„Was kommt denn da auf uns zu?“ dürften sich die Meisten gefragt haben, nachdem sie die ersten Bilder und die ersten Infos zur offensichtlich ziemlich aufwendigen Produktion „John Carter“ zu Gesicht bekamen. Das sah irgendwie nach einem ziemlich wilden Science-Fiction-Abenteuer aus, mit schönen Helden und riesigen Monstern. Und das Ganze soll auch noch auf unserem bekanntermaßen unbewohnten Nachbarplaneten Mars spielen, anstatt in der für so etwas sonst gern genommenen unbekannten Galaxis weit, weit weg? Das roch doch recht stark nach ziemlichem Trash, scheint aber auch einer der teuersten Filme des Jahres zu sein. Was hat man sich also beim produzierenden Studio Disney bloß dabei gedacht?
Die kürzeste Antwort auf diese Frage lautet: „Avatar“, hat man sich dabei gedacht. Denn eines ist ganz klar: Ohne den kolossalen Erfolg von James Camerons Pandora-Spektakel hätte es „John Carter“ nicht gegeben. Auf der Suche nach einem dezent ähnlichen Stoff, mit dem man eventuell ein ähnlich großes Publikum erreichen könnte, landete man also bei den Mars-Abenteuern aus der Feder von Edgar Rice Burroughs, der natürlich vor allem durch eine andere Schöpfung berühmt geworden ist, die sich seit gut hundert Jahren von Liane zu Liane und auch durch unzählige Verfilmungen schwingt. Im Gegensatz zu „Tarzan, dem Herrn der Affen“ harrte der ebenfalls bereits im Jahr 1912 entstandene „John Carter“ jedoch lange Zeit vergeblich der Adaption durch Hollywood, außer einer leidlich erfolgreichen Comic-Serie aus dem Hause Marvel in den 70er Jahren war da nicht viel an Gastspielen in anderen Medien. Was hauptsächlich daran lag, dass es technisch kaum möglich war, die von Burroughs für die damaligen Pulp-Magazine erdachten Storys adäquat umzusetzen.
Das sieht im Computerzeitalter zwar nun anders aus, dafür stellt sich ein anderes, kleines Problem: Mag er auch eine Inspirationsquelle für Filmschaffende von George Lucas bis Cameron gewesen sein (und das war er tatsächlich), so sind die Abenteuer des „ersten echten Weltraumhelden“ doch aus heutiger Sicht mehr als nur ein wenig flach, altbacken und albern. Wie also das Ganze auf die Leinwand bringen? Als Etikettenschwindel, der nur den Namen „John Carter“ trägt und ansonsten völlig eigene Wege geht? Oder doch einigermaßen werkgetreu und im Geiste der Vorlage? Disney und ihr Regisseur Andrew Stanton, der nach den Pixar-Erfolgen „Findet Nemo“ und „Wall-E“ hier seinen ersten Realfilm vorlegt, entschieden sich für letztere Variante. Das dürfte die Puristen und Genre-Fans durchaus freuen, den vielzitierten „Normalzuschauer“ aber womöglich leicht verstören.
Der Beginn ist dabei noch relativ komplex und wird in Rückblicken erzählt: Der junge Edgar Rice Burroughs (Daryl Sabara) persönlich erhält aus dem Nachlass seines kürzlich verstorbenen Onkels John Carter (Taylor Kitsch) die Aufzeichnungen von dessen unglaublichen Abenteuern. Demnach stand Carter während des amerikanischen Bürgerkriegs auf der Seite der Verlierer und verlor zudem seine Frau. Desillusioniert gerät er als Flüchtling in einen Hinterhalt der Indianer und versteckt sich in einer Höhle. Dort gelangt er an eine Art mysteriöses Amulett, wacht kurz darauf an einem völlig fremden Ort wieder auf und wird von den „Tharks“ gefangen genommen, einem Stamm nicht-menschlicher Wüstenbewohner. Als John in die Auseinandersetzung verschiedener Interessengruppen wie den kriegerischen Zodangans unter Führung von Sab Than (Dominic West) und den Bewohnern der belagerten Stadt Helium um ihren friedliebenden Herrscher Tardos Mors (Ciaran Hinds) hineingezogen wird, erfährt er auch bald wo er gelandet ist: Auf dem Mars, der von dessen Bewohnern „Barsoom“ genannt wird. Verantwortlich für seinen Transfer war aber unbeabsichtigt eine weitere Rasse, nämlich die gottgleichen „Therns“, deren Anführer Matai Shang (Mark Strong) seine ganz eigenen Interessen verfolgt. Als John Carter aber schließlich auf die Prinzessin von Helium, die schöne Dejah (Lynn Cpllins) trifft und sich sofort verliebt, macht dass die Entscheidung auf welcher Seite der Mann von der Erde kämpfen will deutlich einfacher. Da er durch die auf dem Mars herrschende andere Gravitation mit besonderen Kräften ausgestattet wurde, sind die Dienste des Herrn Carter nämlich durchaus begehrt.
