Die letzte Kino-Interpretation der berühmtesten aller Monster-Figuren liegt tatsächlich schon einige Zeit zurück. Denn der lahme Etikettenschwindel namens „I, Frankenstein“, hatte mit der einst von Mary Wollstonecraft Shelley geschaffenen Figur nicht mehr als den Namen gemein und ansonsten wurde die Geschichte vom künstlich geschaffenen Lebewesen zuletzt vorwiegend im Fernsehen reanimiert, unter anderem in der bunten Monstersammlung „Penny Dreadful“. Auf der Leinwand heißen die großen Namen, die entweder dem Monster oder ihrem Schöpfer das Gesicht geliehen haben, dagegen Boris Karloff, Peter Cushing, Christopher Lee, Kenneth Branagh oder Robert De Niro. In deren Fußstapfen treten nun James McAvoy und Daniel Radcliffe, allerdings nicht etwa als Frankenstein und sein namenloses Geschöpf, sondern vielmehr als Frankenstein und dessen Gehilfe Igor.
Eben dieser Igor (Daniel Radcliffe) lebt zu Beginn der Geschichte ein trostloses und zunächst namenloses Dasein als von allen herum gestoßener, buckliger Leibsklave in einem Londoner Zirkus. Als er jedoch beim Unfall der Trapezkünstlerin Lorelei (Jessica Brown Findlay) mit medizinischem Fachwissen auftrumpft, wird der ehrgeizige Medizinstudent Victor Frankenstein (James McAvoy) auf ihn aufmerksam und nimmt ihn unter seine Fittiche. Es stellt sich heraus, dass Igor äußerst intelligent ist, und dank der eigenwilligen aber effektiven medizinischen Methoden seines Mentors kann er bald auch aufrecht gehen. Doch die Experimente Frankensteins gehen noch viel weiter, denn der hat sich in den Kopf gesetzt totes Fleisch neu zusammenzusetzen und zum Leben zu erwecken. Ein geradezu irrwitziges und gotteslästerliches Vorhaben, das aber tatsächlich zu gelingen scheint.
Auf das berühmte (aber eben NICHT titelgebende) Monster zu warten lohnt nicht beim Betrachten von Paul McGuigans („Lucky Number Slevin“) Film. Denn das taucht erst ganz am Schluss auf und ist auch sonst kein zentrales Motiv der Geschichte. Einem genauso wild wie kreativ zusammengesetzten Tierkadaver aus Affe, Löwe und „Sonstigem“ wird dagegen zur Filmmitte deutlich mehr Raum gegeben, denn dieser erste Versuch einer Re-Animation führt zu einer actionreichen Verfolgungsjagd. Eine weitere Action-Sequenz präsentiert man dann noch zu Beginn im Zirkus sowie (natürlich) zum Finale. Was ziemlich nach wohl kalkulierter Verteilung aussieht und auch sonst entpuppt sich dieses Werk als ein ganzes Stück weniger interessant und originell als es die Ausgangslage zunächst erwarten lässt. Denn der „Frankenstein“-Mythos, erzählt aus der Perspektive des sonst stets im Hintergrund wirkenden Dieners Igor, das hatten wir tatsächlich noch nicht, auch wenn sicherlich die Interpretation dieser Figur von Marty Feldman in Mel Brooks' „Frankenstein Junior“ einigen noch gut im Gedächtnis sein dürfte.
Doch nach dem gelungenen Auftakt, zu dem hier mal der Prolog im Zirkus sowie die anschließende Entdeckungsreise gezählt werden sollen, bei der Igor staunend eine für ihn völlig neue Welt kennenlernt, verflacht die Geschichte bemerkenswert schnell. James McAvoy rollt ein bisschen zu irre mit den Augen und trägt allgemein eine Spur zu dick auf, um den stets lauernden Wahnsinn seiner Figur auch ja niemanden übersehen zu lassen. Und Daniel Radcliffe ist einfach kein so starker Schauspieler, als das er seinem Igor nach dessen „Begradigung“ noch allzu viele interessante Facetten verpassen könnte. Eine wirklich absolut irrelevante und unglaubwürdige Liebesgeschichte (natürlich verliebt sich der arme Igor nicht nur in die schöne Artistin sondern gewinnt sie auch für sich) und eine lahme Erklärung für die eigentliche Motivation bzw. Besessenheit des Victor Frankenstein tragen schließlich weiter dazu bei, dass sich diese Frankenstein-Version die Auszeichnung "überflüssig" redlich verdient. Einzig der Handlungsbogen um den recht cleveren, Frankenstein immer näher auf die Pelle rückenden Inspector Turpin (Andrew Scott) entwickelt durch die Gegenüberstellung der beiden unterschiedlichen Überzeugungen „Wissenschaft“ vs. „Glaube“ einen gewissen Reiz.
Gut aussehen tut das Ganze allerdings schon, die Ausstattung kann sich sehen lassen und das viktorianische London wird imposant in Szene gesetzt. Doch auch hier hält sich der Eventcharakter In Grenzen, denn schließlich hat man das zuletzt auch in Guy Ritchies „Sherlock Holmes“-Filmen oder eben im bereits erwähnten „Penny Dreadful“ mindestens genauso gut gesehen. Somit steht bereits jetzt fest, dass dieser „Frankenstein“ in der umfangreichen Filmographie des Stoffes keine größeren Spuren hinterlassen wird. Warten wir also auf den nächsten Versuch der Wiederbelebung….
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