Taking Woodstock

Originaltitel
Taking Woodstock
Land
Jahr
2009
Laufzeit
120 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Patrick Wellinski / 9. Juni 2010

Dieser Film hat einen gewissen unangenehmen Beigeschmack. Denn pünktlich zum 40. Jubiläum des legendären Woodstock Festivals kommt der passende Film in die Kinos. Ist "Taking Woodstock" also nur ein Produkt unter den vielen unterschiedlichen Fernsehsendungen, Büchern und Dokumentarfilmen, die das Andenken an Woodstock hochhalten wollen? Ang Lee bezeichnet diese Umstände als unglücklich. Doch man kommt nicht umhin, hier eine clevere Marketingstrategie zu erkennen. Dennoch muss man sich von diesen Gedanken frei machen, wenn man auf "Taking Woodstock" blicken möchte.

Nach gefeierten Dramen, wie "Brokeback Mountain" und "Gefahr und Begierde" hat Ang Lee das Genre gewechselt und präsentiert nun eine Komödie. "Taking Woodstock" erzählt die Geschichte des schüchternen Elliot Teichberg (Demetri Martin), der verzweifelt versucht das heruntergekommene Motel seiner Eltern im kleinen Örtchen Bethel im Bundesstaat New York vor der Zwangsvollstreckung zu retten. Dabei sind ihm seine eigensinnige und cholerische Mutter (herausragend: Imelda Staunton) und der sehr stille Vater (Harry Goodman) keine Hilfe. Als Elliot in der Zeitung liest, dass einer Gruppe von Hippies die Zulassung zu einem Open Air Festival entzogen wurde, will er sein Grundstück als alternativen Veranstaltungsort anbieten. Doch leider zeigt sich, dass das Grundstück seiner Familie ungeeignet für das Vorhaben ist. Doch Elliots Geistesblitz führt die Veranstalter zu einem großen, unbebauten Feld des Nachbarn Max Yasgur (Eugene Levy). Man wird sich schnell einig: Hier soll das Konzert steigen. Weder Max noch Elliot noch die Veranstalter ahnen, welches unglaubliche Ausmaß dieses Open Air Festival annehmen wird….

Ang Lee lässt sich viel Zeit, bevor er das eigentliche Festival steigen lässt, und selbst als dann Musiklegenden wie Hendrix, Joplin oder Cocker ihre Auftritte haben, sieht man sie nicht. Man hört sie auch kaum, man vernimmt nur einen gewissen Beat aus der Ferne. Lee fokussiert sich auf die Familiengeschichte. Er zeigt, wie angespannt das Verhältnis zwischen Elliot und seinen Eltern ist, wie die Eltern untereinander umgehen und wie die Schwester jeglichen Kontakt zu ihnen abgebrochen hat. Somit wird die turbulente Festivalzeit für die Familie zur Zerreißprobe und für Elliot zu jenem Moment, an dem er sich endlich von ihr lossagen kann. Damit ist "Taking Woodstock" ein nahezu klassischer Coming-Of-Age-Film geworden.
Auf der anderen Seite versucht Lee ein Panorama jener Zeit zu erschaffen. So versinkt Elliots Kumpel Billy (Emile Hirsch) als Vietnamveteran in schweren Depressionen und kann nicht zurück in den Alltag finden. Die Hippies werden von einigen konservativen Dorfeinwohnern beschimpft, die Polizei kreist verschwörerisch um das ganze Geschehen und einige Idioten schmieren antisemitische Sprüche an das Motel der Teichbergs.

