Il Postino

Originaltitel
Il Postino
Jahr
1994
Laufzeit
108 min
Genre
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 14. November 2010

In jedem von uns steckt ein Poet. Die Poesie lauert überall, genau wie die Liebe. Und genauso, wie sich jeder von uns verlieben kann, kann auch jeder von uns Poesie schaffen. Dafür muß man nicht klug, nicht gebildet, und nicht wortgewandt sein. Man muß nur sein Herz sprechen lassen.
Das ist eine der zentralen Botschaften von „Il Postino“, und spätestens wenn man diesen Film gesehen hat, unterschreibt man diese These ohne Widerspruch. 
„Il Postino“ ist ein Film über die etwas ungewöhnliche Freundschaft zweier grundverschiedener Männer. Zwischen den Weltkriegen wird der chilenische Dichter und Nobelpreisträger Pablo Neruda aufgrund seiner politischen Standpunkte ins Exil verwiesen. Er entscheidet sich für eine kleine italienische Insel. Die Leute dort sind so fernab der Realität und so sehr aufs tägliche Fischen konzentriert, daß kaum jemand Notiz von dem großen Dichter nimmt. Bis auf Mario. Als er in der Wochenschau einen Bericht über Neruda sieht, fragt er sich, warum alle Frauen so fasziniert zu sein scheinen von diesem alten Mann. Um dies herauszufinden, nimmt Mario die Arbeit als Postbote an, dessen einzige Aufgabe darin besteht, Nerudas tägliche Fanpost zu seinem entlegenen Häuschen zu fahren. Der Postmeister ist überzeugter Kommunist und erklärt Mario, was Neruda alles für das Volk getan hat, und daß dies der wichtigste Teil seiner Arbeit sei. Das beeindruckt Mario wenig, da er es sowieso kaum versteht, und so versucht er nach und nach, sich dem Dichter zu nähern und etwas unbeholfen in Erfahrung zu bringen, was es mit der Poesie auf sich hat, daß sie alle Frauen der Welt zu verzaubern vermag. Und so lernt Mario vom großen Neruda, wie man den Poeten in sich entdeckt, wie man seine Gedanken zu Papier bringt, und wie einfach Metaphern sein können, auch wenn man keine Ahnung hat, was Metaphern überhaupt sind. Mit dieser Unterstützung versucht Mario dann, seine große Liebe Beatrice für sich zu gewinnen.

Ein Film wie ein Gedicht. „Il Postino“ ist nicht nur wunderschön anzusehen und anzuhören, er schafft es auch, seinen Zuschauer im innersten zu berühren und ihm Dinge zu vermitteln, ohne sie wirklich auszusprechen. Es ist einfach zauberhaft, mit anzusehen, wie dem simpel gestrickten Mario nach und nach eröffnet wird, welche Möglichkeiten in ihm schlummern, in ihm wie in jedem anderen. Und so avanciert er nach und nach zum Inselpoeten, und in seinem großen Eifer, wie Neruda zu sein, auch zum Inselkommunisten, ohne wirklich zu wissen, was es damit eigentlich auf sich hat. Hier liegt auch die einzige Schwäche des Films, denn Marios verzagte Ansätze einer Karriere in der Lokalpolitik wirken ebenso unbeholfen wie unmotiviert, ein ganzer Handlungsstrang, den man sich hätte sparen können. Andererseits ist dies auch ein Dokument dafür, daß man nicht versuchen sollte, etwas zu sein, was man nicht ist. Wenn kein Politiker in einem steckt, dann ist das so. Aber den Poeten in dir selbst, den mußt du erst einmal finden. Und dafür lohnt sich „Il Postino“ auf jeden Fall. Abgesehen von „Cyrano de Bergerac“ gibt es wohl keinen schöneren Film über die Macht und Kraft der Poesie.

„Il Postino“ ist untrennbar mit einer sehr schmerzhaften, realen Tatsache verbunden, durch die er erst richtig bekannt wurde: Massimo Troisi, der Darsteller des Mario, starb einen Tag nach Ende der Dreharbeiten. Er litt an einer schweren Herzkrankheit und hatte teilweise enorme Schmerzen, schob die lebenswichtige Operation aber immer wieder auf, um diesen Film beenden zu können. Als er endlich vollendet war, war es für Troisi bereits zu spät. Das erstaunliche ist, daß man ihm diese Qualen nicht eine Sekunde lang anmerkt. Troisi bot in „Il Postino“ eine schauspielerische Glanzleistung, wie sie ihresgleichen sucht. Zurecht wurde er dafür für den Oscar nominiert, und wenn er Amerikaner gewesen wäre, hätte er diese Auszeichnung posthum wohl auch bekommen. So bleibt „Il Postino“ das Vermächtnis eines großen Schauspielers, der seine Kunst über alles stellte, und im wahrsten Sinne des Wortes sein Leben für diesen Film gab. 
Allein, um Massimo Troisi dafür zu würdigen, sollte man sich „Il Postino“ einmal ansehen. Und wer weiß, vielleicht geht dem einen oder anderen, für den Poesie bisher ein Buch mit sieben Siegeln war, beim Anschauen ein Licht auf, und er entdeckt, wie der Postbote Mario, den Poeten in sich selbst. Es ist wirklich ganz einfach. Auch die Metaphern. Vor allem die Metaphern.


9
9/10

"Il Postino" ist ein wunderbarer Film, der in malerischer Ruhe eine Geschichte zu erzählen vermag. Auch wenn mich die politischen Einlagen vor allem gegen Ende die Harmonie der Erzählung stören, haben sich die Worte, Bilder, besonders aber die Melodie (Oscar!) in mein Herz gebrannt.
Sorry, aber wer diesen Film für "Müll" hält, sollte schnellststens sein Herz aus der Gefriertruhe holen.

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ich beschäftige mich immer noch mit DER Kernaussage des Films. Die Hochzeit also, die Liebe zu dieser Frau, kann auch nicht die Quintessenz der Geschichte gewesen sein, sowie sein Tod durch sein politisches Engagement.-deshalb wohl in diesen Erzählsträngen die schnelle Handlung bzw. Entwicklung. Die poesie?! Die Poesie ist der Träger des Films.Das Wort bedeutet hier zumeist so viel wie die Beteuerung, man könne das, was einen da besonders berührt, schwerlich in Worte fassen, so zart, fein, still, kaum wahrnehmbar und darum kaum aussagbar sei es... also vielleicht zielt der Film auf etwas unscheinbareres ab. Die Entwicklung eines Menschen,der auf seine Bedürfnisse hört("das meer macht mich krank"...und seine individuelle Entscheidung etwas anderes zu machen als sein soziales Umfeld. Um seinen innerlichen Drang zu verfolgen das zu finden, was in ihm brennt...ein Ideal, doch welches Ideal, welchen Herzenswunsch,hatte er?! Was war sein Motor? Er suchte nach dem, was die Erklärung der Welt sei,die Welt sei die Metapher für etwas unerklärliches, welches man nur durch etwas anderes beschreiben versuchte...den Glauben?!; die Liebe; die Selbstverwirklichung der inneren Stimme, bzw. seiner selbst...mmmhhh...ich werde weiter sinnen.

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10
10/10

Einer der 10 besten Filme, die je gedreht wurden. Man ist von diesem Film gebannt und kann ihn nie mehr vergessen! Das Wissen um Troisis Tod verstärkt diesen Eindruck noch.

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