Die Karte meiner Träume

Originaltitel
The Young and Prodigious T.S. Spivet
Jahr
2014
Laufzeit
105 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 6. Juli 2014

karte 1Das Leben ist nicht einfach für den erst zehnjährigen T.S. Spivet (Kyle Catlett), der mit seiner Familie auf einer abgelegenen Farm im Niemandsland von Montana lebt. Die Mutter (Helena Bonham Carter) eine verhuschte Wissenschaftlerin, die Schwester eine anstrengende Möchtegern-Schauspielerin und der Vater (Callum Keith Rennie) ein mürrischer, altmodischer Cowboy, der mit T.S. einfach gestricktem, aber handwerklich begabtem und abenteuerlustigem Bruder Layton deutlich mehr anfangen kann. Der introvertierte T.S. ist dagegen zwar eine Art hochbegabtes Wunderkind, doch wissen in dieser Umgebung weder die Familie noch seine verkrusteten Lehrer die Ideen und Erfindungen des anstrengenden Besserwissers zu würdigen. Als er jedoch für die Einsendung eines Perpetuum Mobile-Modells den Preis des renommierten Smithsonian Institutes verliehen bekommen soll, muss sich T.S. entscheiden. Soll er zugeben, dass er leider nur ein Kind ist und weiter in seinem ignoranten Umfeld bleiben oder die Reise nach Washington wagen, um den Preis dort tatsächlich persönlich in Empfang zu nehmen? Nach kurzer Überlegung macht sich der Junge schließlich auf die Reise.

 

karte 2Seit seinem durchschlagenden Erfolg mit der „fabelhaften Welt der Amelie“ wartet die Kinogemeinde nun schon recht lange auf einen ähnlich berührenden und bezaubernden Film von Jean-Pierre Jeunet. Weder sein melodramatisches Kriegsepos „Mathilde“ noch der leicht klamottige „Micmacs“ konnten zuletzt überzeugen. Seine zweite US-Produktion (nach seinem ersten, auch für Jeunet eher unerfreulichen Hollywood-Ausflug „Alien - Die Wiedergeburt“) kommt daher nun zwar nicht als potentieller Blockbuster daher, doch auch „Die Karte meiner Träume“ erweist sich leider trotz bester Voraussetzungen als ziemliche Enttäuschung. Denn da die Romanvorlage des Autors Reif Larsen eine höchst verspielte, mit zahlreichen in den Text eingelassenen Zeichnungen und Illustrationen versehene Geschichte präsentiert, schien der Bildermagier Jeunet, der ja gern auch mal etwas schräg und abseitig inszeniert, im Prinzip eine naheliegende Wahl um die Adaption ebenfalls zu einem kleinen „magischen“ Erlebnis zu machen.

karte 3Dies gelingt aber im Grunde nur in einem einzigen Punkt so richtig überzeugend, nämlich bei der hier wirklich einmal sinnvollen und kreativen Einsetzung der 3D-Technik. Wenn der Erzähler T.S. über seine Erfindungen spricht, dann verlassen die hier auch tatsächlich das Papier und diverse merkwürdige Geräte schweben vor dem Kopf des Zuschauers vorbei. Illustrationen werden „lebendig“, und wenn unser kleiner Held mal an die zuhause Gebliebenen denkt, sehen wir diese in kleinen Kästchen oder Kreisen an den Ecken der Leinwand eingeblendet. Das alles ist visuell außerordentlich hübsch gelungen, was ebenso für die Bilder der zwar kargen, aber trotzdem schönen und farbenprächtigen Landschaft Montanas gilt oder auch die Bahnhöfe und Industrieanlagen, durch die der Zug mit dem kleinen T.S. rollt. Mehr als „hübsch“ ist es aber eben wirklich nicht und das liegt noch zum geringsten Teil an der Leistung des sehr solide aufspielenden Hauptdarstellers Kyle Catlett, seines Zeichens im richtigen Leben ebenfalls ein „Hochbegabter“, der seinen Altersgenossen weit voraus ist.

karte 4Während man die Intelligenz und Lebensweisheit des Wunderkindes gerade noch so kauft, sind jedoch sämtliche sonstigen Figuren in ihren Macken vollkommen überzeichnet, werden auf diese reduziert und verkommen so teilweise zur Karikatur. Ob der knurrige Vater, der sich nur in seinem zum Cowboy-Museum umfunktionierten Wohnzimmer wohl fühlt, oder die spinnerte Mutter, für die es nichts Wichtigeres gibt als endlich die Existenz des sagenhaften Tigermönchkäfers zu belegen. Am Schlimmsten hat es jedoch Judy Davis getroffen, die als eitle und mediengeile Kuratorin des Smithsonian Instituts ein ganz schreckliches, wandelndes Klischee geben muss. Selbst bei den Personen, denen der Junge auf seiner langen Reise begegnet, findet sich nichts wirklich Interessantes oder gar Vielschichtiges, den Auftritt von Jeunet-Stammschauspieler Dominique Pinon als Landstreicher im Seebär-Kostüm ausdrücklich inbegriffen.

 

Auch insgesamt bietet der klar in drei etwa gleichlange Teile gegliederte Film wenig Aufregendes und trotz der Inszenierung als Roadmovie letztlich nur wenig Erkenntnisgewinn, denn selbst der als größter dramatischer Aspekt angelegte Strang endet schließlich in der Kitsch-Sackgasse. So bleiben, neben einem bemerkenswerten Jungdarsteller in der Hauptrolle, auf der Habenseite letztlich nicht viel mehr als die genannten Schauwerte in überzeugendem 3D. Und es bleibt die Frage, wie oft man auf dem Plakat noch mit dem Satz „vom Regisseur von Amelie“ werben muss, bis diesem auch endlich mal wieder ein annähernd starker Film gelingt.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.