Er hat keinen Namen und ist mehr Geschöpf als menschliches Wesen. Der Agent mit der Nummer 47 und dem auf seinen kahl rasierten Schädel tätowierten Barcode wurde in einem Genlabor gezüchtet und lebt nur, um seine tödlichen Aufträge auszuführen. Als gefühllose und perfekte Killermaschine hat er bisher noch nie versagt.
Na, wenn das nicht nach der Ausgangssituation eines typischen Ballerspiels klingt, was dann? Selbstverständlich handelt es sich bei "Hitman" also um eine neue Videospielverfilmung und zwar um die eines der bekannteren und erfolgreicheren Vertreter des Mediums. Eine große A-Produktion haben wir deshalb aber trotzdem nicht vor uns, und es bleibt auch fraglich, ob es die nach dem sehr durchwachsenen Erfolg der "Tomb Raider"-Filme in diesem Genre jemals wieder geben wird.
Dass wir uns hier aber auch nicht gerade im Bereich der Uwe Boll-Massenware befinden, wird dagegen bereits am Namen Luc Besson deutlich, der im Hintergrund die Fäden zieht. Das garantiert zumindest schon mal eine stylische und gelackte Inszenierung und ein paar hübsche Schießereien nach "Nikita" und "Leon"-Art. Besson protegiert hier seinen jungen Landsmann Xavier Gens und der hat sich recht engagiert in seine erste größere Kinoproduktion gestürzt.
Neben einem coolen Look, rasanten Verfolgungsjagden und der einen oder anderen handfesten und leidlich brutalen Klopperei überrascht dabei vor allem die gar nicht mal so simple Story des Films. Denn beim aktuellen Auftrag von Nummer 47, den russischen Präsidenten zu eliminieren, ergeben sich unerwartete Probleme, läuft das Ziel doch nach erlittenem, absolut präzisem Todesschuss plötzlich wieder putzmunter umher. Unser zuverlässiger Agent möchte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und beginnt nachzuforschen. Hatte sein Opfer einen Doppelgänger? War der ganze Auftrag vielleicht nur eine Falle? Kann ihm Nika, die Geliebte seiner mysteriösen Zielscheibe, weiterhelfen? Und warum stellt sich die bisher eiskalte Tötungsmaschine plötzlich Fragen wie "Wer bin ich und woher komme ich?"
Äh nein, auf die philosophischen Pfade eines "Blade Runner" begibt sich "Hitman" dann doch nicht so wirklich, aber trotzdem: Die langsame "Menschwerdung" des Killers ohne Privatleben, die zaghafte Annäherung an seinen Schützling Nika und sein amüsant unbeholfenes Verhalten in den Bereichen Sex und Zärtlichkeiten sorgen dafür, dass die Titelfigur zunehmend interessanter wird. Sie wird sogar etwas liebenswürdiger, und das war zu Beginn der Geschichte wahrlich nicht zu erwarten.
Verkörpert wird dieser merkwürdige Charakter, der sich nun zunehmend mehr Gedanken um seine Person macht, von Timothy Olyphant, und auch das ist kein Name, der einem beim "Hitman" sofort einfallen würde. Denn der war bisher der "Good Guy" in der TV-Serie "Deadwood" und glänzte als Gegenspieler von Bruce Willis in "Stirb langsam 4.0" eher mit Computerkenntnissen denn mit ausgeprägter körperlicher Kraft. Mit extra für den Film antrainierter Muskelmasse und dem markanten Kahlkopf-Outfit ist Olyphant hier aber kaum wieder zu erkennen und dürfte die Bedenken einiger Fans des Spiels hinsichtlich seiner Rollentauglichkeit relativ schnell zerstreuen - schauspielerisch bewegt er sich allemal über dem Genredurchschnitt. Man darf sich aber schon mal fragen, ob dieser deutlich sichtbare Barcode auf dem Hinterkopf nicht eine etwas zu offensichtliche Visitenkarte abgibt, auch wenn er noch so cool aussieht.
Als seine Partnerin agiert das ehemalige ukrainische Topmodel (ja, auch so was gibt es heutzutage) Olga Kurylenko, die mit ihrer eigenwilligen und irgendwie etwas ... "dreckigen" Ausstrahlung allemal eine willkommene Abwechslung zum Standard-"Love Interest" der meisten US-Produktionen darstellt. Alle übrigen Darsteller bleiben im Grunde Staffage, was sowohl für Henry Ian Cussick gilt, der als schmieriger Präsidentenbruder seine Desmond-Frisur aus "Lost" gleich mitnehmen durfte, als auch für Ulrich Thomsen in der Rolle des russischen Präsidenten. Dass sich allzu viele Fans des aus zahlreichen dänischen und deutschen Filmen bekannten Mimen in diese reine Genreproduktion verirren, dürfte aber sowieso recht unwahrscheinlich sein.
Es ist natürlich nicht zu übersehen, dass die Film-Story vom gehetzten Agenten auf der Suche nach Hintergründen doch recht deutlich an die "Bourne"-Saga erinnert, allerdings ohne deshalb ein reines Plagiat zu sein. Das Niveau des immens erfolgreichen Kollegen wird dabei aber erwartungsgemäß nicht erreicht, und so ergibt sich für den "Hitman" insgesamt ein zwiespältiges Bild: Betrachtet man ihn im Vergleich zu bisherigen Videospielverfilmungen, handelt es sich zweifellos um einen überdurchschnittlichen, sogar fast schon starken Film. Blickt man allerdings über diesen Tellerrand hinaus und stellt sich größerer Konkurrenz, dann entsteht halt doch eher der Eindruck einer "Bourne Light"-Version. Aber immerhin.
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