Ein Freund von mir

Jahr
2006
Laufzeit
84 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Frank-Michael Helmke / 19. Juni 2010

Manche Leute lassen zwischen ihren Filmen entschieden zuviel Zeit vergehen, und Sebastian Schipper ist definitiv einer von ihnen. Nach einem Karrierebeginn als Schauspieler schrieb und inszenierte Schipper 1998 den abgrundtief genialen "Absolute Giganten", einen der ganz wenigen echten deutschen Kultfilme (vor allem für Hamburger) - und ließ im Anschluss fast ein ganzes Jahrzehnt mit einem Nachfolger für sein fulminantes Debüt auf sich warten. Nun ist es endlich soweit, und alle ängstlichen Zweifler seien sogleich beruhigt: Trotz acht Jahren Pause hat Schipper nichts von seinem Talent eingebüßt, und "Ein Freund von mir" ist definitiv eine der herausragenden Kino-Sternstunden 2006.

Im Mittelpunkt steht Karl (Daniel Brühl), ein junger Mathematiker, der viel auf dem Kasten hat, aber nicht aus sich raus kommt. Zu Beginn des Films hat Karl gerade einen Versicherungs-Branchenpreis gewonnen, doch erhält von seinem Chef (der ihn gezielt provozieren will) trotzdem einen Deppen-"Undercover"-Job: Ein Autovermieter am Flughafen möchte Kunde der Versicherung werden, und Karl soll sich dort für einen Tag als Fahrer und Autowascher einschleichen, um die Arbeitsabläufe zu analysieren. So lernt Karl seinen neuen Kollegen Hans (Jürgen Vogel) kennen, sein absolutes Gegenteil: Hans ist eine dauerfröhliche Labertasche, ständig aufgekratzt und jederzeit für eine durchgeknallte Idee gut. Bevor Karl so recht versteht, was passiert, hat Hans ihn schon unter seine Fittiche genommen, stellt ihm seine zauberhafte Freundin Stelle (Sabine Timoteo) vor und bringt ihm solch einfache Lebensfreuden wie Nackt-Porschefahren näher.

Es ist keine große Geschichte, die Schipper hier erzählt, aber wie er das tut, das ist absolut großartig. Karl wird durch Hans quasi in eine Freundschaft hinein gesogen, die er zunächst als unglaubliche Befreiung seines steifen und leeren Alltags genießt, sich aber doch nicht voll darauf einlassen kann, weil die Freundschaft auf einer Lüge basiert (Karl verheimlicht Hans, dass er eigentlich für die Versicherung arbeitet). Im Zusammenspiel ist das in vielen Momenten und gerade zu Anfang ungemein komisch, da mit Karl und Hans zwei gänzlich gegensätzliche Typen aneinander geraten, und Hans es sichtlich Spaß macht, den introvertierten Karl mit seinen verrückten Aktionen und seiner pausenlosen Belaberei zu einer Reaktion zu provozieren. Hans ist ein Typ, mit dem es niemals langweilig wird, und so ergeht es auch dem Zuschauer: An Karls Seite wird man von Hans in die Geschichte hineingezogen, kann sich nie sicher sein, was als nächstes passiert, wird immer wieder überrascht und darf erstaunlich gefühlsecht Karls emotionale Befreiung miterleben.
Hier erweist sich Sebastian Schipper erneut als Meister der Atmosphäre und Schöpfer herausragender Bilder. Begeisterte er sein Publikum in "Absolute Giganten" noch mit dem besten (einzigsten?) Kicker-Spiel der Filmgeschichte, ist es hier eine nächtliche Tour mit zwei Porsches über bundesdeutsche Autobahnen, die zum visuellen wie atmosphärischen Höhepunkt gerät. Wie Schipper auf dieser Tour Karls verschlossenen Panzer öffnet und ihn sich in einen Freiheitsrausch hineinsteigern lässt, dessen emotionale Wucht und Reinheit einen sogar im Kinosessel derart mitreißt, dass man die Freiheit an der Nasenspitze kitzeln spürt, das ist ganz großes Kino.
Das wäre natürlich auch nur halb so gut ohne leistungsstarke Darsteller, und das erste Zusammenspiel von Daniel Brühl und Jürgen Vogel erweist sich dabei als der erhoffte Glücksfall. Beiden sind ihre Rollen fabulös auf den Leib geschrieben: Der schüchterne, aber clevere Karl ist ein toller Part für Brühls nuanciertes, introvertiertes Spiel, während die schräge, redselige Lebensfreude von Hans für Jürgen Vogel nicht nur eine willkommene Befreiung darstellte (der Film entstand direkt im Anschluss an Vogels tour de force "Der freie Wille"), sondern ihm auch erstmals Gelegenheit gibt, sein komisches Talent voll auszuspielen. Sabine Timoteo schließlich (die mit Vogel schon in "Der freie Wille" agierte) bildet als Stelle den magischen ruhenden Pol zwischen den beiden, und unter Schippers Regie gelingt ihr in wenigen Szenen die höchst seltene Leistung, eine Frau zum Leben zu erwecken, in die man sich tatsächlich sofort verlieben kann.
Dank dieser drei herausragend agierenden Hauptdarsteller gelangt die kleine Geschichte von "Ein Freund von mir" dann auch zu ihrer wahren filmischen Größe. Bestes Beispiel: Eine späte Szene, in der Karl und Stelle feststellen, dass sie beide Spanisch sprechen, und Hans sie auffordert, sich auf Spanisch zu streiten, weil er das gerne hören will. Was folgt, ist ein trotz nur kleiner Gesten und schauspielerischer Nuancen unwahrscheinlich beeindruckendes Gespräch, vor tiefer liegenden Emotionen geradezu vibrierend; ein wahres Wunder von einer Szene, für die allein Brühl und Timoteo jeden Darstellerpreis dieses Jahres verdient hätten. Sebastian Schipper vermeidet hier wie auch beim Rest des Films nahe liegende und allzu einfache Lösungen, so dass man bis zur wunderschönen Schlusseinstellung gespannt bleibt, welches Ende diese Geschichte nun schließlich finden wird.

