Der Mann von heute hat ein Identitätsproblem. Während die selbstbewusste, eigenständige Frau von heute die von ihren emanzipierten Vorläuferinnen der 70er und 80er Jahre gesäten Früchte erntet, sich selbstbestimmt und unabhängig nach oben arbeitet, spielend die Doppelbelastung "Kind und Karriere" meistert, den Mann an ihrer Seite eigentlich nur noch als schmückendes Accessoire braucht und sich als modernes Idealbild unserer Gesellschaft sehen darf, das auf breiter medialer Front abgefeiert wird und in Form von TV-Serien wie "Sex and the City" Denkmäler errichtet bekommt, steht der Mann unschlüssig daneben und fragt sich kopfkratzend, was er hier eigentlich noch soll.
Früher, ja, da war alles noch einfach: Mann hatte das Geld ranzuschaffen und für alles zu bezahlen, Frau kümmerte sich um Kind, Kegel und den Rest. Heute beeindruckt Mann mit beruflichem Status niemanden mehr, abgesehen von erfolgreich hat er auch noch einfühlsam, aber stark zu sein; eigenständig aber auch in der Lage, Schwäche zu zeigen; humorvoll und locker, aber nicht die Augen vor dem Ernst des Lebens verschließend; ein smarter Verführer, aber auch ein großartiger Zuhörer; kinderlieb, verantwortungsbewusst und bedingungslos unterstützend bei allem, was seine Partnerin tut; leidenschaftlicher Liebhaber und bester Freund in einem. Kurz: Der Mann ist die neue Frau. Heillos verheddert zwischen archaischen Rollenbildern und den Anforderungen einer modernen Zeit und ziemlich damit überfordert, in dieser Gemengelage seine Rolle zu finden.
Allerhöchste Zeit, dass eben diesem Mann des neuen Jahrtausends endlich auch mal eine filmische Würdigung widerfährt, und darum hat sich der Autor und Regisseur Simon Verhoeven gekümmert. Das Ergebnis ist "Männerherzen", eine sehr kurzweilige, sehr amüsante und sehr ehrliche Bestandsaufnahme, was das Mann-Sein heutzutage alles mit sich bringen kann.
Und das ist vor allem: Allgemeine Verwirrung darüber, was von einem erwartet wird, und ob Mann eigentlich das tut, was Mann will, oder nur das, was Mann glaubt tun zu müssen. Zwecks möglichst repräsentativer Analyse fächert Verhoeven seinen Film in fünf nur locker miteinander verbundene Episoden auf, deren Protagonisten einen ziemlich sauberen Querschnitt durch die moderne Männlichkeit ergeben: Da gibt es den stoffeligen Günther (Christian Ulmen), gnadenlos uncool und chronisch erfolglos beim Versuch, seiner Einsamkeit zu entkommen. Der Kämpfertyp Roland (Wotan Wilke Möhring) wurde von seiner Frau verlassen und setzt äußerst verbissen alles daran, sie zurück zu gewinnen. Der erfolgreiche Werbemanager Niklas (Florian David Fitz, "Doctor's Diary") hat die volle Packung aus Erfolg und wundervoller Verlobter und ist ein echt verlässlicher Bursche, doch kurz vor dem Ja-Wort kriegt er nun doch ein wenig kalte Füße. Sein Kumpel Philip (Maxim Mehmet) hat eigentlich noch gar nichts so richtig zustande gebracht und werkelt an einer halbgaren Geschäftsidee rum, als ihm seine Gelegenheitsfreundin, die Kindergärtnerin Nina (Jana Pallaske) eröffnet, dass sie von ihm schwanger ist. Und dann gibt's noch den Musikproduzenten und Womanizer Jerome (Til Schweiger), der sich in seiner feierfreudigen Ungebundenheit so gut eingerichtet hat, dass Frauen gar nicht mehr richtig an ihn ran kommen. Da muss schon der extrem anstrengende Schlagersänger Bruce Berger (Justus von Dohnányi) daherkommen, um ein bisschen Unruhe (und vielleicht sogar Erkenntnis) in Jeromes Leben zu bringen.
Zwischen diesen fünf Handlungssträngen nun springt "Männerherzen" im permanenten Wechsel hin und her, mit dem Fitness-Studio, in dem alle Herren trainieren, als einziges Bindeglied, verliert dank konstant hohem Tempo aber nie eine seiner Geschichte aus den Augen und schafft es, alle seine Episoden fast gleichwertig interessant und unterhaltsam zu halten. Dass man dem Duo aus genervtem Musikproduzent und überkandideltem Schlagerstar trotzdem mit der größten Wonne zuguckt, ist indes das Verdienst der grandiosen Show, die Justus von Dohnányi hier hinlegt. Der begnadete Mime wirft sich hier mit solcher Spielfreude und Lust an der Persiflage in seine Rolle, dass man ihm stundenlang zusehen möchte. Und Bruce Bergers selbst geschriebene "Hymne", mit der er sich Michael Jackson-mäßig zum Botschafter einer besseren Welt aufschwingen möchte, ist so grandios schlecht, dass sie - vor allem in Kombination mit dem Musikvideo, das den Abspann unterlegt - fast schon allein das Eintrittsgeld wert ist.
