Triangle - Die Angst kommt in Wellen

Originaltitel
Triangle
Jahr
2009
Laufzeit
95 min
Bewertung
von René Loch / 16. November 2010
Wie grottenschlecht muss es um ein Genre bestellt sein, wenn Parodien als die am Ehesten vorzeigbaren Vertreter gelten? Filme wie "Shaun of the Dead", "Slither" oder "Severance", eigentlich ja als Komödien gedacht, boten im Grunde effektiveren Horror als all die "Saw"-Fortsetzungen und Remakes/Reboots des letzten Jahrzehnts. Einige wenige Werke, die zumindest in punkto Atmosphäre und Effektivität bestachen ("Rec.", "Wolf Creek", "The Descent"), haben sich in den vergangen Jahren zwar schon auf der Leinwand blicken lassen, doch wer darüber hinausgehend auch auf so etwas wie Originalität und Mut zum Risiko Wert legt, muss fast zwangsläufig auf den DVD-Markt ausweichen. Der heiß diskutierte, dem Hype etwas zum Opfer gefallene "Martyrs" war so ein Film, den man dort finden konnte; Christopher Smiths "Triangle" ist so ein Film.

Sechs Freunde in den mittleren Jahren, darunter Jess (Melissa George), die gestresste Mutter eines autistischen Kindes, fahren eines schönen Tages mit dem Segelboot von der Küste Floridas auf den Atlantik hinaus. Auf offener See ereignet sich schon bald Seltsames: Herrscht von einer Sekunde auf die andere noch Windstille, ziehen plötzlich dunkle Wolken über dem kleinen Boot auf und ein heftiger Sturm samt Riesenwelle bricht über die Besatzung herein. So schnell und unerwartet das Unwetter aufkam, so schnell verschwindet es allerdings auch wieder. Zurück bleiben fünf ratlose Menschen auf einsamer See, die über den Verlust einer Freundin trauern. Doch Rettung naht in Form eines riesigen Ozean-Dampfers. Die Überlebenden klettern an Bord, erkennen aber bald, dass sie offenbar fast allein sind. Besonders verwirrend und beängstigend entwickelt sich die Situation für Jess, da sie der festen Überzeugung ist, schon einmal auf diesem Schiff gewesen zu sein....

Befänden wir uns nun in einem handelsüblichen "Zehn kleine Negerlein"-Filmchen, so wäre klar, wo die Reise hingeht: Irgendein Killer, nicht zwangsläufig menschlicher Natur, dezimiert auf blutige Weise die (kiffenden, unzüchtigen, schwarzen) Protagonisten, bis er am Ende des Films an den körperlich unterlegenen, geistig überlegenen Helden der Geschichte gerät und selbst das Zeitliche segnen muss. "Triangle" ist anders - und das in mehr als einer Hinsicht.
Denn wo für gewöhnlich bereits nach kurzer Zeit das Ende feststeht, geht Christopher Smith ("Creep", "Severance") mit seinem dritten Spielfilm den völlig entgegen gesetzten Weg (und orientiert sich damit im Prinzip ja auch an bereits erwähntem "Martyrs"). Segelausflug, Unwetter und Geisterschiff fallen gewiss nicht allzu sehr aus dem Rahmen, doch innerhalb von fünf Minuten sorgt Smith dann für klare Verhältnisse und lässt eigentlich nur noch eine Frage offen: Und was kommt jetzt noch, eine volle Stunde Abspann? Natürlich ist die Frage rhetorischer Natur, doch es bedarf schon einer guten Menge Phantasie, um sich auszumalen, wie es weitergehen soll. Und ist dann scheinbar klar, in welche Richtung sich "Triangle" entwickeln wird, schlägt Smith auch schon den nächsten Haken und lässt den Zuschauer über den Fortgang der Handlung erneut im Dunkeln. So wendungs- und überraschungsreich wurde schon lange kein Genre-Film mehr erzählt. "Triangle" führt einem endlich mal wieder vor Augen, wie schön es sein kann, als Zuschauer keinen Plan zu haben. Dass über die Story hier nur das Nötigste preisgegeben wurde, versteht sich deshalb von selbst. Überaus wichtig: Trailer meiden! Der verrät viel zu viel.

Christopher Smith, im Gegensatz zu "Severance" wieder allein für das Drehbuch verantwortlich, hat aber nicht nur auf narrativer Ebene einiges ausgetüftelt, sondern weiß seinen Film auch gekonnt in Szene zu setzen. Dies beginnt beim eigentlich vollkommen gewöhnlichen, bereits Bedrohung vermittelnden Vorspann und setzt sich mit einer angenehmen Inszenierung der Schiffs-Ereignisse fort. Angenehm insofern, als dass billige Kartenspielertricks wie sich öffnende Türen oder unangenehme Übertreibungen auf der Tonspur hier nicht existieren. Eher im Gegenteil: Mancher Ungläubigkeit hervorrufende Schockmoment, und davon gibt es zumindest einen richtig guten, wirkt fast wie beiläufig in den Film integriert. Eher eine Ausnahme im modernen Horrorfilm, dass dann doch dem Zuschauer überlassen bleibt, was er als schockierend und gruselig empfindet und was nicht. Als richtig misslungen kann deshalb hier im Prinzip auch keine einzige Szene bezeichnet werden, weil eben nichts so inszeniert ist, als ob es unbedingt "gelingen" müsste. Der Wirkung von "Triangle" tut diese Vorgehensweise jedenfalls keinen Abbruch.

Ebenfalls sehr erfreulich - und alles andere wäre in diesem Film auch deplatziert gewesen - ist die Entscheidung, Hauptdarstellerin Melissa George trotz knapper Bekleidung nicht als Sex-Objekt zu inszenieren. Wie nahe liegend wäre bei diesem Szenario eine Szene gewesen, in der George mit ihrem weißen Oberteil von kübelweise Wasser übergossen wird - doch "Triangle" spart sich solche dem Genre nicht unfremden, billigen Hingucker-Momente.
Melissa George jedenfalls ist zweifelsfrei das emotionale Zentrum des Films. Die hübsche Australierin hat sich in den letzten Jahren bereits durch einige andere Horrorfilme gezittert und gequält und dabei ein durchaus gutes Händchen bewiesen ("30 Days of Night", "Turistas"). In "Triangle" hinterlässt sie nun nachdrücklich Eindruck als abgeschlagene, gestresste, verzweifelte Mutter, die mit der Last der Erkenntnis, was auf diesem Schiff vor sich geht, fertig werden sowie die daraus folgenden Konsequenzen ertragen muss. Dass ihre Filmfigur Jess diejenige ist, die dem Zuschauer Halt in einer verworrenen Handlung geben muss, lässt ihre authentische Leistung noch ein gutes Stück stärker erscheinen. Melissa Georges natürliche Leichenblässe legt zudem den Verdacht nahe, dass sich die Make-Up-Spezialisten nicht gerade vor lauter Stress über die Reling stürzen mussten. Kurzum: Ein Horrorfilm, in dem die Leistung der Hauptdarstellerin als besonders positiv hervorzuheben ist - das sieht man nicht alle Tage.
Was letztlich auf dem Schiff vor sich geht, bleibt auch nach Ablauf der sehr unterhaltsamen 95 Minuten durchaus Sache der eigenen Interpretation. Zumindest drängt sich keine eindeutige Antwort auf, zumal sich die gesetzten Schwerpunkte im Laufe des Produktionsprozesses mehrmals geändert haben dürften. So etwas wie Fegefeuer, Träume, Bermuda-Dreieck, Geistererscheinungen, Schizophrenie oder Persönlichkeitsstörung kommt schon sehr früh als Lösungsansatz in Betracht - welcher, wie viele und ob überhaupt irgendeiner davon es tatsächlich ist, sollte jeder für sich herausfinden und beurteilen.

Mag die Grundidee an sich kein Quell sprudelnder Originalität sein, so setzt sich deren Umsetzung im wahrsten Sinne des Wortes erfrischend von jüngeren, nach immer gleichem Muster gestrickten Gruselstorys ab. Christopher Smith wagt und gewinnt. Mit einer Geschichte, die ein ums andere Mal zu überraschen weiß (und sich mit krassen Plotlöchern und Logikpatzern zurückhält), einer souveränen Inszenierung, die auf lächerliche "Huch, nur eine Katze"-Effekte dankenswerterweise verzichtet, und einer Melissa George in der Hauptrolle, der zumindest im Horror-Genre derzeit nicht viele das Wasser reichen können. Wessen Glaube an clever konstruierte Genre-Filme noch keinen Schiffbruch erlitten hat, der sollte die Videothek seines Vertrauens aufsuchen und mit "Triangle" auf Geisterfahrt ins Bermuda-Dreieck gehen.

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8
8/10

Dieser Film ist der Grund, weshalb ich mir immer, und immer wieder grobgestrickte und einfallslose Horrorstreifen aus der Videothek hole: um alle Jubeljahre auf so eine Perle zu stoßen. Zum Glück hatte ich mich von dem billigen Cover (viel Frauenbein mit Axt) nicht täuschen lassen. Ein gelungener, sehr toller Film!

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Ist nur ein Film der eine Grundidee auf über eine Stunde aufbauscht und auf pseudointellektuell macht.
Er will einem weiß machen, dass man das Schicksal akzeptieren muss, zieht Parallelen zur griechischen Mythologie, will aber in Wirklichkeit nur Geld einsparen, indem man alles mit mehreren Kameras 20 min filmt und dann richtig zusammenschneidet.
Ist quasi so ein Twin Peaks Schwachsinn.

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