Invictus

Originaltitel
Invictus
Land
Jahr
2009
Laufzeit
125 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 11. Juni 2010

Kürzlich in der U-Bahn: "Alter, haste Lust den neuen Film von Clint Eastwood zu sehen?"
"Hmm, worum geht's denn?"
"Um Sport. Rugby oder so."
"Ach du Schande, wen interessiert das denn?"
"Ja nee, das geht nicht nur um Sport, da spielt doch auch der Morgan Freeman mit als Nelson Mandela."
"Häh?! Seit wann spielt Nelson Mandela denn Rugby? Und ist der nicht schon hundert oder so?"
"Nein, Mann, Mandela selbst spielt doch kein Rugby. Der Film erzählt, wie er 1995 oder so das südafrikanische Rugbyteam unterstützt hat, um nach dem Ende der Apartheid die Vereinigung seines Landes voranzutreiben."
"Ach so. Und wer ist das Goldlöckchen auf dem Plakat?"
"Das ist Matt Damon, Mensch! Der spielt François Pienaar, den Kapitän der Rugby-Nationalmannschaft, der aus einem Team von Lappen eine Siegertruppe formt."
"Hmmm, klingt ja irgendwie altbekannt. Wie heißt denn das Teil?"
"'Invictus'"
"Heilige Hölle, was ist'n das für'n Titel...?"

Und hier blenden wir uns aus diesem garantiert nicht authentischen Dialog aus, um nur kurz anzumerken, dass sich der ungewöhnliche Titel des Films auf ein Gedicht von William Ernest Henley bezieht, welches im Film sowohl Mandela als dann auch Pienaar Inspiration spendet. Apropos Inspiration. Da kommen wir schon zum Hauptproblem von Clint Eastwoods neuem Film "Invictus", der ein klares Beispiel dafür ist, wie die Stärken eines Filmmachers gleichzeitig auch seine Schwächen sein können. Das Alterswerk Eastwoods stach bislang durch eine simple Eleganz hervor, die an Hollywoods goldene Ära erinnert: handwerklich ausgesprochen solide gearbeitete Filme, die gerade dadurch zwischen den mit CGI-Effekten und MTV-Ästhetik geschwängerten Streifen der modernen Generation von Filmemachern heraus stachen.
Viel hat dies mit Eastwoods Inszenierungsstil zu tun, der generell ein "Zwei Takes und dann ausdrucken"-Regisseur ist und schon immer war. Ähnlich Besessenen wie etwa David Fincher oder Terry Gilliam eine Einstellung dutzend, ja hundertfach wiederholen zu lassen, bis auch das letzte und kleinste Detail so ist, wie sie sich das vorstellen, war nie die Sache von Eastwood, des straight shooter im Leben und auf Zelluloid. Er kommt ans Set, dreht ein Drehbuch normalerweise zu einhundert Prozent so wie es geschrieben ist, und macht generell wenig Aufhebens während seinen Drehs. Dies verleiht seinen Filmen ihre altmodische Einfachheit und schlichte Eleganz, macht ihn aber auch ganz vom Drehbuch abhängig und verbietet sich jedes Risiko, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Böse gesprochen: Eastwood ist ein "langweiliger" Regisseur. Das war bisher eigentlich seine Stärke, denn im Meer der sich überschätzenden oder über-inszenierenden Kollegen waren Eastwoods heimelige Filme deswegen so eine Wohltat und Erinnerung an gute alte Zeiten. Was aber tut ein langweiliger Regisseur mit einem relativ langweiligen Script?

