Auch 46 Jahre nach ihrer Trennung haben die Beatles, die ohne Zweifel einflussreichste Band der Musikgeschichte, nichts von ihrer Faszination verloren. Ihre zeitlosen Songs begeistern nicht nur all diejenigen, die die 1960er Jahre als Teenager erlebt haben, sondern ziehen eine Generation nach der anderen in ihren Bann. Da eine solche weltumspannende Fanbase natürlich eine enorme Kaufkraft zu bieten hat, werden auch heute noch mit zuverlässiger Regelmäßigkeit „neue“ Beatles-Veröffentlichungen auf den Markt gebracht. Nachdem 2015 eine neue DVD mit Beatles-Musikvideos in die Läden kam, können sich Fans der „Fab Four“ dieses Jahr also auf eine neue Dokumentation freuen, die selbstverständlich vom Erscheinen eines neu remasterten Live-Albums begleitet wird.
Regie bei „Eight Days a Week – The Touring Years“ führte Ron Howard („Rush“,„Frost/Nixon” „A Beautiful Mind“), für den der Film nach der Jay-Z-Doku „Made In America” bereits den zweiten Ausflug ins Genre der Musikdokumentation darstellt. Wie der Untertitel des Films andeutet, konzentriert sich Howards Film vor allem auf die Phase in der Karriere der Beatles, in der die Band noch Konzerte gab und die bis zum 29. August 1966 reichte, als John, Paul, George und Ringo im „Candlestick Park“-Stadion in San Francisco zum letzten Mal öffentlich auftraten. Anhand von zum Teil bisher unveröffentlichten Aufnahmen (die wiederum zum Teil aus Privatvideos von Fans und Konzertbesuchern stammen), neuen Interviews mit Paul McCartney und Ringo Starr, Archivmaterial sowie Interviews mit prominenten Beatles-Fans und Weggefährten bringt Howard dem Zuschauer dabei vor allem eines nahe: die Beatlemania.
Von der darunter verstandenen Begeisterung und Hysterie für die Beatles war spätestens ab der Mitte der sechziger Jahre die ganze Welt für den Rest des Jahrzehnts befallen. Wo immer die vier Jungs aus Liverpool auftauchten, wurden sie von Horden kreischender Mädchen erwartet. Beim Vorverkaufsstart der Karten für eine Beatles-Show konnte sich die Schlange aus an den Ticketkassen wartenden Fans schon mal über mehrere Häuserblocks ziehen. Und während die junge Generation ganz von der Beatlemania ergriffen war, konnten deren Eltern dem „Krach“ der Beatles wenig bis gar nichts abgewinnen, ja sahen in den vier Jungs mit den für damalige Verhältnisse viel zu langen Haaren im schlimmsten Fall sogar Diener des Teufels. Spätestens als John Lennon 1966 in einem Interview den viel zitierten Satz fallen ließ, die Beatles seien berühmter als Jesus, schlug die Stimmung zumindest in Teilen der Gesellschaft um. Es kam zu öffentlichen Verbrennungen von Beatles-Schallplatten, doch allzu lange hielt diese negative Stimmung nicht an. Die Bedeutung der Beatles in der Musikgeschichte ist heute unumstritten.
All das wird in „Eight Days a Week“ thematisiert, garniert mit zahlreichen Konzertausschnitten, von denen einige dank der Neubearbeitung (teilweise wurden Bild und Ton aus unterschiedlichen Quellen bezogen) so gut klingen wie nie zuvor. Natürlich ist nichts davon wirklich neu, alle in der Dokumentation aufgezählten Fakten sind bereits bekannt. McCartney und Starr geben in den Interviews mit Howard nichts preis, was sie nicht schon dutzende Male zuvor erzählt haben. Die Erkenntnisse, die dieser Film bringt, sind also ebenso wenig „neu“ wie der Inhalt eines „Greatest Hits“-Albums. Aber was will man nach einem halben Jahrhundert auch noch Neues über eine Band sagen, deren Werk und Werdegang schon in unzähligen Büchern und Dokumentationen analysiert worden ist?
Interessant ist der Film dennoch an mehreren Stellen. Durch die Konzentration auf die Live-Auftritte der Band und die dabei entstehenden Tumulte macht „Eight Days a Week“ die Begeisterung und Hysterie deutlich, die den Beatles damals entgegenschlug. In unserer schnelllebigen Zeit, in der Popstars täglich neue Tweets senden müssen, um im öffentlichen Gedächtnis zu bleiben, ist es nur schwer nachvollziehbar, wie eine einzige Band damals den größten Teil eines Jahrzehnts dominieren konnte. Die Auftritte der Beatles glichen oftmals weniger Konzerten als 30-minütigen Ausbrüchen von Wahnsinn und Ekstase, bei denen die Musik im Gekreische des Publikums meist unterging (zumal sie oft aus denselben Lautsprechern kam, die in den Stadien sonst für die Durchsagen bei Sportereignissen verwendet wurden). Vor diesem Hintergrund macht der Film die Frustration der Bandmitglieder über diese Auftritte und ihre Entscheidung, schließlich gar keine Konzerte mehr zu geben, sehr gut nachvollziehbar.
Es stellt sich allerdings die Frage, für welches Publikum dieser Film nun eigentlich gemacht worden ist. Langjährige Fans werden hier wie erwähnt nichts Neues erfahren, für Einsteiger ins Beatles-Universum ist die Dokumentation wiederum nicht umfassend genug. Andererseits wäre das bei einem so vielfältigen und komplexen Werk wie dem der Beatles auch nur schwer möglich gewesen; insofern ist der hier gewählte Ansatz, sich hauptsächlich auf die Konzerttourneen und die damit verbundenen Höhen und Tiefen zu konzentrieren, ziemlich clever (etwas zynischer könnte man auch behaupten, der Film soll eben das zeitgleich erscheinende Live-Album bewerben). Die größte Stärke des Films sind wie erwähnt die Live-Aufnahmen. Wer die Musik der Beatles mag, die wird hier voll auf seine Kosten kommen, zumal im Anschluss an die 70-minütige Dokumentation das legendäre, halbstündige Konzert im New Yorker Shea Stadium von 1965 zu sehen ist.
War dieser Film also unbedingt notwendig? Nein. Er wartet mit zahlreichen bereits bekannten Fakten auf und welche Einstellungen in den Konzertaufnahmen hier bislang noch unveröffentlicht waren, können wohl nur wahre Beatles-Experten einschätzen. Der Einblick in die Atmosphäre des von der Beatlemania geprägten Jahrzehnts ist dennoch interessant und dank der schlagfertigen Antworten der vier Beatles in Interviews und Pressekonferenzen ist der Film auch ziemlich witzig. Den größten Teil aber machen die Auftritte der Beatles aus, und die hören und sehen zumindest Liebhaber der Beatles ja immer wieder gerne.
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