Endlich mal ein Actionfilm, dessen Werbezeile nicht zuviel verspricht. Der nächste Reißer von "The Fast and the Furious"-Regisseur Rob Cohen kündigt eine "neue Art von Geheimagent" an, und liefert auch genau das: Vin Diesel als Xander Cage, Extremsport-Freak in eher unfreiwilligen Diensten des Staates, ist nichts weniger als der James Bond der nächsten Generation, und die Art konsequente Überhöhung, mit der man heutzutage im Action-Genre noch jemanden hinterm Ofen hervorlocken kann. Cohen's Neuer ist 100% Krach und null Story, zu erkennen an einem Titel, der bereits mehr Logo als Name ist, und wie einst einmal die Fantastischen Vier dem Publikum laut entgegen brüllt: "Jetzt geht's ab, wir hauen euch aus den Hosen." Und wie.
Wie egal hier die Handlung im Verhältnis zu den bloßen Schauwerten ist, stellt Cohen schon allein damit klar, dass er erst einmal eine halbe Stunde lang fröhlich diversen Zerstörungs- und anderen Orgien frönt, bevor auch nur ansatzweise klar gestellt wird, worum es geht - und seinem neuen Helden einen Einstieg gönnt, der sämtliche überlebensgroßen Action-Heroen von James Bond bis Ethan Hunt alt aussehen lässt: Underground-Extremsportheld Xander Cage klaut die Corvette eines Senators, der gegen Videospiele und Skateboarden wettert, springt mit dem Wagen von einer hohen Brücke, verlässt den abstürzenden Flitzer per Fallschirm, und überträgt die ganze Nummer gleichzeitig auch noch mit diversen Webcams live auf seiner Internet-Seite. Mit solcherlei Aktionen zieht Cage (der in seinem Nacken drei X eintätowiert hat und so dem Film seinen Namen gibt) auch die Aufmerksamkeit von NSA-Agent Augustus Gibbons (Samuel L. Jackson) auf sich, der den Adrenalin-Junkie auf etwas unorthodoxe Weise rekrutiert. Seine Aufgabe: Infiltration einer osteuropäischen Anarchisten-Gruppe.
Dass diese, wer hätte das gedacht, die Welt in Schutt und Asche legen will, ist genauso egal wie der ganze Rest der Handlung, denn das Strickmuster ist sattsam bekannt aus nunmehr über zwanzig James Bond-Filmen. In der Tat klauen Cohen und sein Autor Rich Wilkes ohne jede Scham beinahe alle zentralen Motive der englischen Agenten-Serie, ziehen aber alles stilvolle, lakonisch-ironische Gehabe heraus und injizieren stattdessen Coolness pur und hemmungslose Übertreibung. Augustus Gibbons ist die pampig-aggressive Version von M, der hiesige Q-Verschnitt ist ein junger Bursche, der so emsig an neuen Waffen-Varianten bastelt, weil er selbst liebend gern Sachen in die Luft jagt, und der superreiche wahnsinnige Bösewicht wird ersetzt durch einen Untergrund-Regenten, der die derbsten Partys überhaupt schmeißt. Das obligatorische Super-Babe (Asia Argento, Tochter des Horror-Virtuosen Dario) kommt in ihrer Unterkühltheit sexuell aggressiver daher als jedes Bond-Girl. Die Dialoge konzentrieren sich einzig auf das permanente Abwerfen schmissiger One-Liner (wobei Xander's Motto "I like anything fast enough to do something stupid in" bereits jetzt Ambitionen zum Klassiker hat) und Aufforderungen zu mehr Spaß-Krach ("Dude, you have a bazooka. Stop thinking cop and start thinking Playstation. Blow shit up!") - kurz: In diesem Film ist einfach alles vollkommen over the top. Und nur wenn der Irrwitz Methode hat, kommt man damit auch durch.
Denn genau genommen ist alles, was in "Triple X" passiert - und vor allem die Action-Sequenzen - vollkommen lächerlich. Dass Rob Cohen mit diesen zwei Stunden geballtem Mumpitz trotzdem einen Volltreffer landet, liegt einerseits an seiner konsequenten Bereitschaft, jedweden Anspruch auf Logik oder Kohärenz für das reine Spektakel zu opfern, und andererseits an Hauptdarsteller Vin Diesel, denn der ist - und das kann man nur so sagen - einfach arschcool. Diesel verfügt über etwas, das man weder kaufen noch spielen noch antrainieren kann, eine Ausstrahlung von solch natürlicher Lässigkeit, dass man ihm einfach alles abkauft. Würden die selben Szenarien in einem Schwarzenegger-Film zur hoffnungslos überzogenen Lachnummer verkommen, verleiht ihnen Diesel eine Selbstverständlichkeit, die den gesamten Charme und Erfolg von "Triple X" ausmacht - obwohl man die meiste Zeit aus dem ungläubigen Lachen nicht mehr herauskommt angesichts des Wahnwitzes, der sich da auf der Leinwand abspielt. Nach seinen charismatischen und schaustehlenden Auftritten in "Pitch Black" und "The Fast and the Furious" hat Diesel mit diesem Film jedenfalls seine Altersversorgung sicher gestellt: Nicht nur, dass mehrere Fortsetzungen und jeweilige Gehaltsschecks jenseits der 20 Millionen Dollar (die er bereits für das Prequel zu "Pitch Black" einfährt) garantiert sind, der charmante Muskel-Macho etabliert sich hier im Handumdrehen als erster großer Action-Star des neuen Jahrtausends. Und solchen Ikonen-Status muss man erst mal erreichen. Mit Diesel als Katalysator sorgt "Triple X" für die Verschmelzung von Zelluloid und Testosteron, und während das junge männliche Zielpublikum ihn in Windeseile zum neuen Kultfilm erheben wird, kann sich auch die weibliche Begleitung auf das neue Sexsymbol Hollywoods freuen, denn selten traf der Spruch "Frauen lieben ihn, Männer wollen sein wie er" so sehr zu wie hier.
Wenn uns im Dezember der neue James Bond erwartet, wird es der ohnehin schon mit seiner Aktualität kämpfende Martini-Trinker schwer haben, up-to-date zu bleiben, ebenso wie andere Überhelden. Denn zusammen mit "Drei Engel für Charlie" hat "Triple X" bierernste Weltenretter wie in "Mission: Impossible 2" zum alten Eisen verfrachtet. Super-Agenten von heute machen ihren Job nicht mehr aus Überzeugung, sondern weil er ihnen saumäßig viel Spaß macht. Und nur dann überträgt sich der Spaß auch volles Programm aufs Publikum.
"Triple X" ist hirnlose Unterhaltung in Reinkultur, und wer so etwas generell verurteilt als Henker des intelligenten Kinos sollte tunlichst zuhause bleiben. Aber auch hirnlose Unterhaltung braucht ihre Innovationen, und "Triple X" lässt es mit einer Konsequenz krachen, die Maßstäbe setzt. Wenn beim letzten großen Wumms der Kinositz vibriert und danach in erneut sauber geklauter Bond-Manier die Fortsetzung eingeläutet wird, verabschiedet man sich mit fettem Grinsen im Gesicht vom schlichtweg derbsten Action-Kracher dieses Jahres. Und darf gespannt sein, ob das bereits für 2004 geplante Sequel da wird mithalten können. Denn diese "Over the top"-Produktion noch zu toppen, das dürfte schwer werden. Vin Diesel indes wird auch dabei cool bleiben. Garantiert.
Originaltitel
xXx
Land
Jahr
2002
Laufzeit
124 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Neuen Kommentar hinzufügen