Wer John Carpenter nur als kettenrauchenden, schlohweißen Onkel aus TV- oder DVD-Specials kennt, in denen er sich zum Thema Horror äußert, oder einen Film von ihm gesehen hat, der in den letzten 25 Jahren gedreht wurde, der wird nicht nachvollziehen können, warum Carpenter in der Horrorfilmgemeinde wie ein Heiliger verehrt wird. Wie viele Talente blühte Carpenters Karriere nur kurz, etwa sechs Jahre, aber in dieser kreativen Hochzeit schaffte er es, neben auch für sich beeindruckenden Genrefilmen wie „Die Klapperschlange“ zwei absolute Klassiker des Horrorgenres zu kreieren, die zu den besten Filmen ihrer Gattung und folglich auch zu den besten Filmen aller Zeiten gehören. Angst wurde selten so beindruckend durchdekliniert, wie Carpenter es in diesen beiden Filmen tut.
Dabei haben beide Filme auf verschiedene Weise mit Epigonentum zu kämpfen. „Halloween“, weil der Ruf des Klassikers ein wenig unter der Flut an schwachen Sequels und Remakes leidet, die dem Original vom ruhmreichen Namen abgraben, und auch weil er die Urmutter aller modernen Slasher ist, deren Imitation des Originals die damaligen Neuheiten von Carpenters Film nach und nach in Klischees überführten. So ist die von Jamie Lee Curtis gespielte Laurie Strode in „Halloween“ das erste „final girl“ der Slashergeschichte, das aufgrund ihrer Züchtigkeit das Massaker überleben darf. Der repressive Ansatz der nachfolgenden Slasher (Alkohol, Sex und Drogen = Tod) ist dabei in Carpenters Film zwar schon embryonisch vorhanden, wird aber nicht zur lachhaften Plattitüde und moralischen Rechtfertigung, mit der ein Publikum johlend das Ableben der Teenager-Protagonisten begrüßt. Auch ist „Halloween“ anders als die vielen Nachfolger und Nachahmer ein ausgesprochen unblutiger Film, der eben nicht nur auf möglichst brutale Tötungsszenen setzte, sondern auf den langsam aber stetigen Aufbau von Atmosphäre und Spannung.
„Das Ding aus einer anderen Welt“ ist selbst ein Epigone, zumindest nominell als Remake eines Hollywoodklassikers aus den frühen 1950ern. Was aber so nicht wirklich stimmt. In den letzten Jahren ist das Wort „Remake“ in Hollywood ja ein wenig unpopulär geworden, da es allzu deutlich das Stigma der ideenlosen Abkupferei mit sich trägt. Stattdessen wollen einige Marketingstartegen mit dem Wort „Re-Imagining“ kontern, das wiederum Kreativität ausstrahlen soll, denn hier wird angeblich aus alten Ideen etwas Neues geschaffen. Das gelingt allerdings nur in den seltensten Fällen, am beeindruckendsten ist es sicherlich, wenn dabei ein Klassiker herauskommt, der sein Genre mit neuen Ideen und altmodischen Stärken dominiert. Mit „Das Ding“ haben wir einen solchen Fall vor uns.
Der Film ist zwar nominell ein Remake von „Das Ding aus einer anderen Welt“, macht aber dem Wort „Re-Imagining“ alle Ehre, lange bevor der erste Werbestratege es in seinen Mund nahm. Denn auch wenn Howard Hawks-Fan Carpenter das Original (das, so sind sich fast alle Experten einig, nicht vom offiziellen Regisseur Christian Nyby, sondern von Produzent Hawks selbst inszeniert wurde) liebt, so entschied er sich, zur Quelle zurückzugehen, John W. Campbells Erzählung „Who Goes There?“. Carpenters „Das Ding“ ist eine wesentlich werkgetreuere Adaption als Nybys/Hawks' Film, die genau das (und mehr) visualisiert, was Campbell vorgeschlagen hat. Wo das Monster im Original genau so aus einem der alten Universal-Horrorfilme der 1930er und 1940er entlaufen sein könnte, gibt Carpenter ihm einen modernes und splatterfreudiges Antlitz, das das Publikum im Erscheinungsjahr 1982 heillos überforderte. Die so famosen wie unglaublichen Effekte des damals blutjungen Rob Bottin rangen sowohl dem Feuilleton als auch den meisten Zuschauern damals eher Ekel denn Bewunderung oder gar Begeisterung ab.
