Eigentlich hatten sie gar keine Chance, die Macher von "Fluch der Karibik". Denn wenn es in den letzten Jahrzehnten überhaupt mal jemand wagte das Minigenre "Piratenfilm" wiederzubeleben, dann scheiterte er jämmerlich. Das galt sowohl für Roman Polanskis völlig überfrachtete Komödie "Piraten" aus den Achtzigern als auch für Renny Harlins "Die Piratenbraut" eine Dekade später. Harlin inszenierte seinerseits zwar ein durchaus brauchbares Leinwandabenteuer, wollte aber unbedingt seiner Gattin Geena Davis ein Denkmal setzen und segelte damit deutlich am Publikumsgeschmack vorbei. Und da der Film auch noch kostenmäßig völlig aus dem Ruder lief, war es das dann eben erst einmal mit den modernen Varianten der Piraten, das Thema galt als verbrannt und Kassengift. Nun also trotzdem der "Fluch der Karibik", basierend auf einer eher wenig aufregenden Attraktion der Disneyland-Vergnügungsparks (wie der Originaltitel "Pirates of the Caribbean" verrät). Und mit Jerry Bruckheimer als Produzent, dessen vormals so goldenes Händchen in Sachen Massengeschmack spätestens seit "Nur noch 60 Sekunden" und erst recht seit "Bad Company" auch schon etwas an Glanz verloren hat. Sie hatten also keine Chance und haben diese doch optimal genutzt. Denn offensichtlich hatten sie diesmal doch eine brauchbare Vision von äußerst unterhaltsamem Popcorn-Kino mit einer idealen Mischung aus Action und Spaß. Und vor allem hatten sie Johnny Depp.
Denn der spielt Kapitän Jack Sparrow. Einen Kapitän ohne Schiff allerdings und auch sonst eher nicht das, was man sich unter einem eindrucksvollen Seeräuber gemeinhin so vorstellt. Das Schicksal treibt ihn nach Port Royal, und da Sparrow ein Mann ist der sein Schicksal annimmt, macht er halt das Beste daraus und ist gerade dabei sich ein neues Gefährt anzueignen, als die schöne Gouverneurstochter Elizabeth (Keira Knightley) vor ihm ins Wasser plumpst. Die anschließende Rettung wird Jack übel gedankt, denn nach turbulenter Verfolgungsjagd landet er schließlich hinter Gittern. Nicht zuletzt dank der tatkräftigen Mithilfe von Elizabeths heimlichen Verehrer Will Turner (Orlando Bloom). Der ist zwar eigentlich auch Pirat, weiß davon aber nichts seit er als schiffbrüchiges Kind aus dem Wasser gefischt wurde. Die Karten werden neu gemischt, als die als Geisterschiff berüchtigte "Black Pearl" unter der Führung von Kapitän Barbossa (Geoffrey Rush) die Hafenstadt überfällt und Elizabeth entführt. Da Jack Sparrow offensichtlich etwas mehr über die Ziele der unheimlichen Piraten weiß, macht sich Will mit ihm auf die Verfolgung. Nicht unbedingt zur Begeisterung des Gouverneurs und des offiziellen Bräutigams seiner Tochter, Commodore Norrington. Die anschließende Hatz über die Meere führt sowohl zu gruseligen Schatzinseln als auch zu sehr einsamen Eilanden. Und es zeigt sich, dass bei den finsteren Gesellen der "Black Pearl" wirklich nicht alles mit rechten Dingen zugeht.
Auf denen lastet er nämlich, der "Fluch der Karibik", und wenn sich die Piraten bei Mondlicht in furchtbare Skelette verwandeln geht's so richtig zur Sache. Diese Verwandlungsszenen bilden denn auch das Highlight des Films in tricktechnischer Hinsicht. Sehr echt und überzeugend sieht das alles aus und entlockt dem Betrachter durchaus noch ein Staunen. Ansonsten sind die Spezialeffekte aus dem Computer aber hier nicht so dominierend und diese Entscheidung wird dem eher klassischen Hintergrund auch gerecht. Denn hier gilt es in erster Linie eine farbenprächtige Kulisse mit hübschen Kostümen und beeindruckenden Schauplätzen zu präsentieren und auch hier liefert der Film das ab, was man von einer solchen Großproduktion erwarten darf.
Nicht ganz so genau wusste man aber offensichtlich, wohin man mit der Geschichte steuern soll. Die verläuft nicht allzu zielstrebig, so dass wir den Helden und Schurken gleich mehrmals zu den gleichen Schauplätzen folgen. Diese nicht unbedingt notwendigen Wirrungen sind denn auch der Grund für die lange Laufzeit des Films und bilden daher auch den einzigen wirklichen Kritikpunkt: Hier hätte man wirklich lockere 25 Minuten kürzen können ohne einen Substanzverlust zu erleiden.
Sonst aber nichts zu meckern fürs mit bombastischen "Event Movies" in letzter Zeit eigentlich schon übersättigten Publikum. Optik, Action und Gags überzeugen, das junge und schöne Liebespaar wird solide verkörpert von Orlando "Legolas" Bloom und der zauberhaften Keira Knightley (die es als Newcomerin von der englischen Fußball-Komödie "Kick it like Beckham" direkt zum neuen Shootingstar Hollywoods geschafft hat). Und während Geoffrey Rush für seinen bösen Barbossa eine Routineleistung genügt, verdient sich Jack Davenport für seinen gar nicht mal so eindimensionalen Norrington sogar eine stilvolle Extrabenotung.
So weit - so gut, und damit wären wir ja eigentlich auch schon ganz zufrieden. Wäre da nicht noch jemand, der dieses knallbunte Spektakel dann noch endgültig von einem "guten" auf den "außergewöhnlichen" Level hebt. Denn nichts anderes als ganz außergewöhnlich ist die Figur, die uns Johnny Depp hier mit seiner Interpretation des Kapitän Jack Sparrow präsentiert. Ob als Vorlage nun wirklich Knittergesicht Keith Richards oder doch eher Bugs Bunny diente: Egal, denn dieser ständig leicht zugedröhnt vor sich hin stolzierende Freibeuter mit wirrem Blick, einmaligem Outfit einer verhinderten Drag Queen, und unberechenbaren Aktionen ist tatsächlich eine völlig neue und eigenständige Figur. Da spielt Mr. Depp jahrelang schön schräge Außenseiter in von vornherein auch eher schräg angelegten Werken und was macht er, wenn er doch mal in einer eigentlich für ihn viel zu glatten Produktion für die ganze Familie mitspielen darf? Bleibt sich treu und setzt dem Ganzen noch die Krone auf, treibt den Aberwitz auf die Spitze. Dass man ihn das auch machen ließ ist dabei eine der weisesten Entscheidungen der jüngeren Filmgeschichte, denn das Publikum wird ihn lieben.
Bleibt also nach dieser unbedingt notwendigen individuellen Lobpreisung noch das Fazit zu ziehen. Und das sieht hier so aus: Regisseur Gore Verbinski landet nach seinem "Ring" einen weiteren Megahit in einem völlig anderen Genre. Johnny Depp kreiert mit seinem Charakter einen "Instant Classic". Und manchmal wird Mut zum Risiko bei der Themenwahl und Besetzung also auch in Hollywood belohnt. Denn wenn schon noch mehr großes Popcorn-/Blockbuster-Entertainment, dann doch bitte so.
Neuen Kommentar hinzufügen