Die äußerlich harmonisch und erfolgreiche, tatsächlich aber seit langem etwas festgefahrene Ehe von Georges (Daniel Auteuil) und Anne (Juliette Binoche) gerät durch eine einfache Videokassette ins Wanken. Auf der ist eigentlich nichts Spektakuläres zu sehen, aber wer hat es schon gern, wenn ein Unbekannter vor dem eigenen Haus lauert um dieses und die Bewegungen seiner Bewohner aufzuzeichnen. Als den Beiden immer wieder eines dieser Bänder zugespielt wird, gerät ihr bürgerlich-intellektuelles Leben langsam aus den Fugen und angespannte Nervosität macht sich breit. Wer ist der Unbekannte und was bezweckt er mit seinen Aktionen? Handelt es sich vielleicht um einen verrückten Fan oder Kritiker von Georges populärer Literatur-Talkshow? Irgendwann liegen den Bändern plötzlich Zeichnungen bei, meist Strichmännchen mit blutig roter Kehle. Dann ist plötzlich ein Huhn mit durchschlagenem Hals zu sehen, und Georges beginnt sich zu erinnern ....
Kaum ein Autor und Regisseur ruft beim Publikum seit Jahren solch gespaltene Reaktionen hervor wie der Österreicher Michael Haneke. Als Beleg dafür möge die Diskussion zu seinem wohl bekanntesten Film "Funny Games" auf eben dieser Internetseite gelten. Haneke quält sein Publikum vorzugsweise mit den Themen "Gewalt" und der allgemeinen Schlechtigkeit der Menschen, wobei er das Kunststück beherrscht die in seinen Filmen ausgeübte Gewalt den Zuschauer schockieren zu lassen, ohne sie direkt zu zeigen. Gelegentlich "quält" Hanekes Prinzip, sich gängigen Erzähl- und Handlungsmustern nahezu komplett zu verweigern, allerdings auch das Publikum, welches trotz aller Offenheit für Neues seinem letzten Werk "Wolfzeit" daher nur noch in sehr übersichtlicher Zahl folgen konnte oder wollte.
Mit "Caché" liegt nun jedoch ein Werk vor, das man als eine Art "erfreulichen Rückschritt" bezeichnen könnte. Zurück zur hypnotischen Spannung und dem Gefühl als Zuschauer mittendrin zu sein, in einem genauso aufregenden wie bedrohlichen Psychospiel. Wobei dieser Film kaum solch große Kontroversen auslösen wird wie seinerzeit "Funny Games". Denn an die Stelle einer quasi jeden einzelnen Zuschauer auch direkt angreifenden Medienkritik tritt hier eine Geschichte über Schuld und Ungerechtigkeit, der man lange Zeit aus recht sicherer Distanz zum betroffenen Georges folgen kann. Dank der feinen Charakterzeichnung der Hauptfigur geht diese jedoch Stück für Stück verloren. Während es zu Beginn noch leicht fällt, ein wenig klammheimliche Freude über die wachsende Ratlosigkeit des leicht blasierten Intellektuellen zu empfinden, so hört dies schließlich irgendwann auf.
Denn erstens ist das Ganze bald wirklich nicht mehr lustig, und außerdem muss man halt ehrlicherweise einräumen, dass der gute Georges sich letztendlich doch genauso verhält wie es beinahe jeder tun würde. Er versucht vernünftig und "richtig" zu handeln und mit der ganzen Sache irgendwie fertig zu werden, steht dabei aber doch immer mehr als der böse Bube dar. Er hat Leichen im Keller, die er vielleicht nicht nur verdrängt sondern tatsächlich auch schon lange vergessen hatte. Er wusste wirklich nicht (oder machte sich zumindest keine Gedanken darüber) , welche langfristigen Auswirkungen seine Handlungen hatten, und doch prägten sie das ganze Leben anderer.
Obwohl alle Darsteller hier solide bis sehr gute Leistungen bieten, ist das gar nicht so entscheidend für die Wirkung des Films. Denn das ist eher und erneut die absolute Genauigkeit der von Haneke gewählten Bilder. Durch die mehrfache Wiederholung bestimmter Einstellungen werden einem diese praktisch eingebrannt, mit dem verblüffenden Effekt, dass auch eine eigentlich harmlose Hausansicht plötzlich ziemlich unheimlich und die leichte Variation eines schon vorher gezeigten Motivs sogar regelrecht erschreckend wirkt. Die Kamera steht dabei an Positionen, die den Betrachter einmal mehr zum Voyeur werden lassen und teilweise auch an Orten, an denen sie der gesunden Logik nach eigentlich gar nicht stehen dürfte - ein Stilmittel, welches wie schon die berühmte "Zurückspulszene" in den "Funny Games" eine rationale Erklärung manchmal sogar unmöglich macht.
Denn dass wir Hanekes Bildern nicht immer trauen können und er sowohl mit seinem Medium als auch mit uns ein wenig herumspielt und manipuliert, ist bekannt, und nicht jeder wird sich damit anfreunden können. Doch keine Sorge, auch wenn letztendlich tatsächlich nicht alle Vorkommnisse exakt zu erklären sind, so bekommen wir doch eine richtige Geschichte und auch die Auflösung der Vergangenheit des Georges Laurent geboten.
Dass auf diese hier nicht so genau eingegangen wird und der geneigte Leser sich vielleicht immer noch fragt, worum genau es in "Caché" nun eigentlich geht, sei dem Rezensenten dabei bitte verziehen. Er versucht damit nur neugierig zu machen, auf einen formal brillanten und sehr klugen Film, der zwar nicht ganz die Wucht und Wirkung der "Funny Games" erreicht, den man sich aber auf jeden Fall ansehen sollte.
|
Neuen Kommentar hinzufügen