1876: Bürgerkriegsheld Nathan Algren (Tom Cruise) ist seelisch vernarbt und wird nur vom Alkohol gestützt. Das Töten fordert in der Erinnerung seinen Preis, besonders die Massaker an den Ureinwohnern unter Führung des kaltblütigen Indianerkillers Col. Bagley (Tony Goldwyn). Doch ausgerechnet dieser hat einen besonderen Auftrag für Algren: Der Veteran soll in Japan eine moderne Armee Wehrpflichtiger nach westlichem Vorbild aufbauen, abgelöst werden soll dadurch die alte Kriegerkaste der Samurai mit ihrem Anführer Katsumoto (Ken Wanatabe). Diese passen nicht in das kommerziell ausgerichtete, westliche Japan, dass Geschäftsmänner wie Omura (Masato Harada), der Berater des Kaisers (Sichinosuke Nakamura), schaffen wollen. Aber Algren wird im Kampf von Katsumoto gefangen genommen, und lernt in der ihm völlig neuen Welt die Lebensweisen der Samurai kennen und schätzen…
Nennt ihn "Der mit dem Holzschwert tanzt". Nennt ihn das japanische Mutherz. Nennt ihn vor allem den verzweifelten Oscaranwärter. Ein Jahr, nachdem sich dank angeklebter Knubbelnase Nicole Kidman den kleinen goldenen Gesellen ins Regal stellen durfte, will auch Ex-Ehemann Tom Cruise den Oscar um jeden Preis. Und verlegt sich aufs letzte Mittel: das historische Epos (warum das so ist, steht in The Truth about the Oscars). Das hat schon anderen limitierten Darstellern wie er einer ist (und zwar auch hier, denn der charismatische Ken Watanabe spielt ihn locker an die Wand) den Oscar gebracht, allerdings im Regiestuhl. Trotzdem, dies ist ganz und gar Cruises Projekt, sein "Der mit dem Wolf tanzt", sein "Braveheart". Was nicht sehr schlimm wäre, wenn der Film doch seine offensichtlichen Vorbilder etwas besser kaschiert hätte. Denn so bleibt "Last Samurai" ein Showstück, das gleichzeitig erlesen und gut gemacht und trotzdem seltsam leer und kalt lassend ist.
So sehr man es auch dreht und wendet, dieser Film ist schon schmerzlich kühl kalkuliert. Der Stab wurde dazu aus vorherigen Oscar-prämierten Streifen ähnlichen Kalibers zusammengecastet wie bei einer Boyband: John Logan schrieb bereits den "Gladiator", der damals wie hier vom unvermeidlichen Hans Zimmer mit wahlweise bombastischen Einheizhymnen und sanften Tränendrüsenmelodien bestückt wurde. Hinter der Kamera steht John Toll, der schon Gibsons "Braveheart" abfilmte und hier spätestens in der finalen Schlacht sich selbst 1 :1 kopiert. Und so geht die Liste der respektablen Könner dann weiter, die ein episches Abenteuer garantieren soll, dass sowohl volle Kinokassen als auch Preise einbringen möge.
Die Story ist dabei eine schon fast dreiste Verquickung der Vorbilder. Über zwei Drittel kopiert man unverhohlen "Der mit dem Wolf tanzt", und das nicht nur weil hier wie da ein Bürgerkriegsveteran die Hauptfigur ist. Nein, es ist hier alles dabei, vor allem der verwendete Mythos des "edlen Wilden". Für Costner waren es die Indianer, für Cruise sind es die Samurai. Dementsprechend ist die Charakterisierung hier auch eher simplizistisch: Die von der westlichen Welt mit dem Kapitalismus infizierten Japaner sind verschlagen, die Samurai sind edel, ehrenhaft, stolz und mutig. Und so geht dann alles den bekannten Weg - der weiße Mann lernt die Sprache kennen, die Kultur schätzen etc. Einzig bei der obligaten Liebesgeschichte ist "Last Samurai" mutiger: Brauchte Costner vor vierzehn Jahren noch eine entführte Weiße, so geht mittlerweile auch das ethnisch gemischte Paar ohne weiteres durch. Das ist ja alles ganz nett anzusehen, bisweilen gelingen Regisseur Zwick und Cruise gar rührende Szenen, aber das gab es eben auch alles schon vorher, und das auch nicht schlechter.
Was auch für die zweite große Inspiration von "Last Samurai"gilt, denn weil zwei Oscargewinner besser sind als einer, ist das letzte Drittel dann "Braveheart" pur. Auch das wahrlich nicht schlecht: In der großen Abschlussschlacht werden nochmal alle Register gezogen, und es wirkt auch: das epische Gemetzel ist tatsächlich höchst beeindruckend und der Zuschauer geht dank wieder mal geschickter Manipulation (hymnische Musik, Zeitlupe, etc.) auch begeistert mit. Dass das Ende der Schlacht sich bestimmten Hollywoodkonventionen beugt, Schwamm drüber. Aber dass dann noch eine vor Pathos bebende und ehrlich gesagt kitschtriefende Schlussviertelstunde rangehängt wird, macht die gerade noch aufflackernde Begeisterung wieder zunichte.
Nein, großes Kino ist "Last Samurai" nicht geworden, sondern ein (zu) perfekt zugeschnittenes Historienepos, das in seiner Kopierfreudigkeit für wenig Neues sorgt. Dass wir uns hier nicht falsch verstehen: "Last Samurai" ist immer noch ein Film, der dem geneigten Zuschauer all das bietet, was dieser fürs Eintrittsgeld erwartet. Aber leider nicht mehr. Die Rechnung geht also künstlerisch nicht ganz auf, aber eventuell kommerziell und auch in der Mission Oscargewinn. Denn gegen den differenzierteren, aber auch spröderen und unkonventionelleren "Master and Commander" sieht "Last Samurai" im Bereich "Epos" tatsächlich wie der Favorit aus.
Trotzdem: Wer Kurosawa und Lean denkt und Gibson und Costner tut, der tut ein winziges bißchen zu wenig. Und so ist der geplante Marsch zu den Oscars kein glorioser, sondern ein gefälliger. Was am Ende desTages dann auch in Ordnung geht. Denn trotz genannter Einwände hat "Last Samurai" noch genug Ehre, um einen respektablen Kinoabend zu garantieren. Es muss ja schließlich nicht gleich Harakiri sein.
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