
Man würde es Ridley Scott ja so sehr wünschen, dass er noch einmal ein richtiges Meisterwerk hinbekommt. "Alien", "Blade Runner", "Thelma & Louise" und natürlich der mit fünf Oscars bedachte "Gladiator" waren allesamt Sternstunden ihrer jeweiligen Genres. Und einen wirklich schlechten Film hat der inzwischen 70jährige Regisseur schon lange nicht mehr gedreht. Ein in jeder Hinsicht sehr guter, der wie einige der gerade genannten vielleicht sogar das Zeug zum Kultfilm hat, war in den Jahren nach "Gladiator" aber auch nicht mehr dabei. Selbst dem starbesetzten Gangsterepos "American Gangster" fehlte im letzten Jahr das gewisse Etwas, um als herausragendes Werk der Filmgeschichte in Erinnerung zu bleiben. Natürlich kann nicht jeder Film aufs Neue zum Meisterwerk geraten. Aber wie gesagt: Man wünscht es sich bei Scott halt so sehr…
Wie auch bei seinen letzten Filmen gibt es auch bei "Der Mann, der niemals lebte" zunächst keinen Grund zur Klage, versprechen neben dem Regisseur doch auch die beiden Hauptdarsteller Hollywood-Unterhaltung vom Feinsten. Leonardo DiCaprio spielt hier den CIA-Agenten Roger Ferris, dessen Einsatzgebiet der Nahe Osten ist. Die Befehle erhält er von seinem vom CIA-Hauptquartier aus operierenden Vorgesetzten Ed Hoffman (Russell Crowe), dem dank modernster Kommunikations- und Überwachungstechniken kaum einer von Ferris' Handgriffen entgeht. Als eine bisher unbekannte, hochrangige Figur der islamistischen Terrorszene durch mehrere Bombenanschläge Aufmerksamkeit erregt, entwickeln Ferris und Hoffman gemeinsam einen Plan, um diesen Terroristenführer aus der Reserve zu locken und an ihn heranzukommen. Dazu spinnen sie ein Netz aus detailliert geplanten Lügen und Täuschungen, über deren wahre Natur sie selbst den Chef des jordanischen Geheimdienstes (Mark Strong), mit dem sie eigentlich zusammenarbeiten, im Dunkeln lassen müssen.
Der Titel "Der Mann, der niemals lebte" bezieht sich dabei auf die Art des von Ferris und Hoffman durchgeführten Täuschungsmanövers, wenn dieses auch - verglichen mit der Romanvorlage von David Ignatius - im Film stark verkürzt dargestellt wird. Das Drehbuch stammt übrigens von William Monahan, der für Ridley Scott bereits "Königreich der Himmel" geschrieben und für sein Skript zu Martin Scorceses "Departed" den Oscar gewonnen hat.
Am meisten positiv hervorzuheben ist zweifellos die facettenreiche schauspielerische Leistung von Leonardo DiCaprio, ohne die der Film in sich zusammenfallen würde, da DiCaprios Figur in fast jeder Szene auftaucht. Dass auch Russell Crowe, der sich für den Film einige zusätzliche Kilos angefuttert hat, seine Sache gut macht, braucht man eigentlich gar nicht erwähnen. Schade ist nur, dass er hier nicht viel mehr zu tun hat als seine Dialogzeilen in ein Handy-Headset zu sprechen. Das hätte auch ein schlechterer Schauspieler hingekriegt und es war wohl eher Crowes Freundschaft zu Ridley Scott als die kaum vorhandene schauspielerische Herausforderung, die ihn zur Übernahme dieser Rolle bewogen hat. Die vielschichtigste Figur in Monahans Drehbuch ist der jordanische Geheimdienstchef Hani, den Mark Strong als eiskalten, glatten und undurchsichtigen Mann spielt, bei dem man sich nie sicher sein kann, auf welcher Seite er denn nun steht.
Wie man es von Scotts Filmen gewohnt ist, gibt es auch von technischer Seite nichts zu meckern. Die zahlreichen Schauplätze wirken äußerst realistisch und Kamerabewegungen und Schnitte erzeugen einen den Film unablässig vorantreibenden Rhythmus - der Film wirkt wie ein weiteres Hochglanzprodukt aus Ridley Scotts hochprofessioneller Werkstatt. Aber genau das ist das Problem. Obwohl schauspielerisch und technisch auf höchstem Niveau, weiß "Der Mann, der niemals lebte", nicht wirklich zu berühren.
Was Scott dem Publikum hier vorsetzt, kennt man schon von mehreren seiner früheren Werke: Einen in seiner Form beinahe perfekten Hollywood-Film, für den die Chancen auf die eine oder andere Oscar-Nominierung sicher nicht schlecht stehen, dem durch die Konzentration auf all die sichtbaren äußeren Aspekte aber zumindest ein bisschen die Seele fehlt. Vielleicht liegt es ja an Scotts Vergangenheit als Werbefilmer, dass er immer wieder so großen Wert auf die äußere Form seiner Filme legt; bei "Alien" und "Blade Runner" ist das dem Endergebnis noch eindeutig zugute gekommen, inzwischen führt es aber eher dazu, dass seine Filme einander immer ähnlicher werden und weniger durch die ihnen eigenen Inhalte bestechen.
Hinzu kommt hier noch ein ziemlich formelhaft gestalteter letzter Akt, den man sich dann schon etwas komplexer gewünscht hätte. Dass Ridley Scott sich außerdem jeder klaren Aussage zum Nahost-Konflikt enthält und die Protagonisten beider Seiten als zu zwielichtigen Methoden greifend und nicht immer vertrauenswürdig darstellt, ist zwar einerseits löblich, trägt aber andererseits noch dazu bei, dass es dem Film an inhaltlichen Konturen fehlt. Auf ein weiteres Meisterwerk von Sir Ridley Scott müssen wir also auch weiterhin warten. Vielleicht sollte er sich beim nächsten Mal einfach ein bisschen weniger anstrengen, alles so perfekt wirken zu lassen.
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