In einer besseren Welt

Originaltitel
haevnen
Land
Jahr
2010
Laufzeit
113 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Margarete Prowe / 27. April 2011

Im Jahr 2007 wurde mit "Nach der Hochzeit" erstmals ein Film der dänischen Regisseurin Susanne Bier als Bester Fremdsprachiger Film für den Oscar nominiert. Es wäre durchaus ein würdiger Preisträger gewesen, doch in jenem Jahr wurde die anderen Kandidaten dieser Kategorie mehr als überstrahlt von Guillermo del Toros "Pan's Labyrinth" und dem späteren Sieger, Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen". Diesmal jedoch war es ein besseres Jahr für Dänemark (bzw. die Konkurrenz einfach nicht so stark) und Susanne Bier darf nun endlich auch einen Oscar ihr Eigen nennen: "In einer besseren Welt" wurde als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet, nach Gabriel Axels "Babettes Fest" 1988 und Bille Augusts "Pelle, der Eroberer" im Jahr 1989 erst der dritte Sieger aus Dänemark.
Hat Susanne Bier einen Oscar verdient? Unbedingt. Als Regisseurin ist sie eine brillante Chirurgin menschlicher Emotionen, geht ganz nah an ihre Figuren heran, die von Drehbuchautor Anders Thomas Jensen ("Brothers - Zwischen Brüdern", "Mifune") oft mit grausamsten Schicksalsschlägen konfrontiert werden, und gibt dem Zuschauer keine Chance auf Distanz, setzt ihm voll den Emotionen der Figuren aus. Das Publikum muss dabei viel aushalten, Biers Themenspektrum ist typisch für die dänische Dogma-Schule: Schmerz, Wut, Trauer und immer wieder Einsamkeit werden aus dem Innersten der Figuren in die äußere Welt gebracht. Bier & Jensen werfen die Figuren in ihren Filmen zusätzlich immer wieder in einen Strudel aus Gewalt. Angesichts des konsequent hohen Niveaus, auf dem Susanne Bier arbeitet, ist eine Anerkennung durch die Oscar-Akademie definitiv berechtigt.
Hat Susanne Bier für "In einer besseren Welt" einen Oscar verdient? Jein. Sicher, es handelt sich hier um einen Film, an dem man nur auf einem sehr hohen Niveau Kritik äußern kann, ein Level, das viele andere Filmemacher gar nicht erst erreichen; doch gibt es eben auch diverse Filme von Bier, die "In einer besseren Welt" klar überflügeln, neben "Nach der Hochzeit" sicher allen voran ihr beklemmendes Werk "Brothers - Zwischen Brüdern" oder ihr denkwürdiges Dogma-Debüt "Open Hearts".

Der Arzt Anton pendelt zwischen seiner humanitären Arbeit in einem afrikanischen Flüchtlingscamp und seiner Familie im ländlichen Dänemark. Die Ehe ist fast zerrüttet, die Kinder Elias und Morten leiden unter der Abwesenheit des Vaters und der frostigen Stimmung zwischen den Eltern, wenn er denn mal da ist. Der 12-jährige Elias ist eher still, wird in der Schule von stärkeren Mitschülern jeden Tag fertiggemacht und wehrt sich nicht, da sein Vater ihn lehrte, dass Gewalt nur weitere Gewalt erzeugt. Da kommt Christian in seine Klasse, der nach dem Krebstod seiner Mutter mit seinem Vater in die Gegend gezogen ist. Er hat mehrere Schulwechsel hinter sich und weiß, was man tut, wenn man angegriffen wird: man wehrt sich schnell und stark. Nur dann wird man für immer in Ruhe gelassen. Mit der Effektivität dieses Ansatzes konfrontiert, beginnt Elias an den Ratschlägen seines Vaters zu zweifeln.
Und auch in seiner eigenen Welt wird Antons pazifistische Weltsicht auf die Probe gestellt, als in Afrika immer wieder schwangere Frauen mit aufgeschlitzten Bäuchen in die provisorische Klinik kommen, in der Anton arbeitet. Die Frauen wurden von dem örtlichen Milizenboss namens "Big Man" aufgeschnitten, der mit seinen Männern Wetten darauf abschließt, ob eine Schwangere einen Jungen oder ein Mädchen in sich trägt - um dann höchstpersönlich und auf der Stelle nachzusehen.

Der gesamte Film ist angesiedelt auf dem schmalen Grat auf der man sich entscheidet zwischen Rache und Vergebung. Bier und Jensen beantworten diese Frage nicht offen, sondern wollen ihr Publikum dazu zwingen zu reflektieren, ob er oder sie in solch einer Situation selbst die Wange hinhalten würde. So kommt die potentielle Bedrohung für die Protagonisten hier weniger von außen, sondern aus ihnen selbst heraus - ihre Reaktionen bestimmen die Gefährlichkeit ihrer Situation.

