Es ist eine allseits bekannte Regel, dass die Star Trek-Filme mit geraden Nummern immer besser sind als die mit ungeraden (auch wenn es dafür keine vernünftige Erklärung gibt). Nach dem etwas unsteten und wenig spektakulären neunten Abenteuer "Der Aufstand" vor vier Jahren waren die Hoffnungen deshalb nun wieder hoch, dass die Serie sich an ihre eigenen Gesetze halten würde, und der zehnte Leinwandausflug des Raumschiffs Enterprise wieder positiv ausfällt. Diese Hoffnungen werden enttäuscht: Auch wenn "Nemesis" besser ist als die meisten seiner "ungeraden" Vorgänger, ist er definitiv der schlechteste "gerade" Star Trek-Kinofilm. Dass es sich hierbei wahrscheinlich ums letzte Abenteuer der "Next Generation"-Crew handelt, tut einem da noch nicht einmal wirklich leid. Die Vorzeichen standen allerdings auch wirklich nicht gut, dass "Nemesis" die an ihn gestellten Erwartungen würde erfüllen können: Mit Regisseur Stuart Baird ("Einsame Entscheidung") und Autor John Logan ("Gladiator", "Time Machine") wurde die kreative Hauptverantwortung zwei der Trek-Franchise fremden Herren übergeben, und Logan entschied sich dazu, seine Geschichte um die Romulaner als Gegner zu stricken - die in Fankreisen unbeliebteste Rasse im Trek-Universum.
Nichtsdestotrotz gelang es dem Autor, den Verwandten der spitzohrigen Vulkanier eine Story zu verpassen, die zumindest interessanter als bei "Der Aufstand" ist: Vom ungeliebten Schwesterplaneten Remus der romulanischen Heimatwelt bricht ein Staatsstreich über den Senat des intriganten Volkes aus, angeführt von dem mysteriösen Shinzon (Tom Hardy). Der entpuppt sich als ein waschechter Klon des Enterprise-Captains Picard, von einer früheren romulanischen Regierung ursprünglich als potentieller Infiltrator "gezüchtet", der dann aber ausgestoßen wurde und in den unterdrückten Bewohnern von Remus Beschützer und später treue Gefolgsleute fand. Der herbeizitierten Enterprise-Crew (die eigentlich gerade zur Hochzeit von Deanna Troi und Will Riker nach Betazed wollte) erklärt der neue Praetor von Romulus, dass er einen Frieden mit der Föderation anstrebe. Doch schon bald machen sich Zweifel über die hehren Motive Shinzons breit: Teilt er mit Jean-Luc Picard auch dessen moralische Standpunkte, oder doch nur den Gencode?
Und was teilt "Nemesis" mit seinen Vorgängern? Die Trek-eigene, ironische Spritzigkeit, die selbst bei dem düsteren "Der erste Kontakt" noch zündete, ist weitgehend verloren, und so werden gerade treu ergebene Trekkies bei diesem Film kaum um die Erkenntnis herum kommen, dass aus der TNG-Crew die Luft raus ist. Daran kann auch die Versammlung alter Bekannter beim Hochzeitsempfang zu Beginn nichts ändern, wo neben Guinan (Whoopi Goldberg) auch der eigentlich schon vor mehr als einem Jahrzehnt in höhere Daseinsdimensionen transzendierte Wesley Crusher auftaucht - indes ohne eine einzige Dialogzeile abzubekommen. Die Standardsprüche werden pflichtbewusst heruntergebetet, aber der Reiz von Neuem will sich nicht einstellen.
