Kirschblüten - Hanami

Jahr
2007
Laufzeit
122 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Patrick Wellinski / 11. Juni 2010

 

In der bayrischen Kleinstadt verläuft das Leben noch in geregelten Bahnen. Es ist ein Ort, an dem immer um dieselbe Zeit eine Ente über den frisch geharkten Kieselsteinweg läuft und die Spatzen mit ihrem Singsang die gesamte Einwohnerschaft sehr sensibel aus dem Tiefschlaf holen. Auch Rudi (Elmar Wepper) braucht sich keine Sorgen um seinen Tagesablauf zu machen. Seine Frau Trudi (Hannelore Elsner) hat diesen bereits seit über 40 Jahren fest im Griff. Sie hilft ihm in den Mantel, macht ihm seine Brotzeit, besorgt den Haushalt und ist immer dann zur Stelle, wenn Rudi irgendetwas benötigt. So könnte es wohl ewig weiter gehen, doch das Leben ist nun mal endlich. Trudi erfährt, dass ihr Ehemann nicht mehr lange zu leben hat, doch sie verschweigt ihm diese Information. Stattdessen möchte sie ihn auf andere Gedanken bringen. Ein Besuch bei den Kindern in Berlin, ein kurzer Ausflug an die Ostsee - und dann ist Trudi plötzlich tot.
In Doris Dörries neustem Film "Kirschblüten - Hanami" blickt nun dieser Rudi auf sein entgleistes Leben als Witwer. Ohne die Hilfe seiner verschiedenen Frau, kommt er auch nicht mehr so leicht in den Mantel und überhaupt scheint dieser Mann erst jetzt nachzuvollziehen, wieso Trudis Leben wohl nie so ganz ihren eigenen Vorstellungen und Wünschen entsprach. Rudi wird sich dessen bewusst und packt die Koffer. In Japan, dem großen Sehnsuchtsort seiner Ehefrau und Neuheimat seines Sohnes Karl (Maximilian Brückner), sollen wenigstens Trudis Kleider ihren großen Traum erleben - einmal den Fuijyama sehen.

Niemand geringeres als Elmar Wepper, der mitunter als einer der größten deutschen Fernsehdarsteller gelten darf, übernimmt die Hauptrolle in Dörries neuster Regiearbeit. Mit Hannelore Elsner an seiner Seite kann sein erster großer Kinoauftritt eigentlich nicht schief gehen. Tatsächlich ist es ausschließlich Weppers Leistung, die den Film trägt, und leider ist sie auch der nahezu einzige Grund, "Kirschblüten - Hanami" zu sehen. Das stoische, ur-bayrische Gesicht, welches sich fast nie zu einer freundlichen Gefühlsregung überreden lässt, prägt diese unzugänglich introvertierte Figur des Rudi. Der Mann, welcher mit dem Blick auf die Alpenlandschaft mit eiserner Lakonie verkündet: "Der Fuji ist auch nur ein Berg", er wird auf einigen seiner Tokiostreifzüge auf eine junge Japanerin (Aya Irizuki) stoßen. Diese Bhuto-Tänzerin nimmt sich Rudi an und beide machen sich dann auf den Weg zum Fujiyama.
Doris Dörries Liebe zu Japan und der dortigen Kultur prägte schon ihre letzten Filme. In "Erleuchtung garantiert" betrachtete sie Uwe Ochsenknecht auf dem Weg in ein Zen-Kloster. Sie ließ Alexander Maria Lara und Christian Ulmen auf einer Koi-Karpfen-Zuchtfarm zueinander kommen ("Der Fischer und seine Frau") und schließlich lauschte sie den weisen Ausführungen eines Zenkochs ("How to cook your life"). Auch in "Kirschblüten" kann man Dörrie nicht vorwerfen, sie habe kein Konzept. Denn die Idee, dass ein sterbenskranker Witwer lernen muss, mit dem Tod umzugehen, ohne dabei vom eigenen baldigen Ableben zu wissen, wirklich faszinierend.
Sicherlich ist das Drehbuch zu "Kirschblüten" tief geprägt durch einen persönlichen Verlust der Regisseurin. Ihr Mann starb vor einiger Zeit. Doch auch unter Berücksichtigung dieser persönlichen Note krankt der Film wieder an den üblichen Fehlern, die Dörries Filme bisher meistens in der Mittelmäßigkeit versinken ließen. Damit ist vor allem die penible Detailversessenheit der Inszenierung gemeint. Rudis eingangs erwähnter durchstrukturierter Alltag spiegelt sich nicht nur in den Bildern wider, sondern wird durch viele kleine Einzelheiten ständig überhöht. Ironischerweise funkelt einzig die Kirschblüte als Zeichen der Vergänglichkeit nur kurz auf und wird im weiteren Verlauf der Geschichte nicht mehr beachtet. Dörrie spielt mit Symbolismen und Japanklischees, die das Kino schon so oft reproduziert hat. Sie kann Rudis Kulturschock in Japan nichts Neues abgewinnen. Wie das geht, haben Sofia Coppola und ihr Hautdarsteller Bill Murray in "Lost in Translation" meisterhaft vor Augen geführt.
Durch eine solche Verspieltheit streckt die Regisseurin "Kirschblüten" auf unnötige zwei Stunden. Besonders in der ersten Stunde verliert sich das Drehbuch in dem konfusen Versuch, eine glaubhafte Beziehung zwischen Eltern und Kindern zu porträtieren. Doch Rudis und Trudis Sprösslinge scheinen einen unbegründeten Hass auf ihre etwas altmodischen aber doch alles in allem sehr liebenswürdigen Eltern zu haben. Die Belastung, die beide darstellen sollen, bleibt daher relativ unbegründet im Raum stehen. Das kauft man der Geschichte ebenso wenig ab wie Trudis große Leidenschaft für den japanischen Ausdruckstanz.
So wirkt der Film über weite Strecken überladen und ertrinkt bei dem Versuch, Touristensehnsüchte nach Japan zu bedienen. Und wieso muss Rudi unbedingt Trudis Kleider tragen, um ihr die japanische Sehenswürdigkeit zu zeigen? Das ist dann wohl wieder so eine typische Dörrie-Überhöhung.

Was also bleibt, ist das vielleicht schönste Filmplakat seit langem und die berührende Leistung Elmar Weppers. Sein innerlicher Kampf hätte Stoff für einen sehr großen Film geboten. Es ist sehr glaubwürdig, wie er den wortkargen Witwer verkörpert, der vorsichtig realisiert, dass er durch sein unzugängliches Wesen den Träumen und Sehnsüchten seiner Frau nie gerecht werden konnte. Am Ende hat er dies vielleicht begriffen, aber da sind schon die letzten Sandkörner seiner Lebensuhr durchgerauscht. Das Leben ist nun mal endlich.


9
9/10

Ich würde da ja jetzt nicht so streng sein - der Film hat sicher seine Clichees, Tücken, Lücken, Längen und seltsamen Einfälle, aber die Dörrie ist was besonderes - ich würde den Film nicht so sehr im Kontext anglophoner Feel Good Movies als in der Tradition anderer deutscher Autorenfilmer sehen -
Ich freue mich jedenfalls jedes mal wenn sowas ins Kino kommt - endlich erzählt mal jemand die Geschichten so, wie sie sich für uns Germans im 21.Jahrhundert eben so darstellen - zugegebenermaßen mit allen Clichees whatsoever.
Nichts gegen "Lost in Translation", aber dabei liegt vieles unserer direkten Erfahrungswelt doch oft sehr fern - wir sind ja schließlich keine abgehalfterten amerikanischen Schauspieler sondern meistens deutsche Durchschnittsbürger (trotzdem einer meiner Lieblingsfilme, nebenbei)
Und stimmt schon, manchmal ist Frau D. schon etwas eigensinnig und verpackt Dinge in seltsame Metaphern die den Zuschauer zunächst eher distanzieren und befremden anstatt die Dinge näher zu bringen - aber ich finde man darf sie das ruhig machen lassen - schließlich soll ja auch eine Rosamunge Pilcher dabei rauskommen, ein bißchen Ecke darf schon sein.
Was wäre denn z.B. Out of Rosenheim ohne seine Seltsamheit!

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...und ich meinte natürlich *k*eine r. pilcher.

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9
9/10

1 - ich hab auch beruflich mit Film/Kino zu tun und bin ein sehr kritischer Kinogänger, der auch sogenannte Meisterwerke erbarmungslos zerpflückt ("Lost in translation" sei "meisterhaft"? - Naja ...)

2 - Doris Dörrie, Hannelore Elsner und auch Elmar Wepper, bzw. ihre Filme oder Rollen, mochte ich bislang nicht besonders; ich habe also eher mit negativen Erwartungen diesen Film gesehen,

3 - dieser Film hat mich von Anfang bis zum Ende in jeder Beziehung fasziniert; ich halte ihn für eine der besten Produktionen, die der deutsche Film zu bieten hat und würde ihn ohne weiteres in meine persönliche Top Ten aufnehmen.

4 - Tolle Dramaturgie, phantastische und vieldeutige Bildsprache, die sich beim 2. Sehen des Films erschliesst, und grossartige Darstellerleistungen bis in die Nebenrollen hinein!

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10
10/10

Ich mag Dörrie nicht, daran hat der Film nichts geändert. Ändern tut das aber auch nichts daran, dass ihr hier wirklich ein Meisterwek gelungen ist. Im Gegensatz zu ihren anderen (belanglosen) Werken, hat sie mit "Kirschblüten" wirklich Fingerspitzengefühl bewiesen.

Ja, der Film lebt von seinem Hauptdarsteller, aber das ist legitim, das gilt für viele große Filme.
Trudi bleibt dabei erstaunlich blass - andererseits, passt das nicht genau zur Rolle?

Und im Gegensatz zum zitierten (und maßlos überschätzten) "Lost in Translation", verliert er sich gerade nicht in irrelevanten Klischees, sondern belässt es dabei, Japan glaubhaft aus Rudis Perspektive zu beleuchten. Mitnichten spielt er dabei auf Touristensehnsüchte an, es sei denn es sind Rudis Sehnsüchte.

Ein zurückhaltender, berührender, leiser, melancholischer Film, nicht ohne Schwächen, aber definitiv mit das beste Stück deutschen Kinos der letzten Jahre.

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