So kann man sich täuschen. Zwar begegneten wir dem ersten „John Wick“-Film auch hier bei Filmszene durchaus wohlwollend, sahen darin aber nicht mehr als solide Action-Ware, die Keanu Reeves zwar nach längerer Durststrecke mal wieder einen schönen Erfolg bescherte, aber sicher nicht die Rückkehr in Blockbuster-Gefilde bedeuten würde. Das traf auf Teil Eins auch noch zu, doch seitdem hat sich „John Wick“ durch geschicktes Marketing und eine ständig nach mehr hungernde Zuschauerschaft zu einer echten Kultfigur und zu einer der Ikonen der aktuellen Kinolandschaft entwickelt. Erfreulich ist dabei, dass auch die Qualität der Fortsetzungen hoch bleibt und man dabei nicht nur nach dem „Immer größer und mehr“-Prinzip verfährt, sondern diese ganz eigene Agenten-Welt immer weiter ausbaut und um neue Facetten erweitert. „Kapitel 3“ bildet nun in allen Belangen den bisherigen Höhepunkt der Saga.
John Wick hat die Regeln gebrochen und damit sein Todesurteil unterzeichnet. Dieses Urteil zu vollstrecken und das ausgesetzte Kopfgeld zu kassieren ist eine Verlockung, der kaum ein Mitglied der „Familie“ von Auftrags-Killern widerstehen kann. Auf sich allein gestellt sieht sich Wick (Keanu Reeves) an jeder Ecke einem oder gleich einer ganzen Schar von Angreifern gegenüber, die den zum „Excommunicado“ erklärten zur Strecke bringen wollen. Doch John war nicht ohne Grund einer der besten in seinem Job und entledigt sich ein ums andere Mal seinen Jägern. Gibt es noch eine Chance für ihn? Hoffnung setzt er in seinen letzten Verbündeten, den honorigen Hotel-Chef Winston (Ian McShane), seine ehemalige Partnerin Sofia (Halle Berry) oder auch den weisen Ratgeber „The Elder“, den er irgendwo in der arabischen Wüste zu finden sucht. Doch jede Hilfe erfordert von ihm eine Gegenleistung, ein eigenes Opfer, und irgendwann stellt man John Wick die berechtigte Frage, wofür er denn überhaupt noch leben will.
Nach den ersten 20 Minuten fragt man sich ernsthaft, ob das denn jetzt die ganze Zeit so weitergehen soll? Denn bis dahin besteht der Film einzig und allein aus einer Aneinanderreihung von Kämpfen, sei es eine in der New Yorker Bibliothek lauernde Kampfmaschine oder eine Meute von eher durchschnittlich begabten Möchtegern-Killern, derer sich John Wick zur Not auch zu Pferde entledigt. Tempo und Choreographie werden dabei derart hoch gehalten, dass man es tatsächlich für denkbar hält, dass dieser Film tatsächlich aus nichts Anderem bestehen könnte – was irgendwo ja auch eine sehr konsequente Weiterführung wäre. Aber so ist es dann doch nicht, irgendwann kehrt doch mal so etwas wie Ruhe ein und man blendet um zu anderen, teils bekannten aber auch neuen Protagonisten wie der mit unerbittlicher Emotionslosigkeit auf die Einhaltung der Regeln pochenden Schiedsrichterin (Asia Kate Dillon). Wie es für die Reihe geradezu selbstverständlich ist besitzen sämtliche Neuzugänge Stil und Klasse, allen voran Anjelica Huston als „The Director“ - einerseits knallharte Anführerin ihrer eigenen Organisation, zugleich aber auch feinfühlige Regisseurin eines einzigartigen Balletts.
Und das ist das Faszinierende, die äußerst respektable Leistung des ehemaligen Stunt-Koordinators der „Matrix“-Reihe Chad Stahelski, der sich dieses Universums als Regisseur angenommen hat: Zu erkennen, was den unerwarteten Volltreffer namens „John Wick“ zu etwas Besonderem machte und genau diese Elemente weiter auszubauen. Die Action-Szenen werden noch einfallsreicher und grandioser durchchoreographiert, der Kaste von Auftragsmördern mit dem originellen Zufluchtshotel „Continental“ wird ein weltumspannender Überbau voller Regeln, Ehrenkodex und Stil verpasst. Eine Welt, die praktisch neben der realen existiert, nur das man hier kein Dimensionstor durchschreiten muss um in dieses aufregende Parallel-Universum zu gelangen. Dementsprechend spielt es auch keine Rolle, wie viele namenlose Schergen in jeder Runde dran glauben müssen, denn mit der Moral oder Law and Order- Realität unserer biederen Welt hat die des John Wick spätestens in Kapitel 3 nun rein gar nichts mehr gemein.
Keanu Reeves macht keinen Hehl daraus, dass er seine neue Signature Role noch lange weiterspielen möchte, wer sich anschaut wie der über 50-jährige Mime sich dafür reinkniet und in Form bringt, hegt auch keinerlei Zweifel daran wie ernst er das meint. Und wer sich die ersten Zahlen des als Abschluss der Saga angekündigten dritten Teils an den Kinokassen anschaut, der kann sich eh kaum vorstellen, dass man diesen Goldesel namens „John Wick“ damit nun zu Grabe trägt. Es ist einer der seltenen Fälle, bei dem man nach einem zunächst lediglich aufgrund des unerwarteten Erfolgs zur Trilogie aufgebauschten Filmstoffs nicht „Nun reicht es aber auch“ konstatieren muss. Sondern beeindruckt feststellt: So kann es gern noch etwas weitergehen.
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