„Fame 2000“ wäre ein passender Untertitel für diesen Film gewesen, denn die Prämisse von „Center Stage“ ist sehr nahe dran an Alan Parker’s 80er Jahre-Klassiker über das Leben, Lieben und Leiden einer Clique an der New Yorker High School der Modernen Künste. Allerdings reichlich abgespeckt: Während bei „Fame“ noch getanzt, musiziert, geschauspielert und gesungen wurde, wird hier nur noch getanzt. Und wo damals die gesamten vier High School-Jahre abgehandelt wurden, findet dieses Mal alles innerhalb eines Jahres statt. Dementsprechend weniger vielschichtig ist auch die Handlung.
Im Mittelpunkt von „Center Stage“ steht das naive Vorort-Küken Jody, dass eines der begehrten Stipendien für die American Ballet Academy in New York erhält (in der Eingangssequenz wird gesagt, dass nur zwölf Stipendien für Tänzer aus der ganzen Welt vergeben werden. Dass in dem ganzen Film nur ein Ausländer auftaucht, stimmt ein wenig nachdenklich). Neben einer wahren Tortur von Tanztraining stehen in den nächsten Monaten natürlich viele Erfahrungen an, die Jody zu einem erwachseneren Menschen machen werden, zusammen mit ihren ähnlich schablonenhaft zusammengewürfelten Mitschülern: Die aufsässige Eva, die erst ihr eigenes Temperament zügeln lernen muß, bevor sie zu wahrer Größe aufsteigen kann; die überambitionierte Maureen, die von ihrer tyrannischen Mutter so sehr zum Erfolg getrieben wird, dass die Gesundheit darunter leidet; der sympathische Charlie, der nur ein guter Freund ist aber sichtlich gerne mehr wäre; Erik, der obligatorische Schwarze und gleichzeitig der obligatorische Schwule (der dann auch nicht viel mehr machen darf als ab und zu mal möglichst tuntig zu tun); Sergei aus Russland ist der aufstrebende Star an der Akademie; und Cooper ist bereits landesweit bekannt und Mitglied in der bekanntesten Ballett-Company, sorgt aber für Ärger, weil er der Ex-Lover der neuen Frau des Akademie-Direktors Jonathan Reeves ist.
Man ahnt bereits, in welche Richtung diese ganzen Charaktere gehen werden (wenn sie denn überhaupt irgendwo hin gehen). Dabei fängt es gar nicht mal so schlecht an: Die ersten Sequenzen in der Tanzschule beweisen ein sicheres Auge fürs Detail und erwecken den Eindruck, dass die Macher sehr wohl wissen, wie es auf so einer Akademie zu geht (wissen sie auch: Regisseur Lytner hat ausreichend Theatererfahrung, und die Darsteller sind zum größten Teil professionelle Tänzer. Ilia Kulik, der Sergei spielt, gewann 1998 olympisches Gold im Eiskunstlauf). Die erhofften ungeschminkten Einblicke in die harte Welt des Profi-Balletts werden aber leider viel zu schnell abgelöst von einem wenig einfallsreichen und x-fach vorgestrickten Handlungsablauf. So bleiben ein paar blutig getanzte Füße noch das realste, was das knallharte Training betrifft. Das Gewicht verlagert sich zusehends aufs Zwischenmenschliche: Die überehrgeizige Maureen entdeckt eine völlig neue Seite an sich, als sich ein schmucker Medizinstudent für sie interessiert, kämpft aber gleichzeitig mit der laut Vorurteil weitverbreiteten Problemlösung junger Mädchen, die unbedingt ihre Linie halten wollen/sollen/glauben zu müssen. Jody hat indes nur noch Augen für den knackigen Cooper, der sich auch durchaus interessiert zeigt, bis nach einer romantischen Liebesnacht (mit einer Verführungsszene, die so peinlich und billig ist, da würde sich jeder einfallslose Disco-Reißer für schämen) ziemlich schnell klar wird, dass Cooper sein eigenes kleines Eifersuchtsdrama inszenieren möchte.
Diese Handlungsstränge führen zu einem Finale, das zwar sehr schön anzusehen ist, aber überhaupt nicht funktioniert: Am Ende steht die große Jahresgala der Akademie, auf der die Talent-Scouts aller namhaften Companys mit Verträgen für die Stars wedeln. Was während dieser Gala passiert und getanzt wird, kommt in der inneren Logik des Films einem absoluten Skandal gleich, ist aber realistisch betrachtet überhaupt nicht möglich (genau genommen kann es für alles nicht eine vernünftige Probe gegeben haben). So wird die Glaubwürdigkeit für eine ziemlich platte dramatische Wende geopfert, die den Weg ebnet für das obligatorische „Jetzt sind wir alle bessere und reifere Menschen“-Ende und die Erkenntnis, dass man immer das machen sollte, was man selbst wirklich möchte. Nichts neues an der Message-Front. Am Ende ist aus dem vielversprechenden „Fame 2000“-Ansatz eine hochglanzpolierte Teenager-Soap im Tütü geworden, nichts weiter als „Ballet Hills, 90210“.
„Center Stage“ ist mit Sicherheit ein toller Tanzfilm (auch wenn die besondere Kunst und Ästhetik des Balletts vielleicht nicht für jedermann erschließbar ist), schwächelt aber in seiner Handlung ganz enorm, was vor allem daran liegt, dass die am wenigsten stereotypen Subplots leider auch am wenigsten ausgearbeitet werden. Insgesamt optisch sehr nett anzuschauen, aber inhaltlich genauso flach wie eine Doppelfolge „Melrose Place“. Es scheint tatsächlich so, dass die besseren Teenager-Filme allesamt in den Achtzigern gemacht wurden.
Neuen Kommentar hinzufügen