
Dass (wenige) deutsche Zuschauer diese Biographie des kubanischen Dichters und Schriftstellers Reinaldo Arrenas - seines Zeichens sowohl bekennender Schwuler als auch bekennender Castro-Gegner - überhaupt noch auf der Leinwand zu sehen bekommen, ist nach über drei Jahren Wartezeit schon eine Überraschung. Nur zur Erinnerung: Der den unglücklichen Dichter darstellende Javier Bardem trat vor drei Jahren als Quotenexot gegen Russel "Gladiator" Crowe um den Darsteller-Oscar an - und verlor. Bardem liefert hier dementsprechend auch eine exzellente Leistung, in einem leider nicht ganz so exzellenten Film.
Vollzeitkünstler und Teilzeitregisseur Julian Schnabel setzt mit "Before Night Falls" das Leben Arenas' in Bilder um. Und wie es sich für den hauptberuflichen Maler Schnabel gehört, verpackt er das Leben Arenas in ausdrucksstarke, bisweilen sogar ergreifende Bilder. Jedoch gelingt es ihm inhaltlich leider nur bedingt, den üblichen Fallen eines "Biopic" zu entgehen. So wird auch hier das längst bis zur Erschöpfung bekannte Klischee des gequälten als des einzig wahren Künstlers bedient, allerdings in diesem Falle tatsächlich mal zu recht. Denn die fast sture Ablehnung eines subtileren Auslebens seiner Homosexualität lässt Arenas als jemanden erscheinen, der die Qual, die Unfreiheit, das Elend braucht, um seine Kunst zu erschaffen. Dies wird zwar so explizit nicht behauptet, deutbar ist der Hauptteil der Handlung - seine Verfolgung und der nachfolgende Gefängnisaufenthalt - aber schon auf diese Weise.
Trotzdem hat dieser Film dramaturgische Probleme, die sowohl auf Thema (Biographie) als auch Umsetzung (Schnabels inszenatorische Entscheidungen) basieren. Wie oftmals bei derlei Filmen zerfällt Schnabel in der Schilderung von Arenas' Leben ins Anekdotische, bisweilen ohne dramatischen Zug. So geht diesem auch überlangen Film nach der Hälfte der Zeit etwas die Luft aus und er schleppt sich bis zum Ende eher dahin. Auftrieb bekommt die Geschichte - auch im Wortsinne - nochmals durch die Story um die, nun ja, "exzentrischen" Außenseiter und ihre Pläne zur Flucht per Heißluftballon. Da wird der Film kurzzeitig noch einmal richtig lebendig.
Aber nichts rettet einen Streifen, der seine letzte halbe Stunde so gründlich in den Sand setzt wie "Before Night Falls": An der Zeit, die Arenas nach seiner Ausreise aus Kuba in New York verbrachte, interessiert Schnabel (und seine Drehbuch-Co-Schreiber) nur noch sein Hinvegetieren an AIDS und sein Selbstmord. Dass Arenas auch in New York noch den Kampf gegen das Castro-Regime fortsetzte, ist sicherlich erwähnenswert und interessant, wird aber nicht berücksichtigt. Was nicht so schlimm wäre, wenn der Film anderes Interessantes zu erzählen hätte. Hat er aber nicht. Und so endet "Before Night Falls" wie ein Auto ohne Gas, er rollt einfach irgendwie aus, ins Leere. Schade eigentlich.
Empfehlenswert ist "Before Night Falls" einem Nicht-Kunstkinopublikum wenn dann vor allem wegen zwei (genau genommen drei) kuriosen CameAuftritten von Hollywoodstars, die sich momentan im Höheflug befinden: Während aber Sean Penns Gastauftritt als kubanischer Bauer (!) zu früh kommt und eher unnötig ist, ist Johnny Depp wieder einmal der heimliche Star der Show. Wer ihn als leicht tuntigen Capt. Jack Sparrow in "Fluch der Karibik" liebte, sollte sich denn vielleicht doch mal sein ‚Training' hier in "Before Night Falls" anschauen. Depp hat dabei gleich zwei Cameo-Rollen, beide als Schwuler, eine seltsamer als die andere: Zum einen spielt er den in zu enge Hosen gequetschten, latent schwulen Sgt. Victor, zum anderen einen aufgedonnerten Transvestiten namens Bon Bon, der Arenas' illegal geschriebene Werke auf recht ungewöhnliche Weise aus dem Knast schmuggelt - in seinem voluminösen Arsch. Seltsamere Kurzauftritte hat noch kein Hollywoodstar hingelegt. Und da die schon fast das Eintrittsgeld wert sind und der Rest des Films zwar schwerfällig ist, aber immer sehenswert bleibt, wird letztendlich doch noch eine Empfehlung ausgesprochen, before release stops.
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