Es gibt einige unzerstörbare Kino-Stoffe, die uns alle paar Jahre wieder neu begegnen. So ist es nie die Frage, ob es z.B. wieder einen neuen „Dracula“ oder “Robin Hood“ geben wird, sondern lediglich wann das geschieht. Zu den am häufigsten verfilmten Stoffen überhaupt gehört dabei zweifellos die Figur des im Jahr 1912 von Edgar Rice Burroughs geschaffenen Dschungelhelden „Tarzan“. Während seiner ersten Schöpfung „John Carter vom Mars“ nur mittelprächtiger Erfolg beschieden war, gelang dem damaligen Pulp-Autoren mit „Tarzan“ der Entwurf einer Ikone, die nicht nur zahlreiche Nachahmer fand, sondern bis heute – allem technologischen Fortschritt zum Trotz – eine nahezu ungebrochene Faszination ausübt.
Dabei wurde die Figur des von den Affen großgezogenen englischen Lords allerdings immer wieder dem Zeitgeist angepasst. So war in den 80er Jahren mit „Greystoke“ die Zeit reif für eine werkgetreue und um Realismus bemühte Adaption, während uns Disney dann in den 90ern eine ebenfalls zum Klassiker gewordene Zeichentrickversion präsentierte, von der bei vielen aber vor allem der in einem etwas holperigen Deutsch vorgetragene Gesang eines Phil Collins im Gedächtnis hängen geblieben sein dürfte. Gesungen wird im neuen Film dagegen nicht und auch um Realismus ist man eher wenig bemüht. Stattdessen schlägt „The Legend of Tarzan“ den Weg zurück ein und kommt als wildes, effektgeladenes Spektakel daher, dem man einen gewissen Unterhaltungsfaktor genauso wenig absprechen kann wie einen beträchtlichen Trash-Faktor.
Ende des 19. Jahrhunderts leidet der afrikanische Staat Kongo unter der Unterdrückung durch den belgischen Kolonialherren König Leopold II. Angesichts knapper Kassen schickt dieser seinen „besten Mann“ auf die Jagd nach neuen Diamanten-Vorkommen, den ebenso brutal wie effektiv vorgehenden Leon Rom (Christoph Waltz). Die um sich greifende Versklavung der einheimischen Bevölkerung ruft schließlich den seit einigen Jahren in England weilenden Lord Clayton Greystoke (Alexander Skarsgard) auf den Plan, der einst als „Affenmensch“ Tarzan zu einer afrikanischen Legende wurde. Gemeinsam mit seiner Frau Jane (Margot Robbie) sowie dem amerikanischen Gesandten Williams (Samuel L. Jackson) macht sich Clayton auf den Weg um den Schurken erneut das Handwerk zu legen, ohne allerdings zu ahnen, dass man ihm bereits eine raffinierte Falle gestellt hat.
Man tischt uns immerhin nicht ein weiteres Mal die nun wirklich oft genug durchgekaute Herkunftsgeschichte des Affenmenschen auf, sondern beschränkt sich in dieser Hinsicht auf einige kurze, eingeschobene Rückblicke, die dabei bezüglich der Szenenauswahl und Perspektive tatsächlich stark an die Disney-Version erinnern. Nicht allerdings in ihrer Machart, denn da feuert man von Beginn an (die Eröffnungsszene zeigt Christoph Waltz im Speerhagel eines wilden Eingeborenenstammes) aus all den Rohren, die die moderne Computer-Technologie aktuell so hergibt. Da wird sich mit Lianen auf fahrende Züge geschwungen und die CGI-animierten Dschungelbewohner geben sich ein imposantes Stelldichein. Das sieht mal besser, mal auch sehr künstlich aus (die Gnu-Herde!) und erreicht zu keinem Zeitpunkt die Qualität der Animationen im vor kurzem gelaufenen neuen „Dschungelbuch“. Es passt aber dann doch irgendwie zur dargebotenen Räuberpistole mit sehr edlen (und für das 19. Jahrhundert erstaunlich perfekt gestylten) Helden und äußerst fiesen Schurken.
Auf Zwischentöne wird dabei verzichtet, die Charaktere sind definitiv entweder „gut“ oder „böse“ und genau einmal darf man raten zu welcher Kategorie sich wohl die Figur von Christoph Waltz gesellt. Der seit seinem großen Durchbruch in „Inglorious Basterds“ auf Schurkenrollen abonnierte Österreicher zieht hier ein weiteres Mal seine sattsam bekannte Nummer ab. Das macht längst nicht mehr jedes Mal Spaß, wie sein recht lauer Auftritt als Blofeld im letzten James Bond gezeigt hat, aber im eher cartoonhaften Umfeld dieses Films funktioniert die überzogene Masche des distinguiert-höflichen Sadisten dann doch wieder recht gut. Zu den aufrichtig Guten zählt diesmal übrigens auch der von Samuel J. Jackson dargestellte Charakter, was in seinem Fall ja eher die Ausnahme von der Regel ist.
Auf jeden Fall liefern diese beiden bewährten Mimen aber einen größeren Unterhaltungswert als die eigentlichen Hauptfiguren Tarzan und Jane. Auch wenn Margot Robbie eine durchaus selbstbewusste Frauenfigur gibt, bleibt das Heldenpärchen eher blass, aber auch in dieser Hinsicht folgt man – vermutlich ungewollt – der Buchvorlage, war doch der Schriftsteller Burrough stets mehr für seinen Ideenreichtum in Sachen phantastischer Handlungsorte und –stränge bekannt, als für eine tief gehende Charakterisierung seiner Figuren. Was wenig verwundert, wenn man bedenkt in welcher Art Magazinen „Tarzan“ ursprünglich veröffentlicht wurde und wenn man weiß, dass der Autor seine Tätigkeit weniger als Kunst denn als Möglichkeit zum leichten Geldverdienen betrachtete.
So gesehen ist dieser „Tarzan“ vielleicht sogar die ehrlichste Form der Adaption, da sie zu keinem Zeitpunkt irgendeine Art von Anspruch vorgaukelt, sondern einzig mit dem Ziel angetreten zu sein scheint, ein möglichst buntes und kurzweiliges Abenteuer anzubieten. Das gelingt zwar größtenteils, reicht aber letztlich natürlich nicht um diesen amüsanten Mumpitz deshalb nun mit einer Wertung zu belohnen, die über den absoluten Durchschnitt hinausgeht. Im unüberschaubaren Reigen der „Tarzan“-Filme wird der 2016er-Jahrgang vermutlich nur eine Randnotiz bleiben und schnell vergessen sein, es gibt aber andererseits zur Zeit auch deutlich langweiligere Werke im Kino zu sehen.
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