November 2004, Hof. Zum 38. Mal finden die Hofer Filmtage statt: Filme ansehen, Bratwürste essen und Trinken, als gäbe es kein Morgen. Fünf Tage lang kennt das Deutsche Kino keine Krise. Und in so manchem unserer Regisseure keimt die Hoffnung, unter diesen Umständen lohne es sich doch, hier zu Lande Filme zu machen. Als wolle er zur Beweisführung dieser These antreten, eröffnet Dennis Gansels "NAPOLA - Elite für den Führer" die Filmtage. Eine Arbeit, die 2003 bereits einen Bundesfilmpreis für das beste unverfilmte Drehbuch gewonnen hat, auf dem diesjährigen Viareggio European Filmfestival als Bester Film ausgezeichnet wurde und im Windschatten von "Der Untergang" auf großes Interesse stößt.
August 1942, Wedding. Der junge Amateurboxer Friedrich Weimer (Max Riemelt - großartig) tritt gegen den Willen seines Vaters in eine so genannte NAPOLA, Nationalpolitische Erziehungsanstalt, ein. Friedrich hofft auf die Erfüllung seiner Träume vom sorglosen Leben als erfolgreicher Boxer. Weit weg von den ärmlichen Verhältnissen seiner Familie und der Perspektivlosigkeit der Berliner Hinterhöfe. In diesen Wünschen und dem Glauben an seine Erziehung, sein Land und dessen Volk fügt Friedrich sich dem Erziehungskonzept des Führers, welches eine "gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend" fördern sollte. Auf Burg Allenstein will man ihn lehren, sein Talent mit der nötigen Skrupellosigkeit zu verbinden. So akzeptiert Friedrich für seine Hoffnungen letztendlich den Verlust seiner Ideale und seiner kindlichen Unschuld. Immer stärker folgt er mit blindem Gehorsam Befehlen und ist bereit Opfer zu bringen, zu denen er früher nicht bereit gewesen wäre.
Erst durch die Freundschaft zu einem unangepassten Schüler wird Friedrich klar, welcher Ideologie er sich unterwerfen muss, um seinem Traum näher zu kommen. Albrecht Stein (Tom Schilling) ist Jungmann auf der NAPOLA wie Friedrich, aber er ist auch der Sohn des Gauleiters Heinrich Stein (Justus von Dohnányi). Albrecht träumt nicht von Erfolg oder Geld. Er sehnt sich nach Anerkennung und Liebe; Gefühle die er in seiner Familie und besonders von seinem Vater nie erfahren hat. Obwohl Albrecht sich für Literatur und fürs Schreiben begeistert, strebt sein Vater eine militärische Karriere für ihn an. Und so bleibt Albrecht einzig sein Geist, um sich gegen die Prinzipien und Methoden der Erziehungsanstalt zu wehren.
Durch Albrechts Glauben an Ideale und Selbstbestimmung eröffnen sich ihm und Friedrich nach und nach die Manipulationen der NAPOLA. Beide müssen erkennen, dass ihre Freundschaft ebenso wie die Jugend einer ganzen Generation zum Scheitern verurteilt scheint.
Dass Dennis Gansel ("Mädchen, Mädchen") massenkompatibel erzählen kann, wissen wir. Dass er auch historischen Stoff so publikumswirksam inszenieren kann, zeigt dieser Film. Aber der Hintergrund der Erziehungsanstalt bleibt all zu oft nur Kulisse, was das Drama dann und wann ähnlich ordinär wirken lässt wie den Untertitel "Elite für den Führer".
Gansel greift das Thema auf, auf das er bei seinem ersten Film "Das Phantom" über den ehemaligen Adolf-Hitler-Schüler Alfred Herrhausen gestoßen ist. In historisch belegte Fakten bettet er eine fiktive Geschichte; einen wütenden und bedrückenden Blick auf zwei Menschen, wie es sie zwischen den Jungmannen von 1933 bis Kriegsende hätte geben können. Von ein paar völlig überstilisierten Nebencharakteren abgesehen, funktioniert Gansels Geschichte dabei wunderbar: Unterstützt von seinen fabelhaft agierenden Hauptdarstellern erzählt er das Schicksal von zwei Personen ohne den belehrenden Zeigefinger und trifft das Publikum damit mitten ins Herz. Dem Zuschauer wird leise aber stetig, ähnlich einem Märchen oder einer Parabel, die immer gleiche Moral eingeträufelt: Widerstand ist, das Gefühl für das, was gut und böse ist, nicht zu verlieren und den Mut zu finden, danach zu handeln.
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