Tyrannosaur - Eine Liebesgeschichte

Originaltitel
Tyrannosaur
Jahr
2010
Laufzeit
91 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 12. Oktober 2011

Vor allem wenn er gerade wieder etwas zu viel getrunken hat, möchte man Joseph (Peter Mullan) lieber nicht begegnen. Aber auch sonst neigt der Witwer aus einem tristen Vorort von Leeds immer wieder zu unkontrollierten Wutausbrüchen, denen eines Abends sogar sein eigener Hund zum Opfer fällt. Abgesehen von den regelmäßigen Besuchen im Pub und den tyranno 1Gesprächen mit einem kleinen Nachbarsjungen findet so etwas wie ein Sozialleben in Josephs Welt praktisch nicht statt, doch als er sich eines Tages nach einem weiteren frustrierenden Erlebnis in einen kleinen Laden flüchtet und sich dort erst mal hinter einem Kleiderständer versteckt, stößt er damit eine neue Tür auf. Denn der Laden gehört der gutmütigen Hannah (Olivia Coleman), die sich auch von der rohen Umgangsart des Trinkers nicht so leicht verschrecken lässt. Obwohl er Ihren Glauben und ihre Naivität verspottet, wird Joseph doch wieder in den Laden zurückkehren und langsam entwickelt sich eine nicht genau zu definierende Beziehung zwischen den Beiden. Doch auch Hannah ist eine verletzte Seele und bald tun sich hinter der Fassade einer vermeintlich glücklichen Ehe Abgründe auf, die denen im Leben von Joseph in nichts nachstehen.

„Tyrannosaur“ ist das Regiedebüt des britischen Schauspielers und dortigen Indie-Ikone Paddy Considine, der bei uns vor allem durch Nebenrollen im „Bourne-Ultimatum“ und „Hot Fuzz“ bekannt ist und in „Stoned“ vor ein paar Jahren den vermeintlichen Mörder von Brian Jones gespielt hat. Der titelgebende Saurier seines Erstlingswerks ist jedoch mitnichten der nur sehr bedingt mit seiner Umwelt zurechtkommende Joseph, der Begriff bezieht sich vielmehr auf einen nicht besonders netten Spitznamen, den dieser einst seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau verpasst hatte. Der Rauf- und Trunkenbold Joseph verkörpert nämlich so ziemlich alles was einen daran zweifeln lässt, ob das Bild vom „richtigen, harten Mann“ ein besonders erstrebenswertes ist. Unter seinem Jähzorn und seiner Neigung zu Gewaltausbrüchen leiden nämlich nicht nur die „Fuckin‘ Bastards“, die es seiner Meinung nach sowieso verdient haben, sondern immer wieder auch diejenigen, die ihn eigentlich trotz allem mögen.
tyranno 2 neuSelbst für die freundliche Hannah hat das Raubein meist nur Hohn und Spott übrig, auch wenn er mit seinen Zweifeln an deren perfekter christlicher Lebenswelt letztendlich sogar richtig liegt. Peter Mullan („Trainspotting“, „Children of Men“ und demnächst in Steven Spielbergs „Warhorse“ zu sehen) verkörpert dieses Biest von einem Mann dabei auch physisch auf beeindruckende Art und Weise und seine Performance ist es daher auch, die am stärksten in Erinnerung bleibt von einem Film, der ansonsten diverse Klischees nicht immer ganz überzeugend umschiffen kann. 

Die triste englische Arbeiter- bzw. Arbeitslosenwelt, die Considine hier präsentiert, könnte auch aus einem typischen Mike Leigh- oder Ken Loach-Werk stammen, und nicht von ungefähr wirken hier auch einige der aus solchen Filmen bekannten Knautschgesichter mit, allen voran Eddie Marsan („Happy-Go-Lucky“) als verklemmt-sadistischer Ehemann von Hannah. Gerade weil die Aussichten für diese sozialen Schichten extrem hoffnungslos scheinen und sie hier zudem noch fast ausschließlich aus Charakteren bestehen, die sich auf allen Wegen zur Besserung fortwährend selbst im Wege stehen, dürfte es für die allermeisten Betrachter sehr schwer bis unmöglich sein, sich auch nur einigermaßen mit diesen Figuren zu identifizieren oder sich zumindest für sie zu interessieren.

tyranno 3 neu

Gut, der tatsächlich auf eine gewisse und ganz eigene Art als „charismatisch“ durchgehende Joseph erzwingt dieses Interesse dann doch und hält einen irgendwie bei der Stange. Aber bei der sich erst ganz vorsichtig und dann plötzlich bemerkenswert rasant entwickelnden Beziehung zwischen Joseph und Hannah stimmt dann leider das Timing nicht mehr und man stellt sich unwillkürlich die Frage, ob da nicht zwischendrin irgendetwas fehlt.

Keine Frage, schauspielerisch ist das hier Gebotene aus der oberen Kategorie und die gesamte Inszenierung von Considines Regie-Debüt wirkt äußerst souverän. Aber wie gelegentlich auch bei den oben genannten Veteranen des britischen Realitäts-Kinos (die sich dann ja nicht ohne Grund in den letzten Jahren auf etwas anders geartete Projekte konzentriert haben) kann man sich auch fragen, was uns der Regisseur und Autor denn damit eigentlich sagen möchte, abgesehen von der Erkenntnis, dass das Leben hart und ziemlich ungerecht ist, verbunden mit der auch nicht besonders tiefsinnigen Entdeckung, dass in einer harten Schale meist ein weicher Kern steckt. Wer allerdings die November-Depression eh kaum mehr erwarten kann, dem hilft diese „Liebesgeschichte“ sicher ein Stück weiter.

Bilder: Copyright

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