Gerade weil das Thema „Tennis“ eigentlich keines ist das im Kino bisher nennenswerte Spuren hinterlassen hat, ist es umso bemerkenswerter, dass sich nun fast zeitgleich zwei Filme auf einmal mit dem weißen Sport beschäftigen. Auch die gewählte historische Ära ist eine ähnliche, denn während sich der Geschlechterkampf in „Battle of the Sexes“ zu Beginn der 70er Jahre abspielte, fand das legendärste Match zwischen Björn Borg und John McEnroe am Ende dieses Jahrzehnts statt. Der Kinofilm dazu hat allerdings keinerlei gesellschaftspolitische Anliegen, sondern zeichnet einzig und allein das Duell zweier nur auf den ersten Blick komplett unterschiedlicher Persönlichkeiten.
Im Jahr 1980 befindet sich der aufgrund seiner auf dem Platz gezeigten Emotionslosigkeit als „kühler Schwede“ bekannte Björn Borg auf dem Höhepunkt seiner Karriere und steht kurz davor, zum fünften Mal nacheinander den prestigeträchtigen Titel in Wimbledon zu gewinnen. Allerdings scheint sein Triumph diesmal durch das Auftauchen eines unkonventionellen jungen Amerikaners gefährdet. Der erst 20jährige John McEnroe erregt dabei nicht nur durch seine offensive Spielweise große Aufmerksamkeit, sondern sorgt durch sein oft rüpelhaftes Verhalten dafür, dass sich die Zuschauerschaft schnell in Anhänger und erbitterte Gegner teilt. Als es dann tatsächlich zum herbeigesehnten Endspiel kommt ist die Erwartungshaltung immens groß – und wird von dem spektakulären Match sogar noch übertroffen.
Es ist kein Wunder, dass Tennis nicht zu den mit zahlreichen Biopics gewürdigten Sportarten gehört, denn im Gegensatz zum Kampf Mann gegen Mann im Boxring lässt sich das oft statisch wirkende Hin- und Her-Schlagen des Filzballs von einer Spielhälfte in die andere visuell nur mäßig aufregend umsetzen. Zudem läuft ein Match meist über mehrere Stunden und lässt sich auch nur schlecht auf ein oder zwei entscheidende Szenen reduzieren. Faszinierende Persönlichkeiten liefert dieser Sport dabei zweifelsohne genug, doch bis auf eine meisterhaft spannende Sequenz im Alfred Hitchcock-Klassiker „Der Fremde im Zug“ oder das mäßig erfolgreiche Drama „Wimbledon“ mit Paul Bettany und Kirsten Dunst finden sich kaum Spuren zum Thema „Tennis“ in der Filmgeschichte.
Auch "Borg/McEnroe" dürfte ein Film für Insider bleiben, denn mit einer echten Heldengeschichte haben wir es beim Spielfilm des dänischen Regisseurs Janus Metz nicht zu tun, sondern vielmehr mit einem oft sperrigen Werk, welches in einem fast dokumentarischen Stil versucht ein wenig mehr vom Innenleben seiner beiden Protagonisten zu erforschen als einem bisher aus den Medien bekannt war. Dieser Ansatz gelingt deutlich besser bei der Figur John McEnroe, und das aus doppeltem Grund. Denn erstens gibt die Person des extrovertierten Amerikaners einfach grundsätzlich mehr her als die des „Eisbergs“ Borg, und zweitens wird diesem hier von Shia LaBeouf mit großem Einsatz Leben eningehaucht.
Der frühere „Transformers“-Star sucht sein Glück nach einigen privaten Irrwegen mittlerweile vorwiegend in kleineren Independent-Filmen wie zuletzt „American Honey“ und überzeugt als McEnroe mit seiner fiebrigen, unruhigen Darstellung, die die Angespanntheit und latente Aggressivität seines Charakters spürbar macht. Wenn McEnroe zusehends nervöser und ärgerlicher wird, weil er in einem TV-Interview ständig nur nach Björn Borg gefragt wird, wo er doch viel lieber über sich selbst sprechen möchte, dann ist das eine sehr typische Momentaufnahme seiner damaligen Situation.
Der geborene Isländer und mittlerweile in Schweden lebende Sverrir Gudnason besitzt zwar (obwohl er bereits Ende Dreißig ist) eine große optische Ähnlichkeit zum Björn Borg der damaligen Zeit, bekommt aber deutlich weniger Möglichkeiten für eindrucksvolle Szenen. Nur gelegentlich zeigt sich, dass hinter der kontrollierten Fassade ebenfalls eine innere Zerrissenheit und Unzufriedenheit zu stecken scheint, meist greift das Drehbuch aber zum Hilfsmittel einiger Rückblenden in die Kindheit und Jugend des Ausnahmetalents, um dort dann die Wurzeln für dessen eigene Dämonen zu verorten.
Das faszinierende große Match zwischen den beiden Tennis-Künstlern nimmt schließlich die letzte halbe Stunde ein und hier hat man sich wirklich bemüht (auch deutlich mehr als bei „Battle of the Sexes“), eine einigermaßen realistische Darstellung des Geschehens auf dem Platz abzuliefern und diesem durch eine sehr abwechslungsreiche Kameraführung mit vielen Perspektivwechseln entsprechende Dynamik zu verleihen. Allein für diese Sequenz verdient sich „Borg/McEnroe“ auch eine lobende Erwähnung im Kanon der Sportfilme, als Charakterdrama funktioniert er dagegen nur bedingt. Denn auch nach diesen 100 Minuten bleibt die Persönlichkeit der beiden Protagonisten eher rätselhaft – die des Einen mehr, die des Anderen etwas weniger.
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