Die thematische Fülle, die "Männerherzen" mit seinem breit aufgestellten Ensemble abzudecken versucht, birgt natürlich auch die Gefahr, dass manches zu knapp gehalten, zu dünn erzählt werden muss und Geschichten und Figuren zu Allgemeinplätzen und Stereotypen verkommen. Dass das hier nicht passiert, ist zum einen den durchweg toll aufspielenden Darstellern zu verdanken, die absolut perfekt gecastet sind und wie die Faust aufs Auge in ihre Rollen passen; zum anderen ist es das Verdienst des großartig ausgearbeiteten Drehbuchs von Simon Verhoeven, der die für jeden Erzählstrang so knapp bemessene Zeit in brillant gewählte Szenen destilliert, in denen jedes Detail stimmt und jeder Moment so präzise gesetzt ist, das wenige Sekunden reichen, um die Figuren wirklich lebendig zu machen und prägnante Stimmungen einzufangen. Ebenso lebensecht wie schlichtweg grandios zum Beispiel die Begegnung mit einer Immobilien-Maklerin, die in wenigen Dialogsätzen die gesamten Ängste manifestiert, die Mann mit einem Hauskauf verbindet.
Unentschlossenheit ist entsprechend ein ständig wiederkehrendes Thema in diesem Film. Kein Wunder, ist sie doch prägende und herausragende Charaktereigenschaft der gesamten Generation zwischen 25 und 35, die vor lauter Möglichkeiten gar nicht so recht weiß, was sie eigentlich alles ausprobieren will, sich viel zu schnell dazu gedrängt sieht, endlich "erwachsen" zu werden und konsequent Angst hat, irgendwas zu verpassen. Eine Generation, die im aufregenden Rhythmus des Großstadt-Beats leben möchte, aber gerade dort von überlebensgroßen Werbetafeln für Traumreisen und Männerdüfte permanent Idealbilder vorgegaukelt bekommt, die in ihrer Unerreichbarkeit nur noch deprimierend sind. "Du spielst beruflich ‚Reise nach Jerusalem'!" muss sich Philip nach diversen abgebrochenen Studiengängen und verworfenen Karriereideen von seiner Freundin Nina anhören, die damit seinen generationstypischen Konflikt auf den Punkt bringt: Wenn ich noch nicht mal weiß, was ich eigentlich will, wie soll ich denn dann bitte die Verantwortung für eine Familie übernehmen können?
Es sind Fragen wie diese, die "Männerherzen" ganz offen und ehrlich angeht und dabei auch nicht versucht, die Verwirrung und Planlosigkeit seiner tragischen Helden irgendwie zu beschönigen. So entsteht aus den verschiedenen Handlungssträngen ein bunter Reigen an größeren und kleineren existenziellen Problemen, ein in seiner knackig-komischen Aufarbeitung wirklich schön anzusehendes Chaos, das genug ganz alltäglich realistische Scheiße enthält, um mehr zu sein als gut gemachte Unterhaltung - sondern eben auch ein einsichtiges, ernstzunehmendes Stück Lebensanalyse, über die es sich durchaus nachzudenken lohnt.
Es ist zwar zu spüren, dass der Tiefgang beizeiten zugunsten eines höheren Tempos zurecht gestutzt wurde, manchen sehr kurzen Szenen ist in ihrer Abgehacktheit deutlich anzusehen, dass hier im Schneideraum etwas energisch die Schere angesetzt wurde, meistens zugunsten einer schnelleren Überleitung zum nächsten guten Gag. Diese Zugeständnisse ans Publikum (immerhin ist der Film primär immer noch eine Komödie, und wird auch als solche beworben) sind allerdings leicht zu verzeihen, wenn es dabei immer noch gelingt, so gewitzt und klug über das alles andere als simple Thema des Films zu reflektieren.
So erweist sich "Männerherzen" als rundum gelungenes Meisterstück, in dem Mann sich auf jeden Fall verstanden fühlen und wiederfinden wird, und genau deshalb auch guten Gewissens Frau oder Freundin mit ins Kino nehmen sollte. Denn die können hier echt noch was lernen. Wenn "Sex and the City" eine Generation von Frauenverstehern nach sich gezogen hat, lernt dieser Film vielleicht ein paar Männerversteherinnen an. Das wär' doch mal was Neues. Und längst überfällig.
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