Sprechen wir über Frauen. Nicht über Charlie's Angels, über die Laras, Trinitys und alle anderen gelackten Lederamazonen auf der Kinoleinwand. Nicht, dass diese nicht reizvoll wären. Im Gegenteil. Ein Lügner ist, wer behauptet, nicht gerne mit Trinity Motorrad fahren oder wenigstens eine Nacht lang im "Coyote Ugly" saufen zu wollen. Doch das sind Phantasien, die hier nicht weiter von Belang sein sollen.
Hier geht es um Frauen, die wir alle kennen oder gekannt haben. Es geht um unerreichbare Schulhofschönheiten; um die Frau, die uns entbubt hat; um die erste Liebe; um die weiblichen Kletten, die nie verstehen werden, dass ein Mann tun muss, was ein Mann eben so tun muss - und dafür Bewegungsfreiheit braucht. Und es geht um die älteren Frauen, die erfolgreichen, die manchmal richtig gemein sein können und absichtlich ihre Kreditkarten zuhause lassen, wenn ein junger Student mit ihnen Essen geht.
Solche Frauen lernt Helmut Hermes in Hendrik Handloegtens Film "Liegen lernen" kennen. Sie fordern ihn. Genauso wie seine spießigen Eltern, die Schule und später das Studium. Hermes ist der klassische Loser, ein Anti-Held: "Ein gefühlsgehemmter, bindungsunfähiger und feiger Penner", wie ihn seine Freundin Tina beschimpft. Hermes hat von nichts eine Ahnung (am allerwenigsten davon, was aus ihm einmal werden könnte), ist aber dennoch ganz nett. "Liegen lernen" schildert wunderbar komisch, ohne dabei ins Platte abzurutschen, wie Hermes langsam erwachsen wird.
Beim 21. Filmfest im Frühsommer in München wurde "Liegen lernen" begeistert vom Publikum gefeiert. Dieser Erfolg, den der Film hoffentlich auch an den Kinokassen haben wird, hat zwei Gründe.
Erstens die Vorlage: "Liegen lernen" ist die Verfilmung des gleichnamigen Debütromans von Frank Goosen. Der Kabarettist aus dem Ruhrpott wurde als eine Hälfte des wortgewitzten Kabarett-Duos "Tresenlesen" bekannt, seit drei Jahren geht er allein auf Tour. Sein Roman liest sich wie nebenbei geschrieben, dennoch sitzt jede Pointe. Handloegten, der auch am Drehbuch von Wolfgang Beckers Erfolgsfilm "Good Bye, Lenin" mitschrieb, hat Goosens über 300 Seiten dicken Roman klug gekürzt und die Handlung gerafft. So ist ein runder, kurzweiliger Film entstanden. Für sein Drehbuch hat Handloegten beim diesjährigen Münchner Filmfest den Drehbuchpreis erhalten. Zu Recht.
Der zweite Grund, weshalb "Liegen lernen" mehr ist als eine weitere Rückschau in die 80er Jahre, ist das homogene Schauspieler-Ensemble. Fabian Busch ist Helmut Hermes, der zunächst wie ein Fremdkörper durch sein eigenes Leben stolpert. Ihm folgt der Zuschauer gern zurück in die Zeit des Erwachsenwerdens, erlebt Helmut doch Dinge, die jeder - egal, ob Frau oder Mann - kennt. Etwa die scheinbar unerreichbare Schulhofliebe.
Regisseur Handloegten hütet sich davor, Helmuts Frauengeschichten als Nummern-Revue zu inszenieren. Was ihm bei diesen Charakteren und Darstellerinnen wohl auch nur schwerlich geglückt wäre: Gisela ist fürsorglich und lieb, dass einer wie Helmut sie auf keinen Fall verdient hat. Fritzi Haberlandt spielt Gisela knuddelig bis hin zur Selbstaufgabe: Man kann sie lieb haben und spürt dennoch, dass Mann in einer Beziehung mit dieser Frau irgendwann etwas Unüberlegtes tun wird. So wie Helmut. Den zieht es zu Giselas Mitbewohnerin Barbara. Sophie Rois ist diese kettenrauchende, schwarz gewandete Sphinx, die mit minimalem Spiel maximale Wirkung erzielt. Nicht nur bei Helmut.
Doch auch Barbara bleibt Episode. Helmut - so viel darf verraten werden - findet sich, seinen Platz im Leben und eine tolle Frau. Zumindest sieht es danach aus. Dies gelingt jedoch erst, als er sich von Britta und dem Fluch der ersten Liebe befreit hat. Britta - Susanne Bormann gibt diesem Traum und Trauma jugendlicher Begierde einen überirdischen Hauch - muss entzaubert werden. Damit Helmut zum Mann werden kann.
Denn erst dann kann er nicht nur über, sondern auch mit Frauen sprechen. Das lohnt.
Originaltitel
Liegen lernen
Land
Jahr
2003
Laufzeit
92 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
X-Verleih
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