1988
gewann ein italienischer Film den Oscar für den besten fremdsprachigen
Film. Der Film hieß "Cinema Paradiso" und erzählte eine wundervolle
Geschichte von einem kleinen sizilianischen Jungen, der von
einem blinden Filmvorführer in die Magie des Kinos eingeführt
wird. Der Regisseur dieses Meisterwerks hieß Giuseppe Tornatore,
der nun mit seinem neuen Film zu eben diesen sizilianischen
Wurzeln auch seiner Kindheit zurückkehrt, und dabei die These
unterstützt, daß richtig großes Kino nur dann entstehen kann,
wenn man was persönliches zu sagen hat. Denn nach Filmen mit
viel Pathos, aber wenig Herz wie zuletzt "Die
Legende vom Ozeanpianisten" besinnt sich Tornatore bei
"Der Zauber von Malena" wieder auf die Kunst, mit einer einfachen
Geschichte große Dinge zu erzählen.
Die titelgebende Malena wohnt in einem ruhigen Städtchen auf
Sizilien. Der zweite Weltkrieg wütet, und Malenas Gatte kämpft
an der Front. Daher verbringt die wunderschöne Frau ihre Zeit
allein und ist den lustvollen Blicken der Männer ebenso schutzlos
ausgesetzt wie dem neidvollen Geschnatter der Frauen. Ein
besonders leidenschaftlicher Bewunderer Malenas ist der 13-jährige
Renato, ein kräftig vor sich hin pubertierender Bengel, der
in ihr seine erste große Liebe findet und eine Menge naiv-heroischer
Dinge tut und träumt. Wie das halt so ist, wenn man jung und
verliebt ist. Als die Nachricht in die Stadt kommt, Malenas
Ehemann sei im Kampf gefallen, stürzen bald sämtliche Grenzen
von verbliebenem Anstand in der Gemeinde und wilde Gerüchte
über zahlreiche Affären der betörenden Grazie machen die Runde.
Eine Kettenreaktion von Lügen und Halbwahrheiten setzt ein,
die sich bald verselbständigt, während der arme Renato hilflos
zusehen muß, wie seine Traumfrau mehr und mehr zum Opfer ihrer
Schönheit wird.
Eine Geschichte wie diese steht und fällt mir der Hauptdarstellerin.
Für Malena selbst sieht das Drehbuch ein Minimum an eigenem
Dialoganteil vor, kaum hundert Wörter fallen für sie ab. Und
doch ist ihre Omnipräsenz, ihre Wirkung auf jeden einzelnen
Bewohner der Stadt, in jeder Szene spürbar. Monica Bellucci
heißt die Gabe Gottes, die dieses Wunder vollbringen kann.
Von Tornatore bei einem Werbesport für Dolce & Gabana entdeckt,
beweist das Top-Model (!) hier eine wortlose Ausdruckskraft,
die ihresgleichen sucht. Schon bei ihrem ersten Auftritt kann
man in ihrem versteinerten Gesicht die Schmerzen lesen, während
sie von Renatos jugendlichen Freunden mit Blicken durchbohrt
wird. Jeder Gang zum Einkaufen ist für sie eine Qual: Die
Männer ziehen sie vor ihrem geistigen Auge aus, die Frauen
wollen sie lynchen. Und diese Qual ist jederzeit spürbar.
Bellucci umgibt eine Aura von Unantastbarkeit, ein Leuchten
aus Stolz und Schmerz, wie es wohl nur in Italien zu finden
ist, wie es Grundvoraussetzung für eine wahrhaft erotische
Ausstrahlung ist, und wie es so wichtig für das Gelingen dieses
Films war.
Neben der fast wortlosen Malena etabliert sich Renato als
eigentliche Hauptperson dieser tragischen Geschichte über
die Pein der Pubertät. Mit melancholischem Blick für die Ironie
des Heranwachsens läßt Tornatore seinen jungen Helden durch
eine Vielzahl pubertärer Spiele und Phantasien wandeln und
beweist ein brillantes Auge für die Mentalität seines Settings.
So sitzen hier z.B. alle der Legende auf, daß man von zuviel
onanieren blind wird, und Renatos Racheträume und -taten sind
von einer herrlich trotzigen Naivität, daß wohlige Erinnerungen
an die eigene Jugend aufkommen.
Beinahe beiläufig webt Tornatore den historischen Hintergrund
des zweiten Weltkriegs mit in seine Handlung ein und versteht
es dabei exzellent, die alltäglichen Aspekte des Faschismus
unter Mussolini aus der kindlichen Perspektive seines Protagonisten
zu zeigen. So ergibt sich ein aus kleinen Details kunstvoll
zusammengesetztes Mosaik, nach dessen Vollendung ein komplettes
Bild der sizilianischen Mentalität und Gesellschaft in dieser
Zeit zum Vorschein kommt.
Tornatore ist mit "Der Zauber von Malena" ein bravouröses
Meisterstück gelungen. Hocherotisch, ohne in plakative Nacktheit
zu verfallen, herzerfrischend komisch, ohne sich als Pubertätsposse
zu verraten, erdrückend tragisch, ohne aufgesetzt zu wirken.
Ein großes Stück Kino, daß nicht nur kunstvoll und mitfühlend
die verwirrenden Schmerzen des Erwachsenwerdens einfängt,
sondern auch eine sehr selten angesprochene Geißel der Frauen
thematisiert: Wenn Schönheit zur Strafe wird.
Originaltitel
Malena
Land
Jahr
2000
Laufzeit
96 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Concorde Filmverleih
Neuen Kommentar hinzufügen