Er setzt es so um, wie er es gewohnt ist, natürlich. Und das ist handwerklich absolut hochwertig, gut gespielt, absolut vorhersehbar und eben ein kleines bisschen langweilig. Das Schlimmste, was man über "Invictus" sagen kann, ist eben genau das: Es ist ein gut gemachter Film, der eben genau das liefert, was man von ihm erwartet: Keine Schnörkel, keine Schlenker, keine Mätzchen. Man erwartet: ein inspirierendes Sportdrama mit gegenseitiger Versöhnung und Verständnis. Und das bekommt man auch. Die Dialoge verlaufen ziemlich genau so, wie man sie sich vorgestellt hat. Eigentlich verläuft alles ziemlich genau so, wie man es sich vorgestellt hat. Morgan Freeman hält als Nelson Mandela weise und salbungsvolle Reden, die natürlich immer genau den richtigen Ton treffen und vor Weisheit und Güte schier bersten. Matt Damon als Rugbykapitän hat so gut wie nichts zu tun, außer diese Reden anzunehmen und ein paar motivierende Sprüche zu bringen, die sein Team mitreißen sollen.
Hier liegt schon eines der Probleme von "Invictus" offen, denn Freeman-als-Mandela hat offenbar genug Charisma für zwei, oder warum hat man vergessen, François Pienaar interessante Charaktereigenschaften oder gar eine richtige dramatische Entwicklung mitzugeben? Dies trifft leider auf jede einzelne Figur hier zu. Der schwarze Chef der Leibgarde (Tony Kgoroge) des Präsidenten misstraut den weißen Kollegen, die früher für den Feind arbeiteten, aber im Rugbyfieber gibt es dann natürlich doch anerkennende Blicke, stille männliche Anerkennung oder ein paar ganz zarte Männerumarmungen. Pienaars Kollegen sind am Anfang ein wenig rassistisch, aber nicht genug, um sie uns unsympathisch zu machen, und sie sind relativ ungewillt, als Maskottchen von Mandelas Versöhnungskampagne zu dienen. Beides ändert sich relativ schlagartig, ohne dass sich Autor Anthony Peckham oder Regisseur Eastwood wirklich die Mühe machen, diese schwierigen Prozesse zu zeigen. Es muss wohl die simple Berührung durch Mandelas Heiligenschein gewesen sein, denn schwupps, schon sind die "Springboks" (der Spitzname des südafrikanischen Rugby-Teams) geläutert und auch in der Öffentlichkeit, in der sie verlacht bis verhasst waren, beliebt. Dies nicht in den einfachsten und offensichtlichsten Bildern zu zeigen und dabei auch die Brüche nicht zu vergessen, daran scheitert Eastwood mit "Invictus".
Sein Plädoyer für Versöhnung, Vergebung und gemeinsame Inspiration ist so dermaßen bieder und offensichtlich gehalten, dass es sich nur marginal von inspirierenden Sportdramen von der Stange unterscheidet. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit und ein bisschen mehr Mut zu unangenehmen Wahrheiten hätte hier nicht geschadet. Denn von der hier beschworenen nationalen Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß ist Südafrika auch anderthalb Jahrzehnte später noch sehr weit entfernt, wohl noch weiter als damals. Gewalt, Korruption und die anderen das Land beutelnden Probleme werden hier beiläufig erwähnt, zeigen tut Eastwood davon indes nichts.
Und auch das Finale der damaligen Rugbyweltmeisterschaft, mit dem der Film in klassischer "Underdog gegen Übermannschaft"-Manier mit kaum überraschendem Ausgang endet, ist bei Rugbyfans mehr berüchtigt als berühmt, da die halbe Mannschaft des Final-Gegners aus Neuseeland von einer mysteriösen Lebensmittelvergiftung betroffen war, über deren Quelle bis heute gemutmaßt wird (die Theorien reichen vom mutwilligen Vergiften durch die südafrikanische Wettmafia bis zu saurer Milch). Das wird hier freilich mit keiner einzigen Silbe erwähnt, würde es doch das Goliath-Image des Neuseeland-Teams gehörig ins Wanken bringen, das der Film (mehr schlecht als recht) aufgebaut hat, und es passt natürlich auch nicht zu der herzerwärmenden Geschichte des schlappen Verlierertrupps, der sich durch neu entdeckten Stolz auf ein sich vereinendes Land zum Sensationssieger mausert.

Sein spät entdeckter Humanismus und die, jawoll, relativ liberalen Tendenzen des früheren kalten Kriegers Eastwood können dieses Mal nicht über die kreuzkonservative Machart und das eben so konservative Anliegen hinwegtäuschen. Da kann Morgan Freeman wie erwartet gut spielen in der Traumrolle des Nelson Mandela, er hilft dem Film nur ebenso bedingt weiter wie die elegante Kamera und das ganze ausgesprochen professionelle Paket drumherum. Dabei gelingt Eastwood natürlich sehr wohl der gewünschte Effekt: Wenn in bester Tradition des Sportfilms in den entscheidenden Minuten die Zeitlupe herangeschafft wird um die Dramatik zu verschärfen, und Bilder, Ton und Musik feierlich die "Rocky"-Tradition des Außenseiters beschwören, möchte man natürlich auch im Kinositz aufspringen und in die "Bokke, Bokke"-Rufe einstimmen. Aber wenn man zu doll merkt, wie einen Manipulationskino manipuliert, kann dies nur ein emotionales Strohfeuerchen, ja eine Sparflamme ergeben. Und aufgrund des Vermeidens jeglichen Risikos bleibt das Flämmchen auch auf dem Niveau.
"Invictus" ist handwerklich so gut gemacht, dass man dem Film nicht eine gehobene Grundqualität absprechen kann. Aber etwas mehr Mut und etwas weniger Pathos hätte hier gut getan, vielleicht auch die eine oder andere kritischere Anmerkung. So bleibt dies grundsolides Kino alter Schule für Leute, die gerne schon vor dem Vorspann wissen möchten, was sie beim Abspann fühlen werden.

Bilder: Copyright

10
10/10

Herr Staake hat recht: Hier werden Charaktere kaum entwickelt und es werden viele Probleme ausgeblendet. Allerdings hätte man, um die involvierten Persönlichkeiten und die Probleme mit der Überwindung der Apartheid in all ihren Facetten zu erfassen, nicht einen Film von zwei Stunden sondern eine Serie gebraucht. Aber ich denke, darum ging es Eastwood gar nicht. Ihm ging es wie bereits bei Gran Torino um die Botschaft. Die lautet: Wenn wir die Konflikte dieser Welt, in denen viel Unrecht geschehen ist, lösen wollen, dann geht das nicht mit Rache und Gewalt, sondern mit Vergebung und Nächstenliebe. Das hat Mandela vorgelebt und dafür hat er den Friedensnobelpreis bekommen. Und wenn es einen Friedensnobelpreis für Regisseure gäbe, würde ich ihn Clint Eastwood verleihen. Denn ich finde, er hat die Botschaft filmisch hervorragend umgesetzt, und dazu noch sehr spannend. Mich hat der Film (auch wenn die Botschaft langweilig und altmodisch erscheinen mag) durchgehend gefesselt und gut unterhalten.

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10
10/10

Super gut gemachter Film einfach Genial !!

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1
1/10

So einen langweiligen Film habe ich selten gesehen

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6
6/10

Kann mich der Rezension anschließen, der Film erinnert an die "üblichen" Sportfilme, die man so kennt, nur ausnahmsweise den herausragenden Schauspielern Freeman & Damon und natürlich einer (heutzutage schon standmäßigen) modernen vefilmung. Die Agentenstory, die Nelsongeschichte, beide leider so kurz erzählt, dass sie auch überflüssig gewesen wären; nur dann wäre ja gar nichts mehr vom Film übrig geblieben :/

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