Wie schon in der Gold-Rezension zu „Blade Runner“ konstatiert: 1982 war kein gutes Jahr für pessimistische Science-Fiction, und so musste sich „The Thing“ wie das Replikantendrama über Jahre auf Video und retrospektiv den Respekt verdienen, der dem Film zusteht. Bottins Effekte sind natürlich in den fast dreißig Jahren, die inzwischen vergangen sind, von CGI und anderen Techniken überholt worden, aber es stecken so viele abgefahrene Ideen in seinen monströsen Mutationen, dass auch heutige Betrachter die klassischen Monstermomente des Films kaum vergessen werden. Man kann da nur dem Charakter Palmer zustimmen, der stellvertretend für das Publikum sagt „You've got to be fuckin' kidding!“.
Das Geniale von Carpenters Arbeit im Horrorgenre wird deutlich, wenn man sich die zwei Schauplätze von „Halloween“ und „Das Ding“ vor Augen führt. Er nimmt zwei von Grund auf komplett verschiedene Schauplätze – die normale Umgebung und die extreme Umgebung – und führt in beide etwas externes Extremes ein, einen Horror, mit denen die Bewohner nicht oder kaum umgehen können, weil er ihr Fassungs- und Reaktionsvermögen um ein Weites überschreitet. In „Halloween“ ist dies die typisch amerikanische Kleinstadt, dargestellt vom fiktiven Haddonfield/Illinois. Klar, die Kleinstadt als Ort des plötzlich einbrechenden Horrors gab es schon in „Der weiße Hai“, aber erst mit „Halloween“ erschuf Carpenter den Archetyp der normalen Kleinstadt, deren Bürger und überforderte Polizisten nicht glauben können, welch Horror über sie hereinbricht. Ihm zu Gute kommt dabei die architektonische Struktur der amerikanischen Vorstädte. Die grundlegend gleichen Häuser mit ihren weißen Holzgartenzäunen, die die Alleestraßen beidseitig säumen – sie sind der normalste Ort der Welt. Nur indem Carpenter einen Mann in weißer Maske in die Ecken der Aufnahmen dieses normalen Orts stellt, wird aus dem harmlosen Haddonfield plötzlich der bedrohlichste Ort der Welt. Und dann der Killer in der Maske: An Halloween ist Michael Myers in seinem Element. Der „Schatten“ kann so unbemerkt in Haddonfield wandeln, weil es nun mal an diesem einen Tag nichts Besonderes oder Alarmierendes ist, jemanden in Gruselmaske herumlaufen zu sehen.
Anders sieht es in der Welt des „Ding“ aus. Hier hat Carpenter das Gegenteil eines normalen Ortes. Die amerikanische Forschungseinrichtung in der Antarktis ist bereits ein extremer Schauplatz – folglich muss auch der Horror, den Carpenter hier einführt, um ein Vielfaches extremer sein, als einfach ein Mann mit Messer. MacReady, Childs, Doc und die anderen Bewohner der Station sind alles harte Typen, um es Tag für Tag mit dem ewigen Eis aufzunehmen. Sie haben mit Sicherheit schon allerhand kranken Scheiß gesehen in ihrem Leben - aber nichts, das sich auch nur ansatzweise mit dem Anblick des Dings in seinen mannigfaltigen Mutationen vergleichen lässt. In „Das Ding“ nimmt Carpenter wie Ridley Scott in „Alien“ eine Extremsituation – isolierte Charaktere ohne Chance auf Hilfe von Außen in unwirtlicher Umgebung – und überspitzt diese dann, indem er dort ein Monster auf sie los lässt. „Das Ding“ ist dabei ein Musterstück in dramatischer Zuspitzung. Zu der Bedrohung durch einen unsichtbaren Feind kommt bald dank Sabotage, dass die Männer im Außenposten 31 völlig von der Außenwelt abgeschnitten sind, ohne Funk- oder Radiokontakt und Transportmittel. Die schon vorher offensichtliche Einsamkeit der Männer wird vervielfacht, einzig die vorher gezeigte Langeweile wird abgelöst durch intensive Paranoia und Panik.