In "Brothers - Zwischen Brüdern" verstanden es Bier und Drehbuchautor Jensen, sich auf einen zentralen Konflikt zu konzentrieren und gerade durch diesen klaren Fokus ein eindringliches und plausibles Werk zu schaffen, dem sich die Zuschauer emotional nicht entziehen konnten. Doch wo sich dort die Szenen in Afghanistan natürlich ins große Ganze des Films einfügten, erscheinen hier die Sequenzen in Afrika die Handlung in Dänemark weniger zu ergänzen, als von ihr abzulenken. Tatsächlich wäre "In einer besseren Welt" vielleicht ein besserer Film geworden, wenn Susanne Bier ganz daheim in Dänemark gedreht hätte, denn Motivation und Konflikt Antons hätten sicher auch herausgearbeitet werden können, ohne dass es dafür gleich die Ansiedlung seines Teilstrangs auf einem anderen Kontinent bedurft hätte. So fühlt man sich beim Hin und Her der Handlung zwischen dem nüchtern-kühlen Europa und der drückenden Hitze Afrikas manchmal erinnert an "Der ewige Gärtner", bekommt aber schlicht zu wenig Zeit am Handlungsort in Afrika geboten, als dass dieser zu mehr als bloß einem Nebenschauplatz des Geschehens werden kann. Zugleich sind Dramatik und Thematik dieses Segments zu dominant, um sich dem Rest des Films anzugliedern oder gar unterordnen zu können.

Entschädigt wird man für dieses leichte Ungleichgewicht jedoch von der absolut fantastischen Besetzung des Films. Obwohl "In einer besseren Welt" eigentlich für dänische Schauspieler geschrieben wurde, entschied sich Bier für den schwedischen Schauspieler Mikael Persbrandt, um den sanften Anton zu spielen, auch wenn Persbrandt eigentlich eher für seine Darstellung harter Polizisten bekannt ist. Persbrandt ist das visuelle Zentrum dieses Films und zeigt offen die Nöte seiner Figur. Bier gab in Interviews schon vor Jahren zu, dass sie ihre Besetzung auch bewusst nach Sexiness und Erotik aussucht. Für sie sind Schauspieler interessanter, die uns erotisch erscheinen. Da ist Persbrandt natürlich eine passende Wahl mit seinen wasserblauen Augen und dem Dreitagebart. Tryne Dyrholm ("Das Fest") ist als hysterische und verletzte Mutter ebenfalls emotional aufwühlend. Leider darf Ulrich Thomsen ("Adams Äpfel", "The International") als Christians Vater hier nur wenig zeigen, leuchtet aber in seinen wenigen Szenen umso strahlender. Mehr im Gedächtnis bleibt sein zwischen Wut und Trauer zerrissener Sohn, gespielt von William Jøhnk Nielsen, dem man angesichts seiner Leistung hier eine große Zukunft im dänischen Film zutrauen darf.
Auch die Kameraarbeit ist großartig. Auf voller Leinwand-Breite erstreckt sich der typische weite Himmel über dem flachen Dänemark und der ebenso flachen Savanne, über der die Wolken sich verbinden, aufreißen und vorüberziehen. Der dänische Originaltitel "Hævnen" (Himmel) erscheint ob dieser Stimmungen passender und vielschichtiger als das etwas zu plump dramatische "In einer besseren Welt".

In der Umsetzung fraglos gleichwertig mit Biers und Jensens bisherigen Filmen, erreicht "In einer besseren Welt" dennoch nicht ganz deren emotionale Resonanz und ist entsprechend zwar wirklich gut, aber eben nicht überragend. Trotzdem ist es zu begrüßen, dass Susanne Bier endlich einen Oscar mit nach Hause nehmen durfte. Umso beruhigter und berechtigter kann sie sich dann nun ein wenig vom ganz schweren Drama abwenden: Bier hat derzeitig genug von Konflikten und will etwas mehr Komik in ihr nächstes Werk hineinbringen: "All you need is love", eine dänische Tragikomödie. Entspannen und amüsieren bei einem Bier-Film - man gönnt es der Filmemacherin und ihrem Publikum.

Bilder: Copyright

4
4/10

### WAS FÜR EIN AN DEN HAAREN HERBEIGEZOGENER KÄSE! ###

Ein schon durch viele Länder gereister Zwölfjähriger beschließt, das Auto eines x-beliebigen Prolls mit einer Rohrbombe in die Luft zu jagen, weil dieser dem ihm weitgehend unbekannten Vater eines ihm auch nicht sonderlich vertrauten Klassenkameraden eine leichte Ohrfeige verpasst hat? Mit einer Rohrbombe wohlgemerkt, die er anhand einer Internet-Anleitung aus ein paar Feuerwerkskörpern bastelt? Wonach bitteschön hat er denn da gesucht?? "Google Feuerwerkskörper Rohrbombe Peng"???

Von einem "schmalen Grat zwischen Rache und Vergebung" kann da wohl keine Rede sein. So eine Story malt man sich aus, wenn man mit seinen Bohème-Freunden bei einem Glas Merlot über die Counterstrike-Generation philosophiert, ohne tatsächlich einen Bezug zu ihr zu haben. Dagegen ist "300" ja ein Meisterwerk an Glaubwürdigkeit und Authentizität!

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10
10/10

Dieser Film ist großartig. Hier hat er die selbe Wertung wie Unknown Identity, einem 08/15 Hollywoodthriller bekommen. Dieser hat mehr verdient. Also 10 Punkte.

Weil dieser Film ganz großes Kino ist. Große Emotionen, spannend, anspruchsvoll, interessant, gute Schauspieler, glbauwürdige Dialoge.

JA!

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8
8/10

Super Film, aber was heißt Hævnen nun wirklich? Auf Wikipedia steht, dass es "Rache" bedeutet.

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