The Door in the Floor

Originaltitel
The Door in the Floor
Land
Jahr
2004
Laufzeit
111 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Simon Staake / 19. Juni 2010

 

Die Ehe von Ted (Jeff Bridges) und Marion (Kim Basinger) Cole liegt in Trümmern: Ein Autounfall, bei dem das Paar ihre beiden Söhne verlor, hat sie komplett traumatisiert, was auch das "Ersatzkind", die erst fünfjährige Ruth (Elle Fanning), zu spüren bekommt. Während der kauzige aber charismatische Ted seine Gefühle in kruden Freudianischen Kinderbüchern ausdrückt (eines davon, "The Door in the Floor", gibt dem Film seinen Titel), zieht sich Marion in sich selbst und ihre Erinnerungen zurück und wendet sich von ihrem Gatten und ihrer Tochter ab. Ted beschließt eine Trennung auf Zeit. Inmitten dieser unschönen Familiensituation findet sich der junge Eddie (Jon Foster) wieder, der als Schreibhilfe für Ted angestellt wurde. Der unerfahrene junge Mann, der später gerne Schriftsteller werden möchte, verliebt sich in Marion. Die metaphorische Tür im Boden, zu Sehnsüchten und versteckten Gefühlen, wird geöffnet, und im Verlauf des Sommers werden alle drei ihre eigenen Türen hinabsteigen müssen....

Die Fälle, in denen eine literarische Vorlage wirklich hervorragend adaptiert wurde, sind leider recht rar gesät. Wie aber transferiert man einen Roman durch und durch gelungen auf die Leinwand? Newcomer Tod Williams gelingt dies durch eine wirklich eigensinnige Methode: Man nehme einfach den Teil, der einen interessiert, arbeite diesen genau heraus und lasse den Rest einfach links liegen. Weswegen man bei "The Door in the Floor - Die Tür der Versuchung" auch nicht wirklich von einer Verfilmung von John Irvings "Witwe für ein Jahr" sprechen kann, denn genaugenommen ist es nur eine Ein-Drittel-Verfilmung dieses Romans. Williams nimmt die Hintergrundsgeschichte der Romanhauptfigur Ruth, die im Roman durch drei Perioden in ihrem Leben begleitet wird, wandelt sie zur Film-Nebenfigur um und baut seinen Film um diese eine Geschichte aus ihrer Kindheit herum auf. Natürlich ist dies damit ganz streng genommen eine ‚unvollständige' Literaturadaption, und trotzdem kommt dabei der vielleicht beste Film heraus, der auf einem Irving-Werk basiert.
Wieso diese Herangehensweise einem gelungenen Filmvergnügen zugute kommt, ist sofort sichtbar: Die Raffung, die nötig ist um ein 500 Seiten oder mehr starkes Werk zu adaptieren, ist oftmals der Knackpunkt, an dem eine derartige Adaption scheitert. Indem Williams nur die im verwendeten Teil des Buches aufgeworfenen Konflikte vertieft, hat man das Gefühl einen kompletten, detaillierten Film zu sehen und nicht ein Werk, das sich mehr schlecht als recht durch die Komplexität der Vorlage schlängelt. Es ist zudem ein Kompliment für sowohl Irvings reiche Prosa als auch Williams' stimmungsvolle Umsetzung, dass man dieser "Ein-Drittel"-Geschichte zu keinem Zeitpunkt bescheinigen kann, es würde etwas fehlen, und dass auf der Leinwand kleinste Details das stimmige Bild abrunden.
Dieser Film ist insofern eine der besten Literaturverfilmungen überhaupt, weil er dem Zuschauer das gleiche Gefühl gibt wie es ein gutes Buch macht. Ähnlich einem exzellenten Lesestoff ist hier alles perfekt aufeinander abgestimmt, sind die Figuren nuanciert, ist der elegische Ton gekonnt angeschlagen. Dennoch: "The Door in the Floor" versinkt nicht in seiner eigenen - übrigens auch exzellent ausgestatteten und gefilmten - gediegenen Eleganz. Dies vor allem aufgrund eines Mannes: Jeff Bridges. Ah, Jeff Bridges. Einer der großen Unbesungenen. Der talentierteste des Bridges-Clans liefert seit über drei Jahrzehnten konstant gute bis großartige Leistungen ab, aber wenn man in der Runde nach den größten Schauspielern fragt, fällt einem doch wieder nur de Niro ein, obwohl der seit über einem Jahrzehnt (fast) nur noch Unsinn dreht. Sagen wir's also mal offen: Jeff Bridges ist eigentlich immer großartig und hier noch besser. Möchte man ihm jetzt langsam mal den verdienten Oscar geben, seine Darstellung in "The Door in the Floor" wäre genau der richtige Grund dazu.

