein deutlich größeres Publikum zu erreichen? Und hat dieses Wissen Einfluß darauf gehabt wie Sie an die Sache herangehen?

Sagen wir mal so: Mein Ziel war es mit „The Northman“ den unterhaltsamsten Robert Eggers-Film zu machen den es bisher gab. Denn eigentlich waren meine bisherigen nicht wirklich in erster Linie Entertainment, jedenfalls war das dabei nicht das vorrangige Ziel. Ich wollte hier schon einem Film abliefern den man auch bei einer Tüte Popcorn genießen kann. Aber natürlich nicht nur das, ich hoffe es gibt darin Momente in denen man vielleicht kein Popcorn essen möchte oder es völlig vergisst. Was den Druck und die Verantwortung angeht so muss man natürlich versuchen das auszublenden, sonst wird man ja verrückt im Kopf.

Mussten Sie denn Kompromisse eingehen?

Es gab schon ein paar Kompromisse die mit nicht so gefallen. Bei den Menschenjagd-Szenen hätte ich es kraftvoller und furchteinflössender gefunden wenn die Menschen da komplett nackt gewesen wären – ich durfte jedoch keine Penisse zeigen. Dann gibt es Kompromisse für die niemand etwas kann außer dem Corona-Virus. Wir konnten deshalb nicht von Beginn an auf Island drehen und mussten so einige Hintergründe kopieren. Das wird zwar oft so gemacht, aber ich persönlich mag es halt eigentlich nicht. Und was die Art des Storytelling angeht war der Schneideprozess für mich diesmal deutlich schwieriger, denn ich hatte hier nicht das Recht auf den Final Cut – was ganz einfach an der Größe der Produktion liegt und auch nachvollziehbar ist. Aber meine Mitarbeiter und ich hätten dennoch nie einen Film abgegeben auf den wir nicht stolz sind. Und ganz ehrlich: Ohne die Einmischung des Studios hätte ich mein Versprechen vom „unterhaltsamsten Robert Eggers-Film“ wohl auch nicht halten können.

 

Seit seinem Durchbruch als Vampir in „True Blood“ ist Alexander Skarsgard gut im Geschäft. Aauch als „Tarzan“ hatte er schon eine physisch sehr fordernde Rolle für „The Northman“ nun aber nochmal ein Stück an Muskelmasse zugelegt. Die Idee und der Anstoß für diesen Film kamen dabei hauptsächlich von ihm, wie er uns im Interview verriet.

Filmszene: Mr. Skarsgard, was braucht es um ein Wikinger zu sein?

Alexander Skarsgard: Ich wurde schon als Wikinger geboren!

Sie waren zumindest von Anfang an in dieses Projekt involviert und fungieren auch als Co-Produzent. Es musste also niemand Anderes gecastet werden.

Ich kann jetzt nicht behaupten, dass vor allem ich für den fertigen Film verantwortlich bin den Sie gerade gesehen haben. Aber ich hab in der Tat schon als kleiner Junge von so einer Art Wikinger-Film geträumt. Das hat natürlich sehr mit meiner schwedischen Herkunft und meinem familiären Umfeld zu tun. Und mit der ländlichen Umgebung, wo es hunderte Runensteine gibt, die tausend Jahre alt sind – das macht auf ein Kind schon großen Eindruck und hat meine Phantasie sehr beflügelt. Und damit bin ich ja nicht alleine, viele Leute sind von dem Thema fasziniert. So eine richtig epischen Wikinger-Film gab es aber bisher noch nicht, also haben wir einen gemacht und ich habe zum Glück die richtigen Leute dafür gefunden.

Und hätten Sie vorher gedacht, dass ausgerechnet Robert Eggers der richtige Regisseur dafür ist?

Absolut, denn ich war begeistert von „The Witch“, wo er einen tollen Job gemacht hat, mit wenig Mitteln eine fazinierende Atmosphäre erzeugt und eine Welt erschafft die sich absolut realistisch anfühlt. Das vor allem war das was mir wichtig ist und dafür ist er genau der Richtige.

Ist diese Ihre bisher anspruchvollste und fordernste Rolle?

