Die Augen des Engels

Originaltitel
The Face of an Angel
Jahr
2014
Laufzeit
103 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Volker Robrahn / 18. Mai 2015

augen 1Im italienischen Siena wurde eine britische Studentin auf grausame Art ermordet. Was den Fall aber vor allem für die Medien aus aller Welt interessant macht, ist die Hauptverdächtige Jessica Fuller (Genevieve Gaunt). Die war die Mitbewohnerin der Getöteten und wird von der Presse bald als „Engel mit den eiskalten Augen“ betitelt. Es gibt aber noch weitere Verdächtige und potentielle Mittäter in diesem Fall, der kaum aufzuklären ist. Was den Filmemacher Thomas Lang (Daniel Brühl) an den Ort des Prozesses zieht ist jedoch weniger der genaue Tathergang. Der sich in einer Schaffenskrise befindliche Regisseur sucht vielmehr vor Ort nach Inspiration für seinen neuen Film, der sich zwar mit dem Kriminalstoff befassen soll, sich aber vorwiegend den Menschen dahinter widmen will. Zusammen mit der Journalistin Simone Ford (Kate Beckinsale) macht er sich an die Arbeit, gelangt jedoch bald an einen toten Punkt. Ablenkung verschafft ihm die junge Studentin Melanie (Cara Delevinge), doch die Produktionsfirma fordert langsam konkrete Ergebnisse, während Thomas sich immer mehr dem Punkt nähert, an dem er schließlich Realität und Halluzinationen kaum noch unterscheiden kann.
 

augen 2Natürlich dient der aufsehenerregende Fall „Amanda Knox“ als Vorbild für den neuen Film von Michael Winterbottom („Das Reich und die Herrlichkeit“, „In this World“), das macht schon die Anspielung auf die „Augen des Engels“ sehr deutlich. Der Mord an der Studentin Meredith Kercher beschäftigt Justiz und Presse bis heute, auch wenn die Verdächtige Amanda Knox nach jahrelangem Hin und Her kürzlich in finaler Instanz von den Mordvorwürfen freigesprochen wurde. Wer nun aber eine minutiöse Nacherzählung des Kriminalstoffes inklusive einer überzeugenden Auflösung erwartet, der ist bei Winterbottom an der falschen Stelle und das war im Grunde auch zu erwarten, denn eine simple „Whodunnit“-Story ist dem Macher von Kunst- und Kopfkino viel zu profan. Und mit astreinem Kopfkino haben wir es hier zu tun, was eine irgendwie stringente Handlung und eine leichte Nachvollziehbarkeit von vornherein ausschließt.

Stattdessen: Ein Filmemacher in der Sinnkrise und auf der Suche nach dem richtigen „Zugang“, geplagt von persönlichen Problemen und der Entfremdung von seiner Familie. Eine Inszenierung der italienischen Stadt Siena als unwirkliches Labyrinth, in dem sich jeder von außen kommende Fremde zu verlieren droht, wie einst Donald Sutherland im Venedig aus „Wenn die Gondeln Trauer tragen“. Figuren die plötzlich auftauchen, mal real, mal nur in der eigenen Vorstellung und dabei doch nur scheinbar den Schlüssel zur Lösung des Rätsels parat haben. Die Flucht in Beziehungen, die wenig rational sind, aber entweder körperlichen (mit der blassen Figur von Beckinsale) oder seelischen (mit der etwash überzeugenderen Studentin von Model Cara Delevinge) bieten.

augen 3Es könnte sich beim Filmemacher Thomas Lang um ein Alter Ego des Regisseurs Michael Winterbottom handeln, zumindest wäre dies die naheliegendste Erklärung, scheint doch die Filmfigur ähnlich rat- und ziellos auf der Suche nach der richtigen Herangehensweise zu sein wie der Mann auf dem Regiestuhl. Was Winterbottom aber bestreitet und sich auf das Buch „Angel Face“ von Barbie Nadeau als Vorlage beruft. Und dazu verkündet, sein Film wolle sich vor allem mit „den vernachlässigten Betroffenen des Falles befassen, dem Opfer, dessen Familie und auch den beteiligten Journalisten“. Hm, warum kreiert er dann aber zwei weitere Frauenfiguren ohne reale Vorlage und lässt sowohl das Opfer als auch die (vermeintliche) Täterin nur einer sehr untergeordnete Rolle spielen? Warum gibt er vor, sich einerseits nicht für die Details des Falles zu interessieren, verbeißt sich dann aber eine gute Viertelstunde in die Indizienkette gegen einen weiteren Verdächtigen?

augen 4Wirklich erschließen tut sich einem die Struktur dieses Films weder mit noch ohne Kenntnis der Erläuterungen seines Regisseurs und es wäre dann doch ein wenig zu einfach, diesen mit einem lapidaren Hinweis, als Zuschauer doch bitte seine eigenen Schlüsse zu ziehen, davonkommen zu lassen. Oder mit dem auf die „besondere, künstlerische Atmosphäre“, die gerne als Alibi herhalten muss, wenn das Erzählte an sich nur marginalen Sinn ergibt. Denn was hier an Kameraarbeit geboten und an Existenzfragen in den Raum geworfen wird ist dann auch nicht so beeindruckend, als das es in Richtung surreales Meisterwerk gehen könnte. Bei weitem nicht, und so wirken am Ende die meisten Darsteller genauso verloren im rätselhaft-mysteriösen Geschehen wie der Betrachter vor der Leinwand.

Falls der „Filmemacher auf Sinnsuche“ hier also sein eigenes „8 ½“ schaffen wollte, dann muss man leider feststellen, dass „Die Augen des Engels“ von einem Federico Fellini doch sehr weit entfernt ist und letztlich in seinen Ambitionen deutlich scheitert. Das Ergebnis ist der bisher wohl schwächste Film von Michael Winterbottom.

Bilder: Copyright

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