Es sah fast so aus, als würde sich die
gute Helen Hunt auf ihrem Oscar ausruhen. Drei Jahre lang war
sie abstinent von der Leinwand im Anschluß an ihren großen
Durchbruch in „Besser geht’s nicht“. Doch wer glaubte, sie hätte
sich auf die faule Haut gelegt, wurde eines besseren belehrt.
Dank stark variierender Produktionslängen kommt mit „Das
Glücksprinzip“ bereits der vierte Film innerhalb von vier
Monaten in die Kinos, in dem die charismatische Blondine den
Gegenpart zu einem nicht minder bekannten Herren einnimmt. Nach
Tom Hanks („Verschollen“),
Richard Gere („Dr. T and the Women“)
und Mel Gibson („Was Frauen wollen“)
jetzt schlußendlich Kevin Spacey. Und als ob das nicht
genug wäre, gibt’s als Zugabe auch noch Haley
Joel
Osment, jenes Wunderkind der Schauspielkunst, dem seit „The
sixth sense“ der doppelte Oscar-Gewinn vor Bestehen der
Führerscheinprüfung zugetraut wird. Eine Bombenbesetzung
also, mit der eigentlich fast nix mehr schief gehen kann. Aber
wie so oft ist Extraklasse in einer Kategorie noch lange keine
Garantie für ein brillantes Gesamtergebnis.
Am Anfang von „Das Glücksprinzip“ steht der übereifrige Journalist Chris Chandler (Jay Mohr), der von einem Wildfremden einen Jaguar geschenkt bekommt. Mit ordentlich Nachhaken und viel Recherche erfährt Chandler
von
einem Schneeballsystem des Mitgefühls: Jeder Beteiligte
hilft drei wildfremden Menschen aus einer Notlage, die wiederum
drei anderen helfen und so weiter. Eine gute Story witternd,
macht sich der findige Reporter auf die Suche nach dem Ursprung
des Ganzen. Der liegt bei dem kleinen Trevor (Osment), der von
seinem neuen Sozialkundelehrer Eugene Simonet (Spacey wie weiland
Joschka Fischer in Krawatte und Turnschuhen) die Aufgabe bekommen
hat, einen Plan zu entwickeln, wie die Welt verbessert werden
könnte. Das Weitergeben guter Taten war Trevors Idee. Wie
gut diese tatsächlich funktioniert ist dem Kurzen aber
völlig unklar, scheinen seine eigenen Projekte doch allesamt
zu scheitern. Vor allem die Verkupplung seiner alkoholkranken
Mutter Arlene (Hunt) mit Mr. Simonet erweist sich als äußerst
schwierig, was jedoch an äußeren und inneren Narben
der Vergangenheit liegt, die Trevor weder kennen noch verstehen
kann. Aus dieser einfallsreichen Dreieckskonstellation heraus hätte sich sowohl eine tränenrührige und gleichzeitig leichte romantische Komödie entspinnen können (aber zum Glück spielt nicht Robin Williams die Hauptrolle), als auch ein tiefgehendes Charakterdrama über vom Leben schwer gezeichnete Menschen. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Wie bei so vielen anderen Projekten ist das große Manko von „Das Glücksprinzip“ der
Versuch,
zwei Dinge unter einen Hut zu bringen, was so gut wie nie hin
haut. Relativ unentschlossen pendelt die Geschichte zwischen
Trevor’s genial-einfachem Plan und seinen Auswirkungen und der
langsam und vorsichtig aufknospenden Beziehung zwischen Arlene
und Mr. Simonet. Dabei ist schwer zu sagen, welche Gewichtung
eigentlich besser gewesen wäre: Die offensichtliche Moral
hinter dem Weitergeben, daß die Welt mit wenig Aufwand
nicht ganz so beschissen wäre, wenn nur alle mitmachen
würden, kommt überraschend unprätentiös
rüber. Dies ist auch den ungemein vitalen Darstellungen
der Weitergebenden zu verdanken, die zwar alle relativ kurze,
dafür aber prägnante Auftritte haben und der Idee
so einen realistischen Touch verleihen, der in der Tat daran
glauben läßt, so etwas könnte funktionieren.
Auf der anderen Seite spielen Spacey und Hunt zwei sehr genau
ausgearbeitete Charaktere, die sich trotz aller Hindernisse
aus der eigenen Vergangenheit aufeinander einzulassen versuchen,
was zu
nicht
wenigen Szenen großer Schauspielkunst führt (hier
hat Helen Hunt übrigens ganz klar die Nase vorn. Sie spielt
ihren prominenteren männlichen Gegenpart ein weiteres Mal
an die Wand). Eigentlich möchte man beide Plots in ihrer
vollen Entfaltung sehen, was nicht geht, wodurch sie sich gegenseitig
das Wasser abgraben. Resultat hieraus ist eine gewisse Distanz zwischen Zuschauer und Geschichte, die der Film niemals wirklich abbauen kann. Was jedoch besonders unangenehm auffällt ist ein beinahe komplett verhunztes Ende. Ohne jede dramaturgische oder realistische Vernunft verwandelt sich „Das Glücksprinzip“ in den letzten zwei Minuten in einen gnadenlos überzogenen Tränenschocker, auf das kein Auge im Saal trocken bleibe. Womit nicht nur Verrat an der eigentlichen Grundidee begangen wird, sondern auch an der angenehmen Zurückhaltung, die der Film bis dahin in allen Szenen zur Geltung kommen ließ, in denen für gewöhnlich mit dicken Fingern auf der Gefühlsklaviatur gespielt wird. Ein Musterstück der leisen Töne bekommt am Ende Angst vor der eigenen Courage.
Apropos Töne: Das musikalische Leitthema von „Das Glücksprinzip“ erinnert nicht zufällig erschreckend deutlich an „American Beauty“: Mit Thomas Newman war der selbe Komponist an der Arbeit, dem hiermit die Hälfte aller Anerkennungspunkte entzogen werden. Wer sich so innovationslos auf den Lorbeeren einer guten Idee ausruht, sollte sich was schämen.
Hätten sich Regisseurin und Autorin für einen Handlungsstrang entschieden und der subtil tragenden Kraft ihrer Darsteller, Figuren und Konzeptionen vertraut, dann wäre „Das Glücksprinzip“ vielleicht zu dem künstlerischen Triumph geworden, den viele erwartet haben. Aber wer sich mit unangebrachter Tränenhascherei von einer unkonstanten Geschichte verabschiedet, erweist zu wenig Feingefühl für einen großen Wurf.
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