
Wer eine Vier-Milliarden-Dollar-Investition tätigt, der setzt natürlich eine Menge in Gang, damit dieses Geld auch wieder reinkommt und sich der Deal gelohnt hat. Da ist es also nicht wenig verwunderlich, dass der Disney-Konzern nach seiner spektakulären Übernahme von Lucasfilm und den Urheberrechten an "Star Wars" nicht nur eine Fortsetzung der legendären Sternensaga anschob, die mit "Das Erwachen der Macht" letztes Jahr dann auch gleich zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten mutierte, sondern dazu auch noch eine ganze Reihe weiterer Filme aus dem Star-Wars-Universum ankündigte, die nicht Bestandteil der zentralen Saga sein würden. Den Anfang macht nun also "Rogue One", der erste "Star Wars"-Film, in dem nicht ein einziges Mal der Name Skywalker fällt, und der auch nicht mit der üblichen Fanfare und dem Logo vor Sternenhimmel eröffnet wird (das ist wohl das Abgrenzungsmerkmal zwischen Haupt- und Nebenfilmen). Die Herausforderungen für die Macher waren wie schon bei "Das Erwachen der Macht" ziemlich groß, hier vielleicht sogar noch größer. Schließlich galt es, die Fans zufrieden zu stellen und einen weiteren "Star Wars"-Film zu machen, dabei aber auch so etwas wie einen eigenen Stil und Ton zu setzen, um sich eben von den zentralen Filmen abzusetzen. Ein Drahtseilakt, der zum Glück halbwegs gut geklappt hat. Ein Meisterwerk sollte man hier allerdings trotzdem nicht erwarten.
"Rogue One" erzählt eine Geschichte, von der jeder "Star Wars"-Fan weiß, dass sie passiert ist, nur nicht genau wie, weil sie im legendären ersten Film (Episode IV) nur mit ein paar dürren Worten erwähnt wurde: Dass es nämlich ein paar mutigen Rebellenkämpfern unter Aufopferung ihres eigenen Lebens gelungen ist, dem Imperium die genauen Konstruktionspläne des Todessterns zu stehlen. Im Zentrum von "Rogue One" steht nun die Rebellen-Soldatin Jyn Erso (Felicity Jones, tough und noch charismatischer als "Rey" Daisy Ridley in "Erwachen der Macht"), leibliche Tochter des genialen Waffenkonstrukteurs Galen Erso (Mads Mikkelsen), der vom Imperium verschleppt wurde, als Jyn noch ein kleines Mädchen war. Jyn bekommt nun vom Rebellen-Oberkommando den Befehl, zusammen mit dem wenig zimperlichen Cassian Andor (Diego Luna) ihren Ziehvater Saw Gerrera (Forest Whitaker) zur Zusammenarbeit zu überreden. Denn Gerrera führt so etwas wie seinen eigenen radikalen Zweig innerhalb der Widerstandsbewegung und hält den gemeuterten imperialen Piloten Bodhi Rook (Riz Ahmed) gefangen, der behauptet, dass das Imperium eine furchterregende Waffe konstruiert hat, einen Planeten-Killer in Form einer Raumstation. Die Behauptung stößt auf einige Skepsis unter den Rebellen: Kann man diese Geschichte wirklich glauben? Gibt es dafür Beweise? Und wenn ja: Wie in Gottes Namen soll man gegen solche eine Waffe irgendetwas ausrichten können?
Der Film hat natürlich ein entscheidendes Handicap, mit dem jedes Prequel zu kämpfen hat: So ziemlich jeder Zuschauer weiß schon vorher, wie die Geschichte ausgehen wird, was für die Erzeugung effektiver Spannung natürlich tödlich ist. Mit dieser Krux muss auch "Rogue One" irgendwie umgehen, und versucht sich dadurch zu helfen, dass er einen emotionalen Bogen zu seinem Zentrum macht - nämlich Jyns Bemühen herauszufinden, was mit ihrem Vater geschehen ist, was er mit dem Todesstern zu tun hat und was ihre Rolle in dieser ganzen Geschichte ist. Dass am Ende der Handlung zwingend eben jene Selbstmordmission steht, dem Imperium die Todesstern-Pläne zu stehlen, macht aus "Rogue One" zugleich so eine Art "Das dreckige Dutzend light": Die Gruppe um Jyn wächst sich nach und nach immerhin zu einem halben Dutzend Figuren aus, die sich schließlich gemeinsam todesmutig auf das Himmelfahrtskommando aufmachen.
