Als das erste Mal von diesem Film die Rede war, stand noch Schlimmes zu befürchten: Wir schrieben das Jahr 2005, der Kooperationsvertrag zwischen den Animations-Pionieren von Pixar und dem Disney-Konzern, der den Verleih der Pixar-Filme übernommen hatte, näherte sich seinem Ende, und weil Disney für eine Verlängerung des Kontrakts nicht soviel zahlen wollte, wie Pixar verlangte, sah es für ein paar Monate tatsächlich so aus, als würden sich die Wege von Disney und Pixar trennen. In dieser Zeit wurde die "Toy Story"-Reihe, Ursprung und Herz von Pixars Ruhm, auf einmal zur psychologischen Verhandlungsmasse, da Disney die Rechte an den Filmen hielt und ankündigte, dass man sich ohne die eigentlichen Erfinder der Filme an eine weitere Fortsetzung machen werde, falls Pixar eigener Wege ginge.
Zum Glück gab es ein Happyend, nicht nur bei den Vertragsverhandlungen, die sich schließlich in Luft auflösten, als Disney Pixar nicht gehen ließ, sondern für die gigantische Summe von 7,4 Milliarden Dollar komplett aufkaufte und Pixar-Gründer John Lasseter zum Kreativ-Chef der gesamten Animationssparte des Konzerns erhob; sondern auch für die Entwicklung von "Toy Story 3", denn nachdem Disney und Pixar auf ewig vereint waren, ging diese tatsächlich los - und zwar unter Federführung der Pixar-Kerncrew, die schon die beiden ersten, so unvergesslichen Filme hervorgebracht hatte.
Da sind wir also wieder, zehn Jahre später, im Kinderzimmer von Andy, und die meisten seiner altbekannten Spielzeuge sind immer noch da: Cowboy Woody und Cowgirl Jessie, Space-Ranger Buzz Lightyear, Slinky, der Hund, Rex, der ängstliche Dinosaurier, Herr und Frau Kartoffelkopf und Hamm, das Sparschwein. Doch im Leben von Andy steht eine große Veränderung an, und damit auch für seine Spielzeuge: Andy ist groß geworden und steht kurz vor der Abreise ans College, sein Kinderzimmer wird entrümpelt und es heißt, sich von liebgewonnenen Erinnerungen - und Spielzeugen - zu verabschieden. Die Spielzeug-Bande hat sich ganz gut damit abgefunden, dass sie jetzt bald ihren "Altersruhesitz" auf dem Dachboden beziehen werden. Einzig Woody landet in Andys College-Kiste, doch durch einen unglücklichen Zufall bei Andys lustloser Aufräumerei drohen die anderen Spielzeuge, nicht auf dem Speicher, sondern im Müllwagen zu landen. Eine spektakuläre Befreiungsaktion später findet sich die Truppe samt Woody immerhin nicht im Müll, dafür aber als gespendete Spielzeuge in einer Kindertagesstätte wieder, wo sie viele neue Bekannte machen, wie den Knuddelbär Lots-O'-Huggin' (kurz: Lotso) und Barbies Seelenpartner Ken. Doch was sich zunächst ausnimmt wie das Alters-Paradies für Spielzeuge, wo es einen niemals endenden Nachschub an glücklichen Kindern gibt, die gerne mit einem spielen, entpuppt sich für Woody, Buzz und Co. plötzlich als Vorhölle, aus der es kein Entrinnen mehr zu geben scheint….