Und das ist nicht das einzige, was "Nemesis" mit dem jüngsten James Bond-Abenteuer gemeinsam hat: Eine schlichtweg überflüssige und für Trek-Verhältnisse fast schon peinlich auf Spektakel getrimmte Actionsequenz mit einem eigens hierfür eingeführten Wüstenbuggy erinnert - gerade an ihrem haarsträubenden Ende - sehr unangenehm an die Abenteuer des britischen Superagenten. Eine Sequenz, die symptomatisch ist für die entscheidenden Schwachpunkte von "Nemesis". Wohl in dem Bestreben, den Film so Mainstream-tauglich wie möglich zu gestalten (denn allein mit dem Fan-Publikum lässt sich nicht genug Geld machen), verlagerten Baird und Logan den Schwerpunkt weg von den Charakteren hin zu mehr Action, was in diversen Szenen höheren Effekte-Blödsinns endet. Da hilft auch der übliche Technobabbel nicht, der immerhin die Einführung einer neuen supergefährlichen Weltvernichtungskanone mit passendem, bis an die Zähne bewaffneten Raumschiff plus integrierter, neuartiger und daher nicht zu entdeckender Tarnvorrichtung erlaubt. Ob mehr Figurenkonzentration genutzt hätte, bleibt indes auch fraglich: Mit Worf, Geordi LaForge und Doktor Crusher werden wieder große Teile der Besatzung zu Stichwortgebern degradiert, was den deutlichen Eindruck vermittelt, dass auch der an der Story beteiligte Chef-Trekker Rick Berman mit diesen Charakteren nichts mehr anzufangen weiß. Dem Pärchen Riker und Troi ergeht es da nicht viel besser, auch wenn die wieder mal etwas fühlende Empathin vom Betazed diesmal zumindest etwas größere Plotrelevanz hat als sonst. Der Schwerpunkt der Handlung konzentriert sich auf Picard und den Androiden Data - wie schon bei dem auch atmosphärisch sehr ähnlich gelagerten (nur viel besseren) "Der erste Kontakt": Beide müssen sich hier mit einer Art zweitem Ich auseinander setzen und damit auch mit der Frage, was ein Individuum eigentlich ausmacht - seit den Anfängen von TNG der Kernpunkt der Beziehung zwischen dem ewig nach dem Menschsein strebenden Data und dem ihn dabei als Mentor leitenden Picard. Hier lauern im Stillen die besten und wichtigsten Momente von "Nemesis", kulminierend in der vielleicht menschlichsten Geste Datas überhaupt - und einem treffenden Schlusspunkt für das besondere Verhältnis zwischen Captain und Android. Apropos Schluss: Hier erreicht "Nemesis" einen durchaus ordentlichen Unterhaltungswert, der gerade im Mittelteil eindeutig fehlt - die Handlung um Picard-Klon Shinzon und die mit ihm einhergehende Frage, wie viel des menschlichen Charakters eigentlich durch die genetische Herkunft vorgegeben ist und wie viel sich erst während des Heranwachsens bildet, kann nicht wirklich überzeugen. Zu vorhersehbare Wendungen und die letztlich mangelhaft ausgearbeitete Figur Shinzon lassen hier zeitweise deutliche Langeweile aufkommen - die aber immerhin während des Showdowns gänzlich verfliegt. In einer für Trek-Verhältnisse untypisch lang ausgeführten Raumschlacht mit einigen taktischen Finessen geht es wahrlich hoch her, wobei vom Schutzschild über den Transporter bis hin zum Selbstzerstörungsmechanismus wirklich alles kaputt geht. Am Ende dann stehen die Zeichen überdeutlich auf Abschied, auch wenn man sich rein provisorisch ein Hintertürchen für einen weiteren Film mit der vollständigen TNG-Crew offen lässt. Darauf aber sollten die Trek-Chefs verzichten, denn wenn "Nemesis" eines zeigt, dann dass es Zeit für den Abschied von diesen alten Freunden ist. Auch wenn es für treue Fans immer noch einen unersetzlichen Hochmoment bedeutet, wenn die Enterprise majestätisch über die Leinwand gleitet, um dann mit einem Blitz im Warpfeld zu verschwinden. Auch wenn man Picard und seiner Mannschaft einen würdigeren Abgang als diesen wünscht. Wenn aber selbst ein gerader Trek-Film nicht mehr überzeugen kann, dann will man sich den nächsten ungeraden eigentlich gar nicht mehr antun.
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