Trunk - Locked in

Jahr
2023
Laufzeit
95 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 24. Januar 2024

Der erst vierte eigenproduzierte deutschsprachige Spielfilm von Amazon Prime Video (die Konkurrenz von Netflix ist da schon deutlich weiter) ist das Baby des Filmemachers Marc Schießer. Und bevor sich jemand wundert, sagen wir's gleich: Ja, das ist der Marc Schießer, der auch gelegentlich Texte für diese Seite hier schreibt (zuletzt unsere Rezension zu "Poor Things"). Marc schickte mir vor ein paar Wochen eine Mail, in der er mir diesen Film ankündigte. Unser Austausch lief ungefähr so:

Marc: Wäre geil, wenn du für Filmszene eine Rezension dazu schreiben könntest. 

Ich: Ich guck' ihn mir gern an, aber das stellt mich vor ein gewisses ethisches Dilemma. Außerdem besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass ich den Film kacke finde.

Marc: .... 

Marc: Das wäre natürlich blöd.

Nun, ich habe mir den Film angeguckt, und wie man der Wertung oben entnehmen kann, fand ich ihn nicht kacke. Und was das ethische Dilemma betrifft, dass ich hier nun im weitesten Sinne Promo für einen Film mache, der von einem unserer Mitarbeiter stammt, so habe ich erstens dem Transparenzgebot hiermit genüge getan, versichere zweitens an Eides statt, dass ich dafür kein Geld oder andere Zuwendungen erhalte, und schwöre drittens, dass die obige Wertung wirklich meiner ganz ehrlichen Meinung entspricht. Gut, ich habe zwischen 7 und 8 Augen geschwankt und vielleicht hat ein halbes Sympathie-Auge den Ausschlag nach oben gegeben, aber mehr war es wirklich nicht. Das müsst ihr, verehrte Leserschaft, mir bitte einfach glauben.

So. Das hätten wir geklärt. Nun zum Film. 

"Trunk" ist ein sogenannter "Single-Location-Film", der nahezu komplett in dem titelgebenden Kofferraum spielt. In diesem findet sich die junge Ärztin Malina (Sina Martens) wieder, und ihr fehlt nicht nur jede Erinnerung daran, wie sie dort hineingelangt ist. Eigentlich war Malina gerade mit ihrem Freund zu einer Reise als Rucksack-Touristin aufgebrochen und per Anhalter unterwegs, nur leider sind die beiden offensichtlich ins falsche Auto eingestiegen. Mit ihrem Handy als einzige, wackelige Verbindung zur Außenwelt und den sehr spärlichen Möglichkeiten ihres Aufenthaltsorts versucht Malina herauszufinden, was der Mann hinterm Steuer eigentlich mit ihr vorhat, was mit ihrem Freund passiert ist, und wie sie sich irgendwie aus ihrer lebensbedrohlichen Situation befreien kann. 

Idee und Umsetzung von "Trunk" erinnern an den 2010er Film "Buried", in dem Ryan Reynolds in einem sehr ähnlichen Szenario 90 Minuten in einem Sarg verbrachte. Sina Martens hat hier einen Hauch mehr Bewegungsfreiheit, trotzdem sind der Reiz des Stoffes und die Herausforderungen bei seiner Umsetzung ähnlich. Und wie sein Kollege Rodrigo Cortés damals schafft es auch Marc Schießer, durch eine geschickte und sehr versierte Inszenierung sowie eine klug aufgebaute Handlung seinem Film eine - angesichts des maximal eingeschränkten Handlungsspielraums - beeindruckende Dynamik zu verleihen. 

Tatsächlich ist die gefühlte Intensität bei "Trunk" schon von Anfang an extrem hoch. Kaum verwunderlich, befindet sich die Heldin ja ab Minute Eins in einer außergewöhnlichen Extremsituation, da ist man als Zuschauer sofort involviert. Die Kunst besteht darin, diese Intensität auch dann noch hoch zu halten, wenn die Besonderheit des Szenarios sich abzunutzen beginnt und die Handlung nach Wendepunkten lechzt, um das Publikum weiterhin gebannt zu fesseln. Auch in dieser Hinsicht liefert "Trunk" einwandfrei ab. 

Großen Anteil daran haben unter anderem Hauptdarstellerin Sina Martens, an deren Performance hier natürlich wahnsinnig viel hängt und die sehr stark agiert; Komponist Marcel Becker-Neu, dessen reduzierter Soundtrack ebenso einfach gehalten wie hoch effektiv ist bei der Aufgabe, die gefühlte Anspannung konstant zu halten; und Marc Schießers Drehbuch, das seine Twists clever platziert und nie die Ebene der Glaubwürdigkeit verlässt - auch wenn die Logik hier an manchen Stellen schon fast unvermeidlich ein bisschen wackelt und die Inszenierung des speziellen Szenarios natürlich seine Zugeständnisse verlangt (Stichwort: Licht). Aber der Film macht es einem leicht, über diese kleinen Holperer hinwegzusehen, weil er einfach so konsequent mitreißt und einige dramatische Spitzen zu bieten hat, deren Wow-Effekt unbestreitbar ist (Stichwort: Schnürsenkel).

Apropos Wow-Effekt: Das extrem reduzierte Setting und das Fehlen namhafter Darsteller sind natürlich deutliche Hinweise auf ein spärliches Budget. Entsprechend bemerkenswert ist es, dass man "Trunk" dieses kaum ansieht. Der Film setzt seine wenigen "money shots" sehr geschickt ein, und Marc Schießer und sein Team seiner Produktions- und Visual-Effects-Firma "Outside the Club" hauen vor allem in der letzten halben Stunde ein paar ziemlich coole Sachen raus, die ihren Film teurer aussehen lassen, als er vermutlich war. 

Klar ist "Trunk" nicht frei von Schwächen - persönlich hat mich immer wieder die Nur-Stimme-Performance von Luise Helm rausgehauen, welche die Beamtin vom Polizei-Notruf spielt, mit der Malina in Kontakt kommt - und die kommt irritierenderweise bei jedem Gespräch aufgeregter und nervöser rüber als das Entführungsopfer selbst, was nicht sonderlich professionell wirkt. Aber suboptimale Details wie dieses tun der Gesamtwirkung kaum Abbruch und ändern nichts daran, dass "Trunk" von der ersten Minute an packt und bis zur letzten nicht wieder loslässt. Die Aufschrift auf Malinas Handy-Hülle - KEEP CALM - erweist sich entsprechend als doppelt ironisch: Das ist nicht nur für Malina in ihrer Situation kaum möglich, auch das Publikum bleibt hier in positivster Weise unruhig und aufgeregt bis zum Schluss. 

Kurz und gut: Ein ziemlich geiles Genre-Stück. Entschiedener Daumen hoch, Marc.

So, und jetzt, lieber Leserschaft, seid ihr dran: Unsere direkte Verbindung zum Filmemacher soll natürlich genutzt werden, und wir wollen euch eine Art virtuelle Fragerunde anbieten. Wer Marc und/oder seinem Team eine oder mehrere Fragen zum Film stellen möchte, kann uns diese einfach an filmszene@filmszene.de mailen oder hier als Kommentar unter die Rezension schreiben. Wenn ein bisschen was an Fragen zusammengekommen ist, wird Marc diese dann gebündelt beantworten. 

Bilder: Copyright

7
7/10

Echt ein ziemlich cooles Ding. Ich war voll dabei. Respekt an Herrn Schießer!
Nur was ich mich gefragt habe: Warum eigentlich kein deutscher Titel bei einem deutschen Film? Also schlicht "Kofferraum". Ich hab bei "Trunk" zuerst gedacht, es geht um ein Getränk. ;-)

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6
6/10

Fand die Dialoge bisschen lahm, wie schon in der Review erwähnt sind die Telefonate (auch mit dem Vater) nicht sehr überzeugend. Alles in allem aber echt solide und spannend.
Frage an den Regisseur: Wie haben Sie denn die wirklich tolle Hauptdarstellerin gefudnen?

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8
8/10

Mir hat der Film sehr gut gefallen. Spannung von Anfang bis Ende.

Der Dialog zwischen Polizisten und der Entführten sind etwas dürftig, eher unprofessionell.
Die Hauptdarstellerin ist spitze, hat mir persönlich sehr gut gefallen 🤩

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Hab leider kein Prime und kann den Film nicht sehen, hätte aber allgemeine Fragen an Marc Schießer. Wie läuft das, wenn man einen Film bei einem Streamer hat? Erfährt man was über die Zugriffszahlen? Oder halten die das sogar vor den Filmemachern selbst geheim, wieviele Leute genau sich den Film angeguckt haben? Und wenn ja, hat man irgendeinen Indikator dafür, ob der Film nun erfolgreich ist oder nicht?

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