Mit „My Week with Marilyn“ hat sich Simon Curtis die überaus dankbare Aufgabe gesucht, einen Film zu drehen, der bei seinem Arthouse-Zielpublikum unmöglich scheitern kann. Dem Film über eine denkwürdige Woche mit Marilyn Monroe ist der Erfolg gewiss, aus dem einfachen Grund, dass nicht nur waschechte Monroe-Fans sondern eigentlich alle, die eine Schwäche für die Vorzüge des weiblichen Geschlechts haben, etwas damit anfangen können sollten.
Der Film adaptiert die Tagebuchaufzeichnungen von Colin Clark, die unter gleichem Titel („Meine Woche mit Marilyn“) am 19. März, also fast parallel zum Kinostart, in Deutschland veröffentlicht wurden. Sowohl das Buch als auch der Film beruhen auf wahren Begebenheiten und lassen den Monroe-Mythos in seiner ganzen Schönheit wieder aufleben, als könnte ihm die Zeit nichts anhaben. Dass der Monroe-Mythos bis heute fortlebt, ist natürlich – ähnlich wie bei James Dean – dem frühen Tod geschuldet, der die Schauspielerin unter bis heute nicht ganz geklärten Umständen in viel zu jungen Jahren und mitten im Zenit ihrer Karriere ereilte – und damit unsterblich machte.
Wer hinter dem Titel des Films nun einen Blick hinter die Kulissen auf die „wahre“ Marilyn oder gar ein intimes Portrait über das Mädchen Norma Jeane Baker erwartet, wird jedoch enttäuscht werden. Denn was der Blick hinter die Kulisse in „My Week with Marilyn“ freilegt, ist nur eine weitere Kulisse, und das sollte uns eigentlich nicht überraschen: Wenn wir nach dem Rätsel von Marilyn Monroe fragen, werden wir als Antwort niemals Norma Jeane Baker erhalten. Zumindest nicht, solange es um den Mythos ihrer Weiblichkeit geht, denn dieser verkörpert sich in der Star-Persona „Marilyn Monroe“, die selbstbewusst, verletzlich und liebenswert zugleich das Begehren der Männer weckt.
Mit der Marilyn (Michelle Williams, Oscar-nominiert für diese Rolle), die perfekte Bühnenshows für ein Millionenpublikum gibt, beginnt und endet der Film auch. Der junge Colin Clark (Eddie Redmayne) lernt sie zunächst so kennen, wie wir alle: Als Zuschauer ihrer Filme, stiller Bewunderer ihres reizvollen Auftretens und Fan der Star-Persona, die sie nach außen hin repräsentiert. Colins Ambition ist es, nicht nur Zuschauer, sondern Teil dieser Welt zu sein und so tut er alles, um einen Fuß ins Filmgeschäft zu bekommen, sei sein Vorgehen dabei noch so aufdringlich. Dabei hat er den Aufstieg genau genommen überhaupt nicht nötig, ist er doch Angehöriger des englischen Adels und auf die Almosen, die er schließlich als dritter Regieassistent (sprich: Laufbursche) bei der Produktion von „The Prince and the Showgirl“ erhält, nicht wirklich angewiesen. Stattdessen bietet sich ihm so jedoch die einzigartige Möglichkeit, seiner Traumfrau Marilyn näher zu kommen und ihrem Charme genauso zu verfallen wie so viele Männer vor ihm.
Davon handelt der Film ebenso wie von den Konflikten am Set des Films, die zwischen der jungen Monroe und Schauspiellegende Sir Laurence Olivier (Kenneth Branagh, ebenfalls Oscar-nominiert), dem Regisseur und Hauptdarsteller von „The Prince and the Showgirl“, entbrennen. Dass Marilyns Unzuverlässigkeit, ihre ständigen Ausfälle und Verspätungen, ihre Verhaspler und Text-Black-Outs in die verkrampfte Atmosphäre des Drehs nicht passen, ist augenfällig. Filmsets und -proben sind die kältesten Orte der Welt, sagt die von Judy Dench verkörperte Mrs. Thorndike an einer Stelle. Gerade in diese kalte und erstarrte Umwelt wird Marilyn wie ein gefangener Vogel ausgesetzt, vor der sie auch ihre Schauspiellehrerin und Mutterfigur Paula Strasberg (Zoë Wanamaker) nicht wirklich beschützen kann.
Wenig gemütlich und nicht gerade sympathisch mutet auch das durch und durch versnobte Milieu des englischen Adels an, mit seinen prestigeträchtigen Gebäuden, die Würde und Rang nach außen tadellos repräsentieren, in denen aber jeder Funke Leben zu ersticken droht. Unglücklicherweise ist nicht einmal Marilyns frische und ausgelassene Unbeschwertheit vollkommen in der Lage, dem Film diese versnobte Strenge auszutreiben. Falls es doch Orte gibt, die noch kälter als Filmsets sind, dann müssen es die Anwesen und Räumlichkeiten der englischen Aristokratie – wie das Eton-College oder das Windsor Castle – sein, die der Film wie ein Tourismusführer anpreist.
Die eigentliche Stärke des Films liegt letztlich in Michelle Williams‘ Darstellung der Marilyn. Was die Schauspielerin (die sich in den letzten Jahren durch Produktionen wie „Brokeback Mountain“, „Blue Valentine“ oder „Meek’s Cutoff“ endgültig von ihrem „Dawson’s-Creek“-Teenager-Image befreien konnte) hier bietet, ist schlicht und ergreifend herausragend. Wäre es nicht längst fällig gewesen, Meryl Streep (endlich mal wieder) den Oscar für die beste weibliche Hauptdarstellerin zu verleihen, eine Auszeichnung für Williams wäre mehr als gerechtfertigt gewesen.
Angesichts der Perfektion, mit der sie sich die typischen Marilyn-Gesten angeeignet hat, sollte jedenfalls kein Zweifel mehr über die Professionalität bestehen, die Williams zu einer durch und durch ernst zu nehmenden Schauspielerin macht. Dabei sieht man ihr die harte Arbeit glücklicherweise kein Stück an, wenn sie scheinbar mit Leichtigkeit ihren Kopf in den Nacken legt, um so ausgelassen wie die Monroe zu lachen; wenn sie ausgiebig flirtet ohne jemals ins Vulgäre abzudriften oder wenn sie sich bewusst den männlichen Blicken präsentiert und trotzdem immer eine Spur von weiblicher Zerbrechlichkeit durchschimmern lässt. Das ist die Marilyn Monroe, die eine ganze Generation bezaubert hat. Das ist die Marilyn Monroe, die zum Mythos wurde.
Ähnlich präzise wie bei der Darstellung der Marilyn ist der Film bei der Rekonstruktion der Ereignisse und der Re-Inszenierung einiger Szenen aus „The Prince and the Showgirl“. „My Week with Marilyn“ meistert die Oberfläche und die äußere Erscheinung entsprechend tadellos. Trotzdem oder gerade deswegen fehlt es dem Film an etwas Entscheidendem: Vergeblich lässt er den Zuschauer auf Einsichten in das Gefühlsleben und die Psyche seines Stars warten, die als Versprechen im Titel anklingen. Noch in den vermeintlich intimsten Momenten des Films, in denen Colin Marilyn hautnah erlebt, drängt sich einem das Gefühl auf, man würde eine Show sehen. Oder wie kann man glauben, dass Marilyn sich tatsächlich unbeobachtet fühlt, wenn sie in der Badewanne beginnt zu singen wie Julia Roberts einst in „Pretty Woman“? Marilyn Monroe ist zur Ikone der Weiblichkeit geworden, eben weil sie sich der Blicke der Männer stets bewusst war. Sie ist es, die Colin in der Badewanne singen sieht, und sie ist es auch, in die er sich verliebt. Einen Blick auf Norma Jeane Baker erhaschen weder Colin, noch dieser Film.
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