Es sind gute Zeiten für die Marke „James Bond“. Der aktuelle Darsteller der Titelfigur stößt allgemein auf große Zustimmung und hat sich spätestens mit „Skyfall“ endgültig etabliert. Einem Film, der rundum für große Begeisterung sorgte und nicht nur hier bei Filmszene ganz oben in der Hitliste der besten Filme das Jahres 2012 landete. Zu Recht, denn in „Skyfall“ gelang die fast kongeniale Kombination von interessanten neuen Ideen mit einigen lange Zeit doch etwas vernachlässigten klassischen Elementen der Franchise. So konnten sich an diesem Film sowohl die Nostalgiker und Kenner der am längsten laufenden Kinoreihe überhaupt ergötzen, als auch eine Menge neuer Fans gewonnen werden. Nachdem bekannt wurde, dass nicht nur Regisseur Sam Mendes für die Fortsetzung erneut zur Verfügung stehen, sondern diese auch noch den Titel „Spectre“ tragen würde, stieg die Vorfreude darauf dann fast schon ins Unermessliche, kehrt damit doch der „Erzfeind“ der glorreichen 1960er Jahre der Bond-Reihe zurück. Eine Erwartungshaltung, die Mendes selbst schon im Vorfeld meinte relativieren zu müssen, bedeutet sie doch auch, dass die mögliche Fallhöhe nach dem Triumph von „Skyfall“ nicht eben gering ist. Die eher skeptischen Stimmen dürfen sich nun bestätigt sehen, denn „Spectre“ ist zwar kein wirklich schlechter Film, erweist sich aber alles in allem doch als Enttäuschung.
Er geht mal wieder eigene Wege, und das Ergebnis seines eigenmächtigen Ausflugs nach Mexico City sorgt dafür, dass James Bond erst einmal vom Dienst suspendiert und von seiner eigenen Organisation überwacht wird. Doch dank der Unterstützung seiner Verbündeten Q (Ben Wishaw) und Moneypenny (Naomie Harris) setzt er seine Mission trotzdem fort, welche ihn schließlich nach Rom führt, zu Lucia (Monica Bellucci), der Witwe eines seiner Opfer. Doch Bond begegnet dort auch dem Kopf der mysteriösen Organisation „SPECTRE“ (Christoph Waltz) und muss feststellen, dass dieser ihm nicht unbekannt ist. Bevor es jedoch zur finalen Auseinandersetzung zwischen den Beiden kommt, gilt es für Agent 007 erst noch ein paar weitere Puzzleteile zu entwirren und eine gewisse Madeleine Swann (Lea Seydoux) aufzuspüren, die ihm dabei helfen kann, das Netz um SPECTRE zu entwirren – so es ihm denn gelingt sie lange genug am Leben zu halten.
Die Elemente sind eigentlich alle vorhanden, doch ein rundes Ganzes wollen sie diesmal einfach nicht ergeben. Die Auftaktsequenz begeistert sofort mit einer langen, ohne sichtbaren Schnitt durchgezogenen Verfolgungsjagd in Mexico City, doch die erste Ernüchterung folgt schon mit dem Vorspann, der mit dem anstrengenden Eunuchengesang von Sam Smith eindrucksvoll belegt, was für einen perfekten Bond-Song Frau Adele im Film zuvor hingelegt hatte. Anschließend sorgen die raffinierten Tricks von 007 und seinen Helfern für ein paar Lacher und der Spannungslevel bleibt bis zur ersten Begegnung mit Christoph Waltz durchgehend hoch. Aber dann beginnt der Film plötzlich zu zerfasern, kann nur noch mit vereinzelten guten Szenen punkten und sorgt ansonsten mit seinem Storyaufbau für einige Fragezeichen.
Natürlich freut man sich über Anspielungen wie „Blofelds“ Katze, doch die können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die eigentliche Historie, die man der Figur von Waltz hier zurechtgezimmert hat, doch ein wenig konstruiert wirkt. Wo der Einblick in die Vorgeschichte und Jugend von Agent 007 in „Skyfall“ noch überraschend und stimmig daherkam, übertreibt man es nun und bastelt sich eine gemeinsame Vergangenheit zurecht, die selbst für einen Agentenfilm etwas zu abenteuerlich ist. Überhaupt ist Christoph Waltz nach seinen entsprechenden Parts der letzten Jahre eine fast schon zu offensichtlich-naheliegende Besetzung als Bond-Schurke. Und so schafft er es dann leider auch nicht, nach einem pointierten Einstand („James, what took you so long?“) seiