Kaum zu glauben: Während anderswo Tierdokus mit possierlichen Pinguinen und anderen süßen Lebewesen zu Kassenschlagern wurden, haben die Österreicher einen Film mit totem Fisch, Tonnen an Tomaten und Schlachtfabriken, in denen kleine Kuschelhühner Supermarktregal-passend zerfetzt werden, zum erfolgreichsten Dokumentarfilm ihres Landes gemacht. Regisseur Erwin Wagenhofer zeigt in "We Feed the World", wo unser Essen eigentlich herkommt und welche Auswirkungen die Globalisierung des Nahrungsmittelhandels in verschiedenen Ländern hat. Ursprünglich wollte Wagenhofer von einem spezifischen Markt in Wien, dem Naschmarkt, ausgehend die Wege der Nahrungsmittel in die Länder zurückzuverfolgen, aus denen die Waren stammen. Stattdessen nahm er schließlich ein Interview mit dem UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung und schnitt Beiträge dazwischen, die die Absurdität des Ganzen veranschaulichen sollen. Im Gegensatz zu Michael Moore ("Fahrenheit 9/11", "Bowling for Columbine") oder Morgan Spurlock ("Supersize Me") ist Wagenhofers Stil sehr viel nüchterner. Es werden eindeutig mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, und der Zuschauer hat keine Rahmenhandlung (die der Markt-Ansatz vielleicht noch gehabt hätte) oder keinen Erzähler, der ihm dabei hilft, die gelieferten Informationen einzuordnen. Stattdessen sprechen Luftaufnahmen von gigantischen Treibhäusern, Interviewaussagen und Zwischentitel mit Fakten für sich. Da "We Feed the World" in Deutschland gezielt für Schulklassen genutzt werden soll, ist diese Herangehensweise passend, gerade weil das Werk sich vom Infotainment anderer Sendungen absetzt. Dafür kann man danach darüber reflektieren, wie sehr die eigenen Kaufentscheidungen die Wirtschaft beeinflussen, denn Wagenhofer nennt diesen Film absichtlich "We Feed the World" und nicht "They Feed the World". Nun kann man zwar schimpfen, dass durch diese Inszenierung den Konzernen mal wieder die Schuld an allem gegeben wird, doch Wagenhofers Aussage ist eine andere: Wir sind die Käufer. Wir entscheiden, ob wir pralle, nach nichts schmeckende Hybrid-Auberginen oder verschrumpelte, aromatische Bio-Auberginen kaufen. Den Supermarkt betrachtet man beim nächsten Besuch nach diesem Film auf jeden Fall mit anderen Augen. |
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