"Taking Woodstock" profitiert davon, dass Lee nicht nur mit den bekanntesten Gesichtern Hollywoods arbeitet. Mit Demetri Martin hat er sogar einen nahezu völlig unbekannten jungen Darsteller für die Hauptrolle besetzt. Neben der brillanten Imelda Staunton, als Muttermonster, die niemandem etwas gönnt, überzeugt zudem Liev Schreiber als transsexueller Polizist Vilma.
Leider fehlt Lee diesmal aber das Händchen für die unvergesslichen Bilder, die seine letzten beiden Meisterwerke so einprägsam machten. Der Regisseur schafft es nur einmal - und das noch während Elliots LSD-Trip - einen fast schon surrealen Moment zu schaffen. Der Rest bleibt zwar nett und detailgetreu, allerdings war's das auch schon. Wie auch das Standardmotiv von Ang Lee, der Familienkonflikt, in diesem Werk keine besonders einfallsreiche Variation erfährt. Die Leichtigkeit von "Das Hochzeitsbankett", die Lee hier phasenweise heraufzubeschwören versucht, läuft allzu oft ins Leere.

"Taking Woodstock" ist bei Leibe kein schlechter Film geworden, vielmehr ist er eine verpasste Chance. Da hilft es auch wenig, dass es Lee wunderbar gelingt zu zeigen, wie Elliot seine eigene Homosexualität entdeckt. Dem Film gelingt es nicht die Familiengeschichte im Zeitpanorama aufgehen zu lassen. Das sorgt für ein merkliches dramaturgisches Ungleichgewicht. Damit fehlt es dem Film zwar an einer Komplexität, die beispielsweise ein Robert Altman hier hätte erzeugen können, er bleibt aber dennoch sicherlich einer der besseren Sommerfilme dieses Jahres.


 


7
7/10

Demetri Martin: "nahezu völlig unbekannt"??????????????? Wem denn bitte?

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6
6/10

Holla, haben wirklich so wenige diesen Film gesehen...?

Ich war auch erst letztens auf DVD dabei - und bin doch deutlich enttäuscht, weil ich von Ang Lee nach seinem brillianten "Eissturm" mehr erwartet hatte.
Vielleicht sollte es eine Hollywood-Regel geben: Filme über die Musik der 70er und 80er Jahre sollten vor allem von Cameron Crowe gedreht werden. Denn er liebt dieses Musik, mit allen ihren Absurditäten und Überdrehtheiten.
Nun könnte man einwenden: Lee hat ja gar keinen Film über Musik, über Woodstock gedreht, sondern über einen Typen am Rande der ganzen Sache - die im Nachhinein vielleicht viel wichtiger genommen wurde als zur damaligen Zeit. Dieser Kunstgriff ist auch das Besondere, eigentlich Gelungene an diesem Film. Es ermöglicht eine andere, neue Perspektive auf Woodstock.
Aber: das Festival, die Zeit, die Musik - das bleiben ja dennoch die Themen auch in diesem Film. Und hier kann Lee sich leider nicht richtig entscheiden, was er eigentlich will: Den ganzen Hippie-Hype karikieren (die Organisatoren kommen per Hubschrauber und mit einem Heer von Anwälten), eine emotionale Familiengeschichte erzählen, inklusive der Thematisierung jüdischer Identität (wobei die geldgierige Mutter mir da schon etwas zu viel jüdisches Klischee ist)? Doch die Athmosphäre und die Musik der Zeit und des Ortes darstellen (inkl. LSD-Trips, Nackt-Theater etc.)?
Der Regisseur will sich nicht festlegen, und so bleibt vieles belanglos, ohne Herz. Die teilweise gelungenen Szenen (z.B. die Motorradfahrt zum Festivalgelände, vorbei an zig Statisten und Ausstattungen) werden so entwertet. Es ist schwer, vorher sich über die ganzen Hippies lustig zu machen und dann doch wieder zu versuchen, das Besondere, den Aufbruch einzufangen.

Im "Eissturm" war es gelungen, sehr verschiedene Blickwinkel auf eine Zeit zu einem Film zu integrieren, inklusive komischer, trauriger und kritischer Momente. Bei "Taking Woodstock" klappt das nicht, weil uns Woodstock im Laufe des Films immer 'egaler' wird.

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