Originaltitel
Hannibal
Land
Jahr
2001
Laufzeit
131 min
Regie
Release Date
Bewertung
"I ate his liver with some fava beans and a nice Chianti." Es gibt nicht viele Filmfiguren, die sich auf ewig in der Erinnerung der Zuschauer manifestieren. Dr. Hannibal Lecter, der geniale Kannibale aus "Das Schweigen der Lämmer", gehört mit Sicherheit dazu. Und das war vor allem der Verdienst von Anthony Hopkins, der sich mit dieser Rolle in die Annalen der ganz großen Schauspielkunst eintrug. Mit fünf Oscars in den
wichtigsten Kategorien wurde die Verfilmung des Romans von Thomas Harris 1991 zu einem gigantischen Erfolg bei Kritik wie Publikum. Die Rufe nach einer Fortsetzung waren laut und zahlreich. Zehn Jahre später ist sie endlich hier.
Den meisten Respekt bei der Entstehung dieses Films muß man allerdings Romanautor Thomas Harris zollen: Trotz des Wissens, daß sein neues Buch direkt nach dem Setzen des letzten Punkts in einen Film umgewandelt werden würde, verfolgte der Schriftsteller unbeirrt seine eigene Linie (anders als z.B. Michael Crichton, der seit der "Jurassic Park"-Fortsetzung eigentlich nur noch mit der Verfilmung im Hinterkopf schreibt). Das Resultat war ein Werk, das aufgrund seiner Eigenwilligkeit teilweise als unverfilmbar angesehen wurde. So kapitulierte als erstes Ted Tally, der für die Adaption des ersten Teils einen Drehbuch-Oscar bekommen hatte. Er sah sich nicht imstande, aus der Vorlage ein vernünftiges Skript stricken zu können. Es übernahmen Oscar-Preisträger Stephen Zaillian ("Schindlers Liste") und Amerikas Dramaturg Nr. 1 David Mamet. Mit deren Arbeit zeigte sich dann aber Jodie Foster unzufrieden. Auch für richtig gutes Geld war sie nicht bereit, erneut in die Rolle der FBI-Agentin Clarice Starling zu schlüpfen. Als Ersatz wurde schließlich Julianne Moore engagiert, sicher keine schlechte Wahl. Auch bei der Crew hinter der Kamera geizten die Produzenten nicht mit großen Namen: Regisseur Ridley Scott brachte von seinem "Gladiator"-Triumph gleich Kameramann John Mathieson mit. Oscar-Preisträger Hans Zimmer war als Komponist auch wieder mit von der Partie, und den Schnitt erledigte mit Pietro Scalia ("JFK") ebenfalls ein Besitzer des Academy Awards. Es ist wohl durchaus berechtigt, bei einem solchen Projekt mit solchem Line-up eine gewisse
Erwartungshaltung aufzubauen. Daß diese schlußendlich enttäuscht wird, liegt genau an der Schwachstelle, die von vornherein auszumachen war: Das Drehbuch.
Zaillian und Mamet reduzierten den an Subplots nicht gerade armen Roman von Thomas Harris auf einen leicht verfolgbaren Handlungskern: Zehn Jahre nach Dr. Lecters Flucht ist Clarice Starling in der Hierarchie des FBI einige Stufen nach oben geklettert. Doch die Schatten der Vergangenheit holen sie wieder ein, als der schwerreiche Mason Verger mit neuen Hinweisen auf Lecters Aufenthaltsort an sie heran tritt. Verger überlebte als einziges Opfer des Kannibalen, ist seitdem aber schwer entstellt. Sein Motiv ist pure Rache: Er will Lecter leiden lassen und benutzt Starling lediglich als Köder. Eher zufällig entdeckt jedoch ein italienischer Polizist Dr. Lecter in Florenz. Sein Versuch, den Serienkiller selbst dingfest zu machen und dafür die von Verger ausgesetzte Belohnung zu kassieren, lockt das kranke Genie schneller als geplant aus der Reserve.