Es sind bei beiden Filmen die Besonderheiten der Bedrohung, die den Horror besonders effektiv machen. Mit Michael Myers, dem „Schatten“, erschuf Carpenter den perfekten Horrorprotagonisten, eine große stumme Mordmaschine, deren Motivation jenseits alles Irdischen und zumindest hier im Original jenseits aller Erklärung liegt. „War das der schwarze Mann?“ kann Laurie am Ende des Films nur keuchen, ihr Gehirn reduziert auf die Gedanken eines verängstigten Kindes. „Ja, ich glaube, dass war er“ pflichtet Dr. Loomis herrlich unsachlich bei. Mehr Erklärung brauchte es nicht – Myers war wie der böse Wolf im Wald oder die Hexe im Knusperhäuschen einfach da, eine Manifestierung des Bösen ohne Grund. Hier irrten die „Halloween“-Fortsetzungen fürchterlich – angefangen vom von Carpenter selbst für Teil Zwei geschriebenen Script – denn als sie anfingen, Myers Bösartigkeit erklären zu wollen, ging es mit der Mystik der Figur rapide bergab (nicht hilfreich war in diesem Zusammenhang auch, dass man bei keltischem Druidenschmarrn landete).
Nur hier, im Original-“Halloween“ ist Michael Myers das pure Böse und damit umso beeindruckender. Damit ist er hier auch das purste Distillat des Carpenter'schen Anliegens. Carpenter hat nie einen Hehl daraus gemacht, das es ihm immer in erster Linie darum geht, das Publikum zu unterhalten – politische oder soziale Subtexte? Gerne, aber bitte immer erst, wenn die Mission Unterhaltung gelungen ist! Auch so versteht sich die Figur des Michael Myers in „Halloween“ - Carpenter ist gar nicht daran interessiert, hier eine rationale Verbindung zwischen Myers' Hintergrnd und seinen Mordtaten zu ziehen. Der größte Fehler von Rob Zombies extrem zweifelhaften Neuauflagen war ja, dass er Michael eine Hintergrundgeschichte gab – und die Figur damit fast kaputt machte. Während Michael Myers als das reine Böse funktionierte, trieben auch hier die Nachahmer Schindluder und die killer-as-cypher à la Jason Voorhees übernahmen von Myers nur dessen Unzerstörbarkeit, nicht aber dessen Aura und Mystik.
Das Brillante am Ding ist, dass Carpenter mit ihm die Paranoia ins Extreme tauchen kann. Dank der immer weiter perfektionierten Mutationskunst des fremden Organismus kann jeder der menschlichen Protagonisten – mit Ausnahme unseres Helden MacReady, des Zuschaueräquivalents – unbemerkt vom Ding übernommen worden sein. „Das Ding“ ist auf den ersten Blick ein Horrorfilm, der sich der „zehn kleine Negerlein“-Mechanik bedient, die den von „Halloween“ begründeten Slasherfilm auszeichnet. Er geht aber durch die Natur der Bedrohung darüber hinaus, in dem in „Das Ding“ die Gruppe von Menschen gleichzeitig anzunehmende Opfer wie auch anzunehmende Täter sind. Anders als in Slashern, bei denen sich der Mörder in der Gruppe befindet und sich folglich für seine Morde entfernen und verkleiden muss, ist das Ding der perfekt getarnte Feind. Anders als das klassische Monster im früheren Film wartet das Ding so lange in völlig unverdächtiger Form, bis es ganz von selbst die Chance hat, unbemerkt ein weiteres Crewmitglied zu übernehmen.
Carpenter zeigt dies brillant in der bekanntesten und spannendsten und letztlich dann auch blutigsten Szene des Films auf – MacReadys Bluttest. Das Ding will nicht gefunden werden, also müssen MacReady und der Rest der Crew einen Weg finden, wie es sich kenntlich macht. Der Aufbau der Sequenz ist meisterlich und wurde von Carpenter danach auch nie wieder übertroffen. Die Spannung steigert sich mit jeder Berührung von heißem Draht und Blut, und gerade als Carpenter dann die Spannung fallen lässt, lässt er quasi beiläufig die Situation explodieren und das Ding sich enthüllen. Es folgen Panik, Blut und Tod.
Die Idee eines Feindes, der sich in einem selbst versteckt – kongenial zusammengefasst in der Tagline „Man is the Warmest Place to Hide“ – rührt an einer der menschlichen Urängste: Was ist, wenn ich selbst nicht mehr ich selbst bin? Diese Angst wurde auch auf der Leinwand immer wieder beschworen, etwa in den diversen und jede für sich sehr gelungenen Adaptionen des „Invasion of The Bodysnatchers“-Stoffes, die wiederum mehr als nur ein bisschen von Campbells Kurzroman beeinflusst waren. „Das Ding“ betont zudem die Körperlichkeit des Geschehens und streift damit den „Body horror“, mit dem Carpenters kanadischer Kollege David Cronenberg etwa zur selben Zeit arbeitete: Was ist, wenn mein Körper sich gegen mich wendet? AIDS mag zum Entstehungsdatum noch außerhalb des allgemeinen Bewusstseins gewesen sein, aber die Ängste vor der Infiltration des eigenen Körpers und der Ansteckung anderer machen „Das Ding“ zumindest nachträglich zu einem der ersten Filme, die derlei Ängste manifestierten. Dass der eigene Körper Zelle für Zelle von etwas Fremdem, etwas Bösartigem übernommen wird – ein Gedanke, den man beim Betrachten des Films nicht abschütteln kann.