Einmal mehr gelingt es der Pixar-Crew mit "Toy Story 3", eine Geschichte zu erzählen, von der sich wirklich alle Altersgruppen angesprochen fühlen können. Die Kleinen sowieso, aber auch deutlich ältere Semester (die ja schon bei Pixars Vorjahres-Hit "Oben" die gar nicht so heimliche Kernzielgruppe waren) werden sich im emotionalen Zentrum des Films wiederfinden, geht es im Kern doch um die Schwierigkeiten der Spielzeug-Truppe, sich mit dem eigenen Altern und ihrem Übergang in den "Ruhestand" zu arrangieren (was thematisch ja schon in "Toy Story 2" anklang in der Angst der Spielzeuge vor dem Tag, da ihr Besitzer Andy keine Verwendung mehr für sie haben würde). Tatenlos zusehen zu müssen, wie Andy sich aufs College verabschiedet, ist für sie emotional genau dieselbe Erfahrung, die Eltern von erwachsenen Kindern in diesem Moment machen. Und jeder, der diesen Schritt aus dem eigenen Elternhaus hinaus hinter sich gebracht hat, wird sich ebenfalls in diese Situation einfühlen können.
Bei all dieser sanft sentimentalen Emotionalität soll aber nicht der Eindruck entstehen, dass es bei "Toy Story 3" nichts zu lachen gäbe, denn in Gag-Dichte, Tempo und Einfallsreichtum liefert die Pixar-Crew ihre gewohnt hohe Qualität ab, und man kann sich an mehreren Stellen wirklich halb tot lachen (Stichwort: Buzz Lightyears Demo-Modus). Dabei erweist sich die "Toy Story"-Welt einmal mehr als ein wahrlich großartiges Film-Universum, das mit seiner besonderen Perspektive, die Welt aus Sicht von Spielzeugen zu betrachten, endlose Möglichkeiten und Inspiration für zahllose Späße und Ideen bietet. Parade-Beispiel sind die Einführungsszenen in der Kindertagesstätte, als in kaum zwei Minuten mal eben ein gutes Dutzend neuer Figuren vorgestellt wird, eine witziger als die andere.
Trotzdem muss man auch eingestehen, dass "Toy Story 3" in seinem Mittelteil ein wenig die Rasanz verloren geht, und es für kurze Zeit etwas behäbig wird auf der Leinwand, eine kleine Spanne, über die der Film halt "nur noch" echt gut und eben nicht mehr echt großartig ist. Das ist am Ende jedoch fast wieder vergessen, denn der Film wird eingerahmt von zwei absolut fabulösen Action-Sequenzen. Gleich zur Eröffnung gibt es eine Spielwelt-Fantasie-Sequenz, die mit großem Spaß reihenweise Actionfilm-Klischees aufs Korn nimmt und sich mit Wonne in den Möglichkeiten der 3D-Technik austobt (jupp, auch diesen Film kann man sich mit 3D-Brille angucken, wofür hier eine eindeutige Empfehlung ausgesprochen sei).
Diese Eröffnung wird in ihrem Spektakel aber noch mühelos ausgestochen vom großen Showdown, der wahrlich seinesgleichen sucht. Ohne zu verraten, was da passiert, geschweige denn wo, sei nur soviel gesagt: Diese Sequenz ist in Konzeption und Ausführung ein schlichtweg geniales Bravourstück; in Dramatik, Intensität und "Da kommen die niemals lebend raus!"-Hochspannung so meisterhaft auf die Spitze getrieben, dass einem selbst als alter Kino-Hase noch Angst und Bange werden kann.
Es ist der abschließende Höhepunkt eines durch und durch gelungenen Films, sicher der beste "Teil Drei", den es in der Filmgeschichte bisher gegeben hat (und bevor die empörten Diskussionen los gehen: hier sind von vornherein als geschlossene Trilogie konzipierte Filmreihen ausdrücklich ausgenommen, "Herr der Ringe"-Fans können also beruhigt sitzen bleiben). Und wenn dann das Ende naht und es noch einmal unverhohlen nostalgisch wird, dann muss man sich auch der eigenen Träne im Augenwinkel nicht schämen. Denn hier geht ein großes, wegweisendes Stück Kinogeschichte wohl endgültig zu Ende. Und im Gegensatz zu den schlimmen Befürchtungen, die man vor fünf Jahren vielleicht mal hatte, ist man dankbar und glücklich, dass man noch einmal in dieses wundervolle Universum eintauchen durfte.
Neuen Kommentar hinzufügen