Die enorme Vielschichtigkeit des Charakters Ted Cole lässt auch die anderen Hauptdarsteller verblassen. Bridges stiehlt jede Szene in der er ist auf ganz unnachahmliche Art. Wie er es schafft, eine im Grunde genommen nicht sehr sympathische Figur dem Zuschauer ans Herz zu legen, das ist ganz groß. Zugegeben, mit Ted Cole hat er eine Rolle, in die er sich als Schauspieler richtig verbeißen kann: Dem Titel entsprechend ist auch dieser Charakter (mindestens) doppelbödig, man spürt unter dem Charisma des Künstlers immer auch etwas sehr Egoistisches, fast Bösartiges, das sich seinen Weg nach außen bahnen will. Die Reihe der Emotionen, die Bridges fabulös darstellt, ist lang und weit, und wie er sich dann gegen Ende erst mit bitterem Sarkasmus geschlagen gibt und einem dann langsam das Herz bricht, als er über den bitteren Tod der Söhne berichtet - das ist wahrlich ganz ganz groß. Da kann auch Kim Basingers wunderbar nuancierte, aber etwas zu introvertierte Vorstellung, die einem rein aus Drehbuchsicht einen wirklichen Bezug zur Figur der Marion verwehrt, nicht gegen an. Womit nichts gegen die großartige Leistung von Frau Basinger gesagt sei, die zudem mit einer fragilen, gebrochenen Schönheit fasziniert. Manchmal ist verwelkende Schönheit beeindruckender als jene in voller Blüte. Einzig Nachwuchstalent Jon Foster ist in seiner Rolle ein wenig zu sehr große Augen und allmächtig verlorene Unschuld. Oh, und mit Elle Fanning, der kleineren Schwester von Dakota ("Man on Fire"), hat man ein weiteres überzeugendes Kindertalent aus der schon fast unheimlich talentierten Fanning-Sippe dabei.
Freilich ist das Erzähltempo gemächlich und im Grunde genommen passiert auch nicht viel. Aber es sind die Kleinigkeiten, die diesen Film unvergesslich machen. Wie Marion beim Sex mit dem zwanzig Jahre jüngeren Mann Tränen in den Augen hat. Oder wie sich Teds angestaute unterschwellige Wut im sturen, ohrenzerfetzenden Anhören einer vulgären Hip-Hop-Fick-Hymne im Autoradio entlädt. Oder wie Eddie einen sehr bestimmten Pullover auf seinem Bett bereit gelegt findet. Einzig mit einer einzigen - für sich genommen umwerfenden - Szene liegt Regisseur und Autor Williams falsch: Die slapstickartige Jagd auf Ted, die eine enttäuschte Liebhaberin (Mimi Rogers) per großem Geländefahrzeug vollführt, ist äußerst unterhaltsam - gehört aber vom Ton her in einen anderen Film. Wenn man Jeff Bridges in seinem verlotterten Kaftan den Strand entlang sprinten sieht, weiß man auch in welchen. Erinnerungen an den legendären "Dude" Lebowski werden wach. Ach so, ebenfalls: unglaubliche Schlusseinstellung!

Würde man es existenzialistisch aufziehen wollen, könnte man sagen, es geht hier vorrangig - wie bei allem im Leben - um Sex und Tod. Geht es auch. Aber genau so sehr, wie es sich um geistigen Tod als Stillstand, als Nicht-Loslassen und Nicht-Vergessen dreht, wird auch der Sex (und damit die einfühlsam gedrehten Sexszenen zwischen Basinger und Foster) zu einem Sinnbild für den Geisteszustand der Protagonisten: Ted, der sich durch die Gegend vögelt, um damit den Schmerz zu betäuben. Marion, die aus ganz ähnlichen Gründen, allerdings auch ganz anderen Ursachen (wie aus einem von Teds kruden Kinderbüchern) mit Eddie schläft. Und schlussendlich Eddie, für den dieser Sommer mit allen Erlebnissen (inklusive des ersten Sex) sein Leben bestimmen wird.
Reicheres, schöneres Kino wird man in diesem Herbst kaum irgendwo zu sehen bekommen. Denn auch wenn "The Door in the Floor" im Grunde 'nur' exzellentes Erzählkino klassischer Machart ist, so ist genau das etwas, was man manchmal unbedingt braucht. Bald werden sie solche Filme nicht mehr machen.

Bilder: Copyright

10
10/10

Der Film steht sehr weit oben auf meiner persönlichen Liste
der besten Filme! Die Renzension trifft es genau auf den Punkt!
VIELEN DANK!

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wie isch der schluss eigentlich zu verstehen ?
`bringt er sich um?

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