"Dreckig" ist dabei in der Tat eine treffende Beschreibung, denn so schmutzig hat ein "Star Wars"-Film noch nie ausgesehen. Es geht hier eine ganze Spur rauer zu, als man dass sonst vom Sternenkrieger-Universum gewohnt ist. Gerade die Figur des Cassian Andor steht sinnbildlich dafür, dass auch die vermeintlich edlen Rebellen so einige Drecksarbeit zu erledigen haben, um die sich irgendjemand kümmern muss, und in einem Krieg keine Seite wirklich sauber bleibt. Selbst die sonst immer so strahlend weißen Sturmtruppen-Uniformen kriegen hier mal was ab. "Star Wars als dreckiger Kriegsfilm", das scheint das Mantra zu sein, mit dem man sich hier von seinen überlebensgroßen Vorgängern abzugrenzen versucht, während man aber gleichzeitig genug Wiedererkennungswerte schafft, als dass das Fan-Herz ständig höher schlagen darf. Hier ist vor allem die Ausstattung gefragt, da "Rogue One" chronologisch ja in den Tagen direkt vor "Episode IV" spielt, und in dieser Hinsicht wird auch sehr gute Arbeit geleistet: Von den Getränkebehältnissen bis hin zu den Displays in den Kampffliegern atmet hier alles den authentischen "Episode IV"-Charme.
Ein paar Aha-Momente durch das Auftreten bekannter Figuren gönnt man sich natürlich auch, die aus der Geschichte heraus aber auch vollkommen Sinn machen. Ein eigener Subplot innerhalb den Rängen des Imperiums dreht sich zum Beispiel um den Machtkampf zwischen Orson Krennic (Ben Mendelsohn), der die Konstruktion des Todessterns geleitet hat, und Wilhuff Tarkin, der das militärische Kommando über die neue Station innehat. Tarkin nun kennt man als "Star Wars"-Fan sehr gut aus "Episode IV", und statt das sehr prägnante Gesicht des damaligen (und 1994 verstorbenen) Darstellers Peter Cushing durch ein neues zu ersetzen, entschied man sich für die trickteschnische Lösung. Wir haben es also mit einem komplett computergenerierten Tarkin zu tun - und es spricht für die Qualität der Animationen, dass dessen Künstlichkeit kaum auffällt. Auch anderswo verlässt man sich auf klassische "Star Wars"-Stärken: Der Android als Comic-Relief-Figur leistet auch hier hervorragende Dienste. Diesmal heißt er K-2SO, ist ein gekaperter Imperiums-Droid und redet seit seiner Neuprogrammierung etwas mehr, als er sollte. Das ist in seiner furztrockenen Präsentation meistens sehr witzig und ein klares Highlight des Films.
Das alles funktioniert sehr gut, doch trotzdem bewahrt es "Rogue One" nicht davor, ziemlich lange zu brauchen, bis er wirklich in Schwung kommt. Gerade die erste Stunde zieht sich ganz schön und ist auch etwas verwirrend, da man dem Publikum erstmal eine Menge Exposition um die Ohren haut, ständig an einen neuen Ort springt und haufenweise Charaktere einführt. Da kann man sich als Zuschauer schon ein wenig verloren vorkommen, wenn man nicht ganz genau aufpasst. "Rogue One" muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Geschichte unnötig überkompliziert geworden ist. Auch wenn das vermutlich ein Versuch war, für das offensichtliche Ende zu kompensieren: So richtig aufgehen tut diese Rechnung nicht, der Film fühlt sich deutlich länger an, als er sein müsste, und eines der zentralen Plot-Elemente - das Zaudern im Rebellen-Hauptquartier, ob man den Gerüchten um diesen Todesstern nun wirklich glauben soll - wirkt so konstruiert, dass man jeder Szene dort anmerkt, wie sehr damit die Dramaturgie des Films gestreckt werden soll.
Für die langatmigen Passagen wird man dann allerdings mehr als entschädigt durch den ausgiebigen Showdown, denn der ist in seiner verschachtelten Konstruktion paralleler Ereignisse, der technischen Umsetzung und Inszenierung nahezu makellos und ein wahres Fest von einem Leinwand-Spektakel. Und als alter "Star Wars"-Fan kann man dann sowieso kaum anders als zu jubeln, wenn die letzten Szenen hier den Bogen zurück zu den ersten Szenen von "Episode IV" schlagen, zurück zum Anfang von allem. Das ist zwar total berechenbar, aber trotzdem großartig. Und so geht man dann doch zufrieden und milde gestimmt aus diesem Film heraus. Die Welt und das "Star Wars"-Universum hat "Rogue One" zwar sicher nicht gebraucht. Schaden tut er aber ganz sicher auch nicht.
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