Mit einem gewitzten, sprachgewandten und intelligenten Drehbuch, famosen Darstellern und einem großartigen Gefühl für die Psyche und das Zusammenspiel seiner Figuren gelingt es Schipper, mit "Ein Freund von mir" erneut einen Film abzuliefern, der ganz nah und ganz echt die merkwürdige, einzigartige Chemie von Männerfreundschaften einzufangen weiß. Ohne Schnörkel und Schlenker liefert Schipper handwerklich perfekte, erzählerisch brillante und stimmungsvoll tief berührende 84 Filmminuten ab, an denen es nur eins auszusetzen gibt - sie sind leider viel zu schnell vorbei. Vor allem, wenn man Angst haben muss, auf den nächsten Geniestreich wieder acht Jahre warten zu müssen.

Bilder: Copyright

4
4/10

also ich habe gestern "der freie wille gesehen". fand ich hervorragend. würde ich 9 punkte für geben. sabine timoteo einfach wahnsinn. heftiger film, aber trotzdem beeindruckend.
ich kann also beweisen, daß ich kein deutschfilmhasser bin ;-)

wegen den gleichen 2 schauspielern habe ich mir jetzt diesen film ausgeliehen. laaaaaaaaangweilig. es geht um nichts, es passiert nichts.
daniel brühl als begriffsstutzige schlaftablette natürlich perfekt besetzt. (kann der eigentlich auch lebende menschen spielen ?)

pluspunkte: jürgen vogel spielt gut, sabine sieht toll aus (aber mehr diesmal auch nicht - undankbare rolle, weil überflüssig) und es sind natürlich auch nette bilder dabei. zum beispiel die porsche-fahrt.

aber irgendeine bessere idee, als dieses "huch ich lerne 2 neue menschen kennen-ding" sollte man doch haben, bevor man einen film macht. jedenfalls meine subjektive meinung. ;-)

++

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10
10/10

Ich finde den Film großartig.
Ich kann es nicht nachvollziehen wie manche den Film beurteilen.
Jede Szene gibt einen Sinn, und ich denke nicht das er zu kurz geraten ist, allerdings sollte man sich schon einige Stunden mit dem Film beschäftigen allein um Fragen zu klären - was ich nicht negativ auslegen möchte. Ich finde es gerade gut, dass ein Film gewisse Freiheiten bietet. Das ist gerade das was ich an vielen deutschen Filmen schätze, man denkt drüber nach. Nicht wie in 95% der amerikanischen Filme, wo alles Denkgerecht auf einem Teller präsentiert wird.

@ JoBraukmann, k++: Deine Fragen zeigen, dass du den Film nicht verstanden hast... in dem Film geht es um Glücklichsein und Freundschaft,
was spielt das für eine Rolle was mit seiner Arbeitsstelle ist? Sein Arbeitsplatz war doch nur sinnbildlich zu verstehen.

Tipp: Sich wirklich jede Szene rauspicken und mit seinen Freunden/Freundinen drüber diskutieren.
Man lernt den Film schätzen und lieben!

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6
6/10

Die schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller ist grantios, gar keine Frage. Aber ich Frage mich was der Film für einen Sinn haben soll? Was will Sebastian Schipper damit ausdrücken, ich weiß es nicht. Ich schließe mich aber der Filmszene-Redaktion an, das die schönste Szene im Film die ist, als sich Karl+Stelle auf spanisch streiten. Das ist wirklich ganz großes Kino.

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3
3/10

Totaler Schrott, hab ich lange nich mehr gesehen sowas. Wenn ich mit meiner Frau alleine gewesen wäre hätt ich den längst ausgemacht.
An dem Film ist überhaupt nichts positives, doch die beiden Porsche vielleicht das wars dann aber auch schon.

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