Dass der gute John dabei den vollen Durchblick hat, wer hier wann und warum gegen wen kämpft bzw. sich gerade wieder verbündet hat, darf dabei bezweifelt werden und stellt auch den etwas entspannter im Kinosaal sitzenden Betrachter vor eine mitunter knifflige Aufgabe. Durch das Bemühen, möglichst viele Stämme und Figuren aus dem Barsoom-Universum im Film unterzubringen, ist dieser nun damit überfrachtet und die vielen fremden Namen und Bezeichnungen mutieren zum Vokabeltest für den Zuschauer. Der tut aber eigentlich ganz gut daran, sich damit gar nicht erst zu belasten, ist doch das Spektakel ansonsten ziemlich sinnfrei und macht sich auch gar nicht erst die Mühe all die Fragen zu beantworten, die einem hier besser nicht auf der Zunge brennen. Wie diese verschiedenen Zivilisationen in der verödeten und ausgetrockneten Landschaft eigentlich so überleben und woher sie ihre beeindruckenden technischen Geräte haben, zum Beispiel. Vor allem aber, was das ganze Spielchen mit dem Unterstützen und manipulieren einzelner Personen durch die im Hintergrund agierenden „Therns“ eigentlich soll, wo diese doch die Macht und Möglichkeiten haben, ganze Zivilisationen zu lenken oder auch untergehen zu lassen.
Im Vergleich zur (als kleines Kind offensichtlich in einen Kessel voller Schminke gefallenen) Prinzessin Dejah wirkt eine Neytiri aus „Avatar“ da plötzlich wie ein höchst komplexer Charakter. Hier dagegen sind Männer noch echte, kämpfende und die Damen rettende Kerle oder sagen wir besser „Gladiatoren“, denn die prunkvollen Straßen oder Arenen erinnern doch stark an das alte Rom aus diversen schönen Monumentalschinken.
Hört sich das bis hierhin recht abfällig an, so kann man doch kaum leugnen, dass „John Carter“ durchaus Spaß macht, auch wenn er vielleicht ein wenig zu ernst daherkommt. Irgendwo müssen die kolportierten 250 Millionen Dollar Produktionskosten ja schließlich auch geblieben sein und dementsprechend grandios sehen Kulissen und Effekte daher auch aus - abgesehen vielleicht von den computerspielartigen Hüpfern des Titelhelden. Der in den Trailern und Vorschauen vielbeworbene Kampf mit den weißen Riesen-Affen ist schon alleine ein paar Euro Eintrittsgeld wert und auch der komplette „Thark“-Stamm (unter dem sich die verfremdeten Willem Dafoe und Thomas Haden Church tummeln) gehört zu den bisher überzeugendsten CGI-Schöpfungen. Der Hauptdarsteller mit dem für unsere Ohren etwas putzigen Nachnamen erweist sich zwar nicht unbedingt als charismatisch, strahlt aber doch eine angemessene Coolness und physische Präsenz aus.
Langeweile kommt hier jedenfalls nicht auf, dafür ist das Gebotene viel zu bunt, beeindruckend und eben auch irgendwie „neu“. Schließlich präsentiert „John Carter“ ein auf der großen Leinwand bisher unbekanntes Universum, auch wenn dieses aus vielen Versatzstücken besteht, die wir durch die eigentlichen Epigonen nun bereits kennen.
Und so funktioniert er dann im Großen und Ganzen doch halbwegs gut, dieser Zwitter aus modernster Kinotechnik und der etwas holprigen, überholten Erzählweise der Groschenheft-Romane aus dem ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts, auch wenn die 3D-Effekte letztlich nur mittelprächtig gelungen sind und man gerade in diesem Punkt hier sicher etwas mehr erwarten durfte. Exakt einhundert Jahre hat sie also gebraucht, die erste richtige „John Carter“-Verfilmung. Somit kann der Genre-Freund sich zurücklehnen und hinter dieses Thema erst einmal einigermaßen zufrieden einen Haken machen - ist ja schließlich nicht unsere Sorge was das alles gekostet hat. Ob der Mann vom Mars auch zur dauerhaften Marke taugt und das Massenpublikum erreichen kann, bleibt dagegen abzuwarten.
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