
Wenn man an die dänischen Filme der letzten Jahre denkt, bekommt man schon einen merkwürdigen Eindruck. Besonders die Mitglieder der Dogma-Gruppe verbreiteten ein trostloses Bild ihres Landes, in dem es anscheinend keine glücklichen Familien gibt und/oder die Menschen ganz einfach vom Schicksal gebeutelt sind ("Das Fest", "Italienisch für Anfänger"). Die Figuren sind meist Losertypen, die versuchen, ihr Leben zu meistern. Wo sind nur die glücklichen und erfolgreichen Dänen, oder gibt's die etwa wirklich nicht? Wollen die Regisseure mit Absicht von den sonnigen Dünen ihres Landes ablenken und filmen deshalb lieber in Plattenbauten? Passend zur Grill-Saison kommt jetzt "Dänische Delikatessen" von Regisseur Anders Thomas Jensen ins Kino. Obwohl "Dänische Delikatessen" kein Dogma-Film ist, konfrontiert uns Jensen ("Flickering Lights", sowie Drehbuch zu "Wilbur wants to kill himself" und "Stealing Rembrandt") mit einem gewohnt trostlosen Szenario, das obendrein auch noch schön makaber ist.
Svend (Mads Mikkelsen) und Bjarne (Nikolaj Lie Kaas) sind beste Freunde und arbeiten gemeinsam beim Metzger Holger. Dieser schikaniert den ständig schwitzenden Svend und den dauerbekifften Bjarne so lange, bis sie beschließen, trotz aller Selbstzweifel ihren eigenen Laden aufzumachen. Obwohl sie sich vor allem mit der Marinade riesige Mühe geben, bleiben die Kunden aus, bis ein Unfall im Kühlraum den beiden in Form des toten Elektrikers eine neue Delikatesse beschert. Der vom Misserfolg geplagte Svend fackelt nicht lange, und plötzlich steht der ganze Ort bei den Schlachtern Schlange, um eins von ihren marinierten "Hühnchenfilets" zu ergattern - schon brummt der Laden. Aber wie sollen die beiden für Nachschub sorgen? Können sie riskieren, die neugewonnenen Kunden zu enttäuschen? Ist Metzger Holger den beiden schon auf der Spur?
Da durch die unnötige Umbenennung des Films von "Die grünen Schlachter" in "Dänische Delikatessen" (in Anlehnung an Jean-Pierre Jeunets Kannibalen-Groteske "Delikatessen") schon wesentliche Plotelemente angedeutet wurden, ist hier jetzt auch nicht zuviel verraten worden. Vegetarier werden wohl die einzigen sein, die ohne mulmiges Gefühl diesen Film verlassen. Jensens schwarze Komödie überschreitet zwar einige Geschmacksgrenzen, jedoch verleihen die beiden Hauptdarsteller ihren skurrilen Figuren soviel überzeugende Menschlichkeit, dass man einfach mit ihnen Fiebern muss.
Besonders beeindruckend ist Nikolaj Lie Kaas, der neben Bjarne auch noch dessen geistig behinderten Zwillingsbruder Eigil spielt. Der wortkarge Mann mit festem Tritt zieht sich nach Ladenschluss am liebsten in sein mit Tierskeletten dekoriertes Zimmer zurück. Gerade als Bjarne beschließt, die den Bruder am Leben erhaltenden Maschinen ausstellen zu lassen, erwacht dieser aus dem Koma und konfrontiert Bjarne mit seiner Vergangenheit. Der wiederum hatte fest mit der Erbschaft als Anlage für die Schlachterei gerechnet. Natürlich wird alles noch durch Astrid (Line Kruse, "In China essen sie Hunde"), eine Totengräberin die Bjarne auf dem Friedhof kennen lernt, verkompliziert. Zwar ist auch Astrid etwas eigenartig und außerdem hart im Nehmen, dafür hat sie aber ein Herz für Eigil und will zwischen den Brüdern vermitteln. Fantastisch ist auch Mads Mikkelsen als der sich ewig selbst analysierende Svend. Ehrgeizig und Jammerlappen zugleich, versteht er es, sich und Bjarne immer weiter in Schwierigkeiten zu bringen und sich hinterher in einem endlosen Monolog selbst zu bemitleiden.
Trotz aller makabren Einzelheiten stehen das Menschliche und der Humor in diesem Film stets an erster Stelle. Auch moralisch gesehen wird der Zuschauer immer wieder auf die Probe gestellt und gezwungen, sich in die Situation der beiden Schlachter hineinzuversetzen. Die Gefühle und Konflikte wirken umso authentischer, da sie nicht im Hollywoodstil glattgebügelt werden. Neben echtem Elend zeigt Jensen die kleinen Freuden des Lebens und beweist, dass man sowohl über als auch mit seinen Figuren lachen kann.
Wer jetzt verunsichert ist: Es kann viel gelacht werden. Schon die letzte Szene allein ist das Eintrittsgeld wert, also nicht vorher gehen. "Dänische Delikatessen" machen nicht nur Lust auf Grillen, sondern auch auf mehr skurrile Filme aus Dänemark.
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