Stoker

Originaltitel
Stoker
Land
Jahr
2012
Laufzeit
100 min
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 6. Mai 2013

stoker 1Schon viele talentierte Regisseure aus Europa oder Asien sind der Versuchung erlegen, irgendwann mit größeren Möglichkeiten in Hollywood zu inszenieren, doch meistens ist das deren Bankkonto dann besser bekommen als dem künstlerischen Anspruch. Viel zu oft verloren sie dort ihren Biss, ihre Freiheit oder ganz einfach nur irgendwann den Fokus. Beim Südkoreaner Park Chan-wook liegt der Fall nun aber gleich in doppelter Hinsicht anders. Denn der feierte seine größten Erfolge bereits vor rund einer Dekade, als er mit Filmen wie „Sympathy for Mr. Vengeance“ oder vor allem „Oldboy“ das Publikum verblüffte, lieferte jedoch in den Folgejahren mit Werken wie den recht lauen und zerfahrenen „Lady Vengeance“ und „I’m a Cyborg but that’s OK“ nur noch durchschnittliche Ware ab. Dieser Filmemacher hat also nicht unbedingt auf dem Höhepunkt seiner Karriere doch noch den Weg ins gelobte westliche Land angetreten und umso bemerkenswerter und überaschender ist das Ergebnis namens „Stoker“: Ein kleiner, aber praktisch perfekter Psycho-Thriller der in allen Punkten überzeugt.

stoker 2Ausgerechnet an Ihrem 18. Geburtstag stirbt der Vater von Indira Stoker (Mia Wasikowska) durch einen mysteriösen Autounfall. Die von ihrer oberflächlichen Mutter (Nicole Kidman) und deren dekadenten Lebensstil schon lange isolierte Indira ist überrascht, als kurz nach der Beerdigung plötzlich der ihr bis dahin völlig unbekannte Bruder ihres Vaters auftaucht. Dieser Onkel Charlie (Matthew Goode) stellt sich als jahrelanger Weltenbummler vor, gibt sich höflich und interessiert. Doch jeder der ihn noch „von früher“ kennt, scheint eher unangenehm berührt von seiner Präsenz und zeigt sich besorgt um Mia und ihre Mutter. Allerdings nur kurz, denn schnell ist von diesen Personen dann nichts mehr zu hören und zu sehen. Der zurückgezogenen und als soziale Außenseiterin geltenden Indira gelingt es jedoch auf Dauer nicht, sich der Ausstrahlung ihres Onkels zu entziehen. Als sie schließlich entdeckt, dass der schon früher versucht hatte Kontakt zu ihr aufzunehmen und dies von ihrem Vater unterbunden wurde, beginnt sie sich zu fragen warum.

stoker 3„Unheilsschwanger“ ist wohl der Begriff, welcher noch am treffendsten die Atmosphäre beschreibt, die Park Chan-Wook hier von Beginn an aufbaut. Dass sowohl mit Indira als auch mit dem netten Onkel Charlie irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung ist, wird eigentlich von Beginn an klar und obwohl zunächst nicht wirklich viel in diesem Film passiert, bleibt die Anspannung und das Gefühl der Bedrohung durchgehend greifbar. Bis dann die Aktions- und Gewaltschraube schließlich deutlich angezogen wird kann man jedoch gar nicht anders als sich durchgehend erfreuen an der makellosen Inszenierung, bei der jede einzelne Einstellung durchkomponiert ist, sich ein wundervoll arrangierter Reigen aus Bildern, Musik und geheimnisvollen Figuren entfaltet.

Hier ist tatsächlich jede Szene ein Kunstwerk, ohne das sich daraus aber ein unansehnlicher, selbstgefälliger Arthouse-Murks ergibt, da eben auch die Geschichte stimmt und fesselt. Diese nimmt zwar irgendwann Kurs in Gefilde, die sich schon ein ganzes Stück von dem entfernen was ein „Normalbürger“ noch nachvollziehen kann, umschifft dabei jedoch sehr elegant die Klippe an der das Ganze ins Alberne kippen könnte und bleibt stattdessen stets stilvoll, jedenfalls bis kurz vorm zweifellos etwas wilden Ende, das dann aber auch noch wieder sehr hübsch den Bogen zum Anfang schlägt.

Es finden sich gleich mehrere brillante Szenen und Einstellungen in diesem Film, genannt seien nur das erotisch aufgeladene Klavier-Duett zwischen Indira und Charlie oder deren Nicht-Reaktion auf Spinnen oder andere für gewöhnlich als unangenehm geltende Situationen. Dass man sich in diesem Fall sogar bis zu einem gewissen Grad mit den Charakteren identifiziert,obwohl die unzweifelhaft recht böse Dinge tun, ist dann auch ein Verdienst der Schauspieler, angeführt von der bekanntlich höchst talentierten Mia Wasikowska („Alice im Wunderland“, „Jane Eyre“) die hier überzeugend zwischen zerbrechlich-zarter Nymphe und entschlossener junger Frau pendelt, die durchaus eine gewisse Faszination für die dunklen Seiten des Lebens entwickelt. Dass mag dann ein wenig in der Familie liegen, die nicht ohne Grund „Stoker“ heißt, auch wenn man  hier deshalb nicht gleich mit klasssichen Vampiren rechnen muss.stoker 4

Matthew Goode wirkt als undurchsichtiger Charlie ein ganzes Stück charismatischer und furchteinflößender als noch in „Watchmen“ und Nicole Kidman passt mit ihrem derzeitigen Aussehen dann auch recht stilecht in die Rolle des von allen handwerklichen und Koch-Fähigkeiten befreiten Luxusweibchens. Das hervorragende Drehbuch, das bemerkenswerterweise von Schauspieler und „Prison Break“-Star Wentworth Miller stammt, und von diesem unter Pseudonym eingereicht wurde, atmet eindeutig den Geist des Vorbilds Hitchcock, insbesondere von dessen Thriller „Im Schatten des Zweifels“ aus dem Jahr 1943, der nicht nur eine ähnliche Grundkonstellation sondern ebenfalls einen „Onkel Charlie“ aufweist, geht aber vor allem in der visuellen Umsetzung dann doch ganz eigene und feinsinnige Wege.

Da hat zweifellos mal alles zusammengepasst, ist ein erstklassige Skript vom richtigen Regisseur umgesetzt und der Film dann auch noch ideal besetzt worden, was „Stoker“ somit zu einem der ganz heißen Tipps des Kinojahres macht.

Bilder: Copyright

10
10/10

Bereits vor einem Monat zu den Fantasy Film Festival Nights gesehen.

Ein sehr guter Einstieg in die "westliche Filmbranche" von Park Chan Wook. Für mich der derzeitige Film des Jahres 2013.

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9
9/10

Fantastische Bilder, ein irrer Schnitt, eine traumhafte Sounduntermalung. Wenn die Spinne Indias Strumpfhose empor krabbelt und letztlich zwischen ihren Schenkeln verschwindet ist die bildliche Metapher perfekt. Eine cineastische Perle, die nur alle Jubeljahre vorkommt. Grandios, perfekt!

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7
7/10

Beeindruckender Film, der durch tolle Atmosphäre und Schauspieler besticht. Die Handlung ist etwas vorhersehbar und am Ende merkwürdig. Vielleicht ein paar zuviel Metaphern, aber ok. Mia Wasikowska mochte ich in Alice noch nicht so, hier überzeugt sie aber sehr. Kleiner Hinweis, im Film heißt sie weder Indira noch Mia, sonder India. Ciao.

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