Um diesen Aspekt des Films funktionieren zu lassen, ist es enorm hilfreich, dass Carpenter es bei der Besetzung von „Das Ding“ nicht nur bei einem realistischen reinen Männerklub beließ, sondern die Reihen auch noch weitestgehend mit unbekannteren Charakterdarstellern füllte. Außer Kurt Russell – Carpenters Weggefährten seit dem gemeinsamen „Elvis“-TV-Film 1978 – sticht keiner hervor, auch wenn man bei dem einen oder anderen denkt „Das Gesicht kenne ich doch irgendwoher“. Dass die Besetzung vom Außenposten 31 eine wenig attraktive Ansammlung Männer mittleren Alters ist, ist wesentlich realistischer als die oft unfassbar jungen und gutaussehenden Geologen und Wissenschaftler in vergleichbaren Filmen. Heutzutage würde der Film so gar nicht gemacht werden, wie ein Blick auf die Besetzungsliste des Prequels verrät. Zudem wird auf Hintergrundgeschichten zu allen Figuren verzichtet, was klassischerweise eigentlich ein Schwachpunkt eines Scripts ist, hier aber einer der Pluspunkte. Dadurch, dass wir keinen der Männer genau(er) kennen, kann tatsächlich jeder von ihnen das Ding sein und das Ratespiel inklusive Prognosen, wen es zuerst trifft, fällt weitestgehend aus. Einzig auf Kurt Russels MacReady, den sich langsam hervor stellenden Helden des Films, wollen wir uns verlassen, aber selbst was ihn betrifft streut der Film genug Zweifel, um sich letztendlich nie ganz sicher zu sein.
Thematische Neu- oder Andersartigkeiten schön und gut – aber all das würde nicht genügen, wenn „Halloween“ und „Das Ding“ nicht auch handwerklich herausragende Filme wären. Zwei Elemente dieser Filme stechen sofort heraus: die Musikuntermalung und die Kameraarbeit. Dies gilt umso mehr, als dass „Halloween“ eine extreme Low Budget-Produktion war und selbst „Das Ding“ mit seinem höheren Budget immer noch in den B-Produktionen anzusiedeln ist. Aber wenn Carpenter in seiner Blütezeit neben Stil und Spannung noch etwas Anderes erzeugen konnte, dann den Eindruck, seine Filme hätten ein paar Tausender mehr gekostet, als sie es eigentlich taten. Eine Art, die Kosten zu reduzieren, war für Carpenter seine verschiedenen Talente. Aus einer Musikerfamilie stammend hatte er einen soliden Musikhintergrund und komponierte zu Anfang seiner Karriere aus Kostengründen seine eigene Filmmusik – so auch das berühmte „Halloween Theme“, das selbst Leute kennen, die den Film gar nicht gesehen haben: simple, sich wiederholende Akkorde, eingespielt auf einem billigen Keyboard. Und dennoch – oder gerade deshalb – gehört es zu den Klassikern des Genres, in etwa auf Augenhöhe mit dem Thema des weißen Hais und Mike Oldfields „Tubular Bells“ aus „Der Exorzist“.
Das Musikthema von „Das Ding“ ist nicht weniger brillant – wenn auch auf ganz eigene Weise. Carpenter hatte hier das Budget, einen anderen Komponisten zu verpflichten und nahm nicht irgendwen. Niemand anderen als die lebende Legende Ennio Morricone, dessen Scores zu Sergio Leones Filmen unvergessen und weltweit bekannt sind. Morricone vollzog eine interessante Rochade: Er ließ sich von Carpenters minimalistischen Synthscores inspirieren und schuf einen düsteren Score, der eindeutig nach dem Regisseur klingt. Das Hauptmotiv aus „The Thing“ wird dominiert durch zwei Beats, den Doppelschlag eines Herzens. Wir hören das Thema, während die Kamera die langen Korridore und isolierten Gebäude der Arktis-Station entlang gleitet, indes wir als Zuschauer mit den Männern warten – warten auf etwas, das sie nicht verstehen und kaum bekämpfen können, das irgendwo lauert, dort draußen oder in ihnen. Nervenzerrend wie das Katz- Und Mausspiel, welches das Ding mit seinen menschlichen Opfern veranstaltet, ist auch das musikalische Thema.