Sie war sowohl physisch als auch mental eine echte Herausforderung, ja. Wie man im Film sieht mag Robert keine Schnitte, die meisten Szenen sind praktisch in einer langen Einstellung gedreht. Es gab auch kaum Mal einen Green Screen, wir haben immer in realer Umgang gedreht. Das war bei „Tarzen“ anders, da haben wir ein bisschen mehr geschummelt. Ich finde es toll so zu drehen wie Robert es macht, aber angesichts der zahlreichen Kampfszenen die ich zu absolvieren habe war das schon ziemlich hart und ich dann auch meistens entsprechend erschöpft. Aber ich hoffe, auch der Zuschauer registriert diese Art einen Film zu machen und weiß es zu schätzen.

Ihre Figur verkörpert eine Art Männlichkeit, die manch einer heute als „toxisch“ bezeichnen würde. Und Sie haben schon öfter in Ihrer Karriere solche Charaktere gespielt. Interessante Charaktere, die aber auch stets eine etwas „gestörte Persönlichkeit“ besitzen.

Ja, diese Dunkelheit und Komplexität in den Figuren ist es was mich daran reizt. Wie hier der Widerspruch zwischen dem äußerlichen Berserker, der Kampfmaschine und dem einsamen, allein gelassen Jungen. Aber ja, mich interessiert auch was so ein „Alpha Tier“ ausmacht und was sich hinter dem verbirgt was man zunächst sieht. Auch meine Figur Perry in „Big Little Lies“ ist z.B. unheimlich finster, durchläuft aber eine aufregende Reise. Da gibt es mehr als nur Schwarz und Weiß und in so etwas einzutauchen ist toll und gibt mir viel.

Es ist auch -wie bei „Tarzan“- eine Figur die eher wenig redet. Mögen Sie es viel mit Blicken oder Gesten zu sagen statt mit Worten?

Das sind oft die interessantesten Momente beim Spielen, ja. In den Sagen an denen wir uns orientiert haben gibt es halt auch nur wenig Dialog und wenn ist er sehr kurz und direkt – man sagt nur das was wirklich gesagt werden muss. Dieses Prinzip wollten wir einfangen, unsere Dialoge sind ebenfalls kurz, aber oft auch poetisch, denke ich. Sie passen zur isländischen Kultur, auch darauf wurde im Drehbuch geachtet.

Was mich persönlich interessiert: In wie weit ist ihr Vater, Stellan Skarsgard, dafür vernatwortlich, dass auch sie Schauspieler geworden sind?

Ich denke schon, dass das hauptsächlich seine Schuld ist, ja (lacht). Aber ich kann ihm schlecht böse dafür sein, denn er hat weder mich noch meine Brüder je in diese Richtung gedrängt. Er hat da eine sehr gesunde, ganz unglamouröse Einstellung zur Schauspielerei und wollte nur, dass wir mit dem was wir machen glücklich sind. Er hat mich immer unterstützt, aber sein Motto war stets „Mach das was dir gefällt“. Dafür bin ich sehr dankbar.

 


Ich sehe den derzeitigen Medienhype um die nordische "Wikingerkultur", die in der Folge von Herr der Ringe und "Game of Thrones" nun immer (angeblich ungefilterter) über uns hereinschwappt extrem kritisch.
Mich selbst hat es vor in paar Jahren auch gepackt und ich habe mich mit Asatru und den ganzen Ideen, dass Thor und Odin unsere "Stammesvorfahren" sind usw. begeistert – bis mir aufgefallen ist, dass das zum einen direkt in eine identär-völkische Denkweise mündet und zum anderen diese Figuren und Sagen wirklich absolut unmenschlich, brutal, unbarmherzig und so ziemlich das Gegenteil von intelligent sind.
Was hier bewundert wird ist Fiesheit, Brutaltät, Stärke ohne Intelligenz und "Macht".
Ein bisschen kam es damals als europäisch-"nordisches" Gegenbild zu den barbarischen Taten der IS-Kämpfer auf. Jetzt gerade vielleicht wegen des allgemeinen Kriegsgebrülls um die Ukraine.

Ich kann nur sagen, dass mit meine christlichen Werte der Nächstenliebe, Vergebung und Mitgefühl wirklich heilig sind, und dass ich es sehr gefährlich finde diese Bewunderung für etwas, das wirklich von Grundauf barbarisch ist so in die Unterhaltungswelt und so unterschwellig in die Träume und Selbstdefinitionen der Menschen hineinzumanipulieren.

Der Film ist sicher sehr gut gemacht - ich halte das alles trotzdem für hochgefährlich!

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