Die Grundstruktur der Story läßt es bereits erahnen: "Hannibal" ist die meiste Zeit ein Katz&Maus-Spiel, bei dem die ersehnte Konfrontation der Protagonisten lange auf sich warten läßt. Wenn dann nach über einer
Stunde endlich ein überrascht-amüsiertes "Hallo Clarice" durch ein Telefon kommt, lehnt sich der Zuschauer zwar befriedigt mit einem Lächeln auf den Lippen in seinem Sessel zurück, doch kann diese kurze Freude nicht über bereits hier offensichtliche Schwächen hinweg täuschen. Denn "Hannibal" leidet vor allem unter einer starken Vernachlässigung seiner Charaktere und leistet sich seinen größten Faux pas somit ausgerechnet da, wo "Das Schweigen der Lämmer" zu wahrer Größe aufstieg.
So ist von Clarice Starlings ursprünglicher Zerbrechlichkeit nichts mehr übrig geblieben. Es ist zwar naheliegend, anzunehmen, daß ihre früheren Erfahrungen sie abgehärtet haben, aber die neue Clarice ist mit dem Begriff "tough" bereits erschöpfend beschrieben, und das ist einfach zu wenig. Da kann auch die ansonsten grandiose Julianne Moore nicht viel herausreißen. Vielleicht lag hier der Grund für Jodie Fosters Absage: Diese Figur verliert fast vollständig ihre Substanz.
Eingebüßt hat leider auch Dr. Lecter, was jedoch auf andere Umstände zu schieben ist. Das Geniale an Hopkins' Leistung in "Das Schweigen der Lämmer" war, seine Figur auch in einer Hochsicherheitszelle hinter ausbruchsicherem Glas so bedrohlich wirken zu lassen, als stände Dr. Lecter direkt neben einem. Wenn er hier auftritt, in Freiheit, so ist das wie das Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Der bestialische Hintergrund ist immer noch da, aber die Angst will diesmal nicht so recht aufkommen. Da hilft es auch nichts, wenn Lecters Greueltaten in diesem Film recht detailliert gezeigt
werden, daß die Blutlachen enorme Ausmaße annehmen, und daß seine Aktivitäten beim "Festmahl" am Ende des Films einen Grad der Abartigkeit erreichen, der mit dem Wort grotesk unzureichend beschrieben ist. Lecters Aura ist ungebrochen, allein, das Diabolische ist weg.
Geradezu verschwendet wirkt die Besetzung von Gary Oldman als rachsüchtiger Mason Verger. Ausgestattet mit einer Maske, die man kaum noch als Gesicht bezeichnen kann, verschwindet der Akteur vollständig unter der drastischen Maskerade seiner verstümmelten Figur und kann so kaum Wirkung entfalten. Zudem bleibt Verger in seiner Fixiertheit komplett eindimensional. Die vierte Hauptperson, der italienische Polizist Rinaldo Pazzi, bietet zwar gute Ansätze, wird aber leider die meiste Zeit als Hindernis empfunden, das der Begegnung von Lecter und Starling im Weg steht. Und das wollen wir ja schließlich sehen.
Technisch betrachtet ist "Hannibal" so gut wie perfekt. Scott inszeniert mit sicherer Hand und wird dabei von Zimmer und Scalia in gewohnt brillanter Weise unterstützt. Hinzu kommt eine grandios ausgearbeitete Tonspur, die vor allem bei einer wilden Schießerei zu Beginn sehr beeindruckt. All diese handwerklichen
Meisterleistungen sind jedoch nur die Hälfte wert, wenn es der Handlung nicht gelingt, die Zuschauer zu packen. Die Beziehung von Lecter und Starling, nunmal ohne jede Diskussion das eigentliche Thema und Zentrum aller Erwartungen, wird viel zu lange vernachlässigt und kann so in der letzten Viertelstunde nur noch einige höchst interessante, aber nur bedingt nachvollziehbare Szenen einbringen. Das Drehbuch versäumt es, die Wandlungen seiner Charaktere zu verdeutlichen. Zu vieles bleibt im Unklaren, die Auflösung wirkt überhastet und läßt die rechte Spannung vermissen.