Der andere stilprägende Schlüsselspieler von „Halloween“ und „Das Ding“ ist Kameramann Dean Cundey, dessen Arbeit mit Carpenter in „Halloween“ dem Film einen Großteil seiner unheimlichen Aura gibt und das Subgenre des Slasherfilms nachhaltig beeinflusste. Klar, auch die subjektive Kamera gab es vorher schon – dazu muss man sich nur die Stalk-Sequenzen aus Dario Argentos frühen Filmen anschauen – aber hier wurde sie zu einer Kunst erhoben, am besten zu sehen in der famosen und berühmten Eröffnungsszene des Films, in der der junge Michael seine ersten Opfer findet. Mit dieser Sequenz, die der Zuschauer komplett durch Michaels Augen (und seine Maske) sieht, ist der Ton für den Rest des Films vorgegeben.
Ob subjektive Kamerafahrten oder objektive Einstellungen, Carpenter und Cundey arbeiteten geschickt daran, die beste Einstellung und die beste Platzierung für den „Schatten“ oder seine Opfer in diesen Aufnahmen zu finden. Über zwanzig Jahre später mag einem das nicht mehr so sehr beeindrucken, weil eben jeder nachfolgende Film das kopiert hat, was Carpenter und Cundey hier machen. Aber sie machten es als Erste und am Besten, denn die Bedrohung, die von diesen Szenen ausgeht, blieb bei den Nachahmern unerreicht. In „Das Ding“ arbeiten Carpenter und Cundey mit diversen leicht ungewöhnlichen Kamerapositionen, die dem Zuschauer signalisieren „Jawohl, hier stimmt etwas nicht“. Die im Wortsinne düstere Atmosphäre in den engen Korridoren des Außenposten 31 wird vor allem durch natürliches Licht erhellt (oder eben nicht), was zu oftmals wunderbar atmosphärischen Bildern führt, etwa wenn sich die Männer nur im roten Licht bengalischer Feuer unterhalten. Cundey wurde nicht umsonst danach vom Hollywood-Mainstream eingeladen, einige ihrer größten Blockbuster zu visualisieren (die „Zurück in die Zukunft“-Reihe, „Jurassic Park“, Apollo 13“).
Und wenn es dann noch eines letzten Beweises bedarf, warum „Halloween“ und „Das Ding“ solche Genreklassiker sind, dann ist es sicherlich Carpenters Kompromisslosigkeit. Beide Filme enden weit entfernt der üblichen Sicherheit, mit der Hollywood den Zuschauer gerne entlässt, sondern mit offenen Enden. „Halloween“ endet mit einer Montage der leeren Orte, an denen der Zuschauer Michael Myers gesehen hat, unterlegt vom „Halloween Theme“ und dem Schnaufen von Myers unter seiner Maske. Die Botschaft ist eindeutig: Das absolut Böse in Form von Michael Myers ist nirgendwo zu sehen, aber überall. Übertroffen wird es nur noch vom nihilistischen, bitterbösen Ende von „Das Ding“, das die Apokalypse in ein Bild von zwei Männern, die um ein Feuer sitzen und Whisky trinken, legt.
„Halloween“ und „Das Ding aus einer anderen Welt“ markieren die Höhe- und Wendepunkte in der Karriere von John Carpenter. Mit „Halloween“, dem erfolgreichsten ohne ein großes Filmstudio veröffentlichten Film aller Zeiten eröffnete Carpenter nach dem Achtungserfolg „Assault – Anschlag bei Nacht“ seine Karriere so richtig, nach dem kommerziellen Misserfolg von „Das Ding“ begann ein langsamer, aber stetiger kreativer Verfall. Aber egal, wie sehr er seinem Ruf in den Folgejahren mit schwächeren Projekten Schaden zugefügt hat, mit diesen beiden Glanzlichtern seiner Karriere hat Carpenter das Horrorgenre und die Filmwelt um gleich zwei Meisterwerke bereichert. Und das ist doch gar nicht schlecht für einen Mann, der eigentlich nur Western im Stile von Howard Hawks' „Rio Bravo“ drehen wollte.
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