
Das Erwachsenwerden – was wäre die Filmwelt nur ohne Erzählungen von Teenagern, die sich durch die Mühen (meistens) und Wonnen (wenige erlesene) dieser schwierigen Zeit lavieren. In die Kategorie des Coming-of-Age-Films gehört auch „Submarine“, das Kinodebüt des bisher hauptsächlich im britischen Fernsehen (vor allem in der Kult-Comedy "The IT Crowd") in Erscheinung getretenen Richard Ayoade. Ayoade zeigt dabei ein großes Gespür für die Grausamkeiten und die Langeweile des Teenagerdaseins, besonders in einem so grauen und unwirtlichen Ort wie der Waliser Küstenstadt Swansea der 1980er Jahre, das er hier zeigt (eine Epoche wird nicht angegeben, aber ein Verweis auf „Crocodile Dundee“ verordnet den Film in den späten 80er Jahren).
Gerade die Selbstbezogenheit eines Teenagers arbeitet Ayoade gut heraus, auch anhand des Erzählerkommentars seines Protagonisten Oliver, der seine Selbstdarstellung und Eigensicht oftmals mit dem wirklichen Geschehen kontrastiert. Das fängt schon im Prolog an, in dem Oliver sich vorstellt, was passiert, wenn er plötzlich sterben würde und dann eine Welt herfabuliert, in der ihn alle in der Schule vermissen und Menschen Landauf Landab Kerzenzüge für ihn abhalten. Wie wir ziemlich bald danach sehen, würden Oliver sehr wenige nachweinen. Er ist ein Außenseiter mit Spleens (wie dem täglichen Wörterbuchlesen) und relativ wenig objektiver Selbsteinschätzung.
Ayoade ist so geschickt, dass sein Coming of Age-Film eigentlich gar kein Erreichen eines Erwachsenenseins zum Ziel hat: unser Protagonist Oliver ist ein ziemlich selbstgefälliger Kerl, der seine Freundin in einer immens wichtigen Situation alleine lässt und dann einfach so zur Tagesordnung übergehen will („... und dann kann ich wieder der beste Freund der Welt sein“), und das bleibt er eigentlich auch.
Jordana wird interessant als Anti-Romantikerin dargestellt, deren erste Annäherung zu Oliver als Erpressung daherkommt und die für etwaige romantische Gesten ihres Freundes so gar nichts übrig hat („Ich wusste, dass du ein Psychopath bist“). Auch die beiläufige Grausamkeit von Teenagern zeigt Ayoade ohne Umschweife, etwa wenn Oliver in das Hänseln einer dicken Klassenkameradin mit einsteigt, weil er sich so bessere Chancen bei seinem Schwarm Jordana ausrechnet.
Das hat alles viele wahrhaftige Momente, allerdings auch eine gewisse Schwerfälligkeit. Vielleicht liegt es an der unwirtlichen Waliser Landschaft oder den dicken Mänteln, die unsere Protagonisten hier tragen müssen (das allerdings mit einer bemerkenswerten Konsequenz), aber der Film schleppt sich teilweise vorwärts, als habe er selber einen dicken Parka an und könne sich nicht gut fortbewegen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen der veränderte Ton des Films, der nach seinen recht drolligen Anfängen immer mehr auf Krisen und Ernsthaftigkeit setzt, ohne diesen Elementen hundertprozentig zu trauen. Zudem kann man dem Film und Ayoade eine gewisse Hipsterattitüde nicht absprechen, die bisweilen ein wenig zu selbstverliebt und prätentiös wirkt: Guckt mal, was ich mit der Kamera kann! Guckt mal, Anspielungen auf die nouvelle vague! Undsoweiter und sofort. Und letztendlich ist es dann das Timing der Geschichte selbst, denn der deutlich vergnüglichere und bessere Teil – Olivers Eroberung von Jordana – kommt nunmal zuerst und die etwas dröge Geschichte um seine Familie danach.
Zwiespältig bleibt auch die Verschrobenheit der drei erwachsenen Hauptfiguren: Dass gerade Paddy Considine, sonst ja durchaus für ernste Rollen („In America“) bekannt, hier den Horst gibt, kann man ob der Vokuhila-Frisur und dem bescheuerten Auftreten des selbsternannten Mystikers und Lebensfragen-Gurus Graham Purvis (oder „New Age Ninja“, wie Olivers depressiver Vater Lloyd es etwas weniger pompös ausdrückt) erst auf den zweiten Blick erkennen. Purvis' Affäre mit Olivers Mutter Jill – von Sally Hawkins ähnlich fröhlich-ignorant gegeben wie ihr Durchbruch in „Happy-Go-Lucky“ – bildet dann das zweite Kapitel und die Eherettung seiner Eltern die zweite große Mission Olivers. Da aber Purvis wie auch Mutter Jill und Vater Lloyd allesamt aus dem Kuriositätenkabinett entlaufen zu sein scheinen, wirkt dieser Storystrang beiweilen etwas zu sehr um Skurrilität und lakonischen Humor bemüht. Ganz so als wolle Ayoade zeigen, dass er uns auch den Wes Anderson machen kann, inklusive ulkig agierender Personen und dysfunktionaler Familien.
Tatsächlich zeigt „Submarine“ unabweisbare Parallelen zu Andersons „Rushmore“. Die Hipster-Credentials werden perfekt gemacht von "Arctic Monkeys"-Frontman Alex Turner, der einige seiner symphonischen Balladen im Stile seiner Zweitband "The Last Shadow Puppets" beisteuert. Schön anzuhören, wenn gleich nicht immer zwingend zur Szene passend. Positiv vermerkt sind dagegen die Newcomer Craig Roberts und Yasmin Paige, die den Teenagern Antlitze bieten, die sich wohlwollend von den üblichen Hollywoodschönheiten beider Geschlechter abheben.
Die Kurve kriegt der Film übrigens dann am Ende noch, und der bittersüße Epilog hinterlässt die Zuschauer dann auch mit einem Gefühl der Zufriedenheit. Mehr als ein verheißungsvolles Versprechen vom Debütant Ayoade ist „Submarine“ aber nicht. Beim nächsten Mal bitte etwas aufs Tempo drücken und etwas weniger gewollte Skurrilität und Prätention – dann wird das auch eine richtig runde Sache.
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