So muß für das relative Scheitern von "Hannibal" wohl ironischerweise jener Mensch verantwortlich gemacht werden, der eingangs für seine kompromisslose Vorlage noch gelobt wurde. Thomas Harris hat es in der Tat geschafft, ein Buch zu schreiben, daß sich als so unverfilmbar erwies, daß sich selbst zwei überaus fähige Drehbuch-Autoren (die übrigens auch das Ende abänderten) an der Überarbeitung die Zähne ausbissen. "Hannibal" ist ein guter Film, verlangt aber unausweichlich nach dem Vergleich mit dem Vorgänger, und verliert hier leider in jeder Hinsicht. Daher vielleicht doch noch einmal "Das Schweigen der Lämmer" auf Video. Und dazu einen schönen Chianti.
Einer der größten Feinschmecker |
Den meisten Respekt bei der Entstehung dieses Films muß man allerdings Romanautor Thomas Harris zollen: Trotz des Wissens, daß sein neues Buch direkt nach dem Setzen des letzten Punkts in einen Film umgewandelt werden würde, verfolgte der Schriftsteller unbeirrt seine eigene Linie (anders als z.B. Michael Crichton, der seit der "Jurassic Park"-Fortsetzung eigentlich nur noch mit der Verfilmung im Hinterkopf schreibt). Das Resultat war ein Werk, das aufgrund seiner Eigenwilligkeit teilweise als unverfilmbar angesehen wurde. So kapitulierte als erstes Ted Tally, der für die Adaption des ersten Teils einen Drehbuch-Oscar bekommen hatte. Er sah sich nicht imstande, aus der Vorlage ein vernünftiges Skript stricken zu können. Es übernahmen Oscar-Preisträger Stephen Zaillian ("Schindlers Liste") und Amerikas Dramaturg Nr. 1 David Mamet. Mit deren Arbeit zeigte sich dann aber Jodie Foster unzufrieden. Auch für richtig gutes Geld war sie nicht bereit, erneut in die Rolle der FBI-Agentin Clarice Starling zu schlüpfen. Als Ersatz wurde schließlich Julianne Moore engagiert, sicher keine schlechte Wahl. Auch bei der Crew hinter der Kamera geizten die Produzenten nicht mit großen Namen: Regisseur Ridley Scott brachte von seinem "Gladiator"-Triumph gleich Kameramann John Mathieson mit. Oscar-Preisträger Hans Zimmer war als Komponist auch wieder mit von der Partie, und den Schnitt erledigte mit Pietro Scalia ("JFK") ebenfalls ein Besitzer des Academy Awards. Es ist wohl durchaus berechtigt, bei einem solchen Projekt mit solchem Line-up eine gewisse
Giancarlo Giannini als Rinaldo Pazzi, der in Lecter ein besonderes historisches Interesse weckt. |
Zaillian und Mamet reduzierten den an Subplots nicht gerade armen Roman von Thomas Harris auf einen leicht verfolgbaren Handlungskern: Zehn Jahre nach Dr. Lecters Flucht ist Clarice Starling in der Hierarchie des FBI einige Stufen nach oben geklettert. Doch die Schatten der Vergangenheit holen sie wieder ein, als der schwerreiche Mason Verger mit neuen Hinweisen auf Lecters Aufenthaltsort an sie heran tritt. Verger überlebte als einziges Opfer des Kannibalen, ist seitdem aber schwer entstellt. Sein Motiv ist pure Rache: Er will Lecter leiden lassen und benutzt Starling lediglich als Köder. Eher zufällig entdeckt jedoch ein italienischer Polizist Dr. Lecter in Florenz. Sein Versuch, den Serienkiller selbst dingfest zu machen und dafür die von Verger ausgesetzte Belohnung zu kassieren, lockt das kranke Genie schneller als geplant aus der Reserve.
Die Grundstruktur der Story läßt es bereits erahnen: "Hannibal" ist die meiste Zeit ein Katz&Maus-Spiel, bei dem die ersehnte Konfrontation der Protagonisten lange auf sich warten läßt. Wenn dann nach über einer
Julianne Moore als Clarice Starling |
So ist von Clarice Starlings ursprünglicher Zerbrechlichkeit nichts mehr übrig geblieben. Es ist zwar naheliegend, anzunehmen, daß ihre früheren Erfahrungen sie abgehärtet haben, aber die neue Clarice ist mit dem Begriff "tough" bereits erschöpfend beschrieben, und das ist einfach zu wenig. Da kann auch die ansonsten grandiose Julianne Moore nicht viel herausreißen. Vielleicht lag hier der Grund für Jodie Fosters Absage: Diese Figur verliert fast vollständig ihre Substanz.
Eingebüßt hat leider auch Dr. Lecter, was jedoch auf andere Umstände zu schieben ist. Das Geniale an Hopkins' Leistung in "Das Schweigen der Lämmer" war, seine Figur auch in einer Hochsicherheitszelle hinter ausbruchsicherem Glas so bedrohlich wirken zu lassen, als stände Dr. Lecter direkt neben einem. Wenn er hier auftritt, in Freiheit, so ist das wie das Wiedersehen mit einem alten Bekannten. Der bestialische Hintergrund ist immer noch da, aber die Angst will diesmal nicht so recht aufkommen. Da hilft es auch nichts, wenn Lecters Greueltaten in diesem Film recht detailliert gezeigt
Moore bei einem Dinner der sehr bizarren Art. |
Geradezu verschwendet wirkt die Besetzung von Gary Oldman als rachsüchtiger Mason Verger. Ausgestattet mit einer Maske, die man kaum noch als Gesicht bezeichnen kann, verschwindet der Akteur vollständig unter der drastischen Maskerade seiner verstümmelten Figur und kann so kaum Wirkung entfalten. Zudem bleibt Verger in seiner Fixiertheit komplett eindimensional. Die vierte Hauptperson, der italienische Polizist Rinaldo Pazzi, bietet zwar gute Ansätze, wird aber leider die meiste Zeit als Hindernis empfunden, das der Begegnung von Lecter und Starling im Weg steht. Und das wollen wir ja schließlich sehen.
Technisch betrachtet ist "Hannibal" so gut wie perfekt. Scott inszeniert mit sicherer Hand und wird dabei von Zimmer und Scalia in gewohnt brillanter Weise unterstützt. Hinzu kommt eine grandios ausgearbeitete Tonspur, die vor allem bei einer wilden Schießerei zu Beginn sehr beeindruckt. All diese handwerklichen
einwandfreie Inszenierung nicht die unbefriedigende Handlung retten. |
So muß für das relative Scheitern von "Hannibal" wohl ironischerweise jener Mensch verantwortlich gemacht werden, der eingangs für seine kompromisslose Vorlage noch gelobt wurde. Thomas Harris hat es in der Tat geschafft, ein Buch zu schreiben, daß sich als so unverfilmbar erwies, daß sich selbst zwei überaus fähige Drehbuch-Autoren (die übrigens auch das Ende abänderten) an der Überarbeitung die Zähne ausbissen. "Hannibal" ist ein guter Film, verlangt aber unausweichlich nach dem Vergleich mit dem Vorgänger, und verliert hier leider in jeder Hinsicht. Daher vielleicht doch noch einmal "Das Schweigen der Lämmer" auf Video. Und dazu einen schönen Chianti.
Neuen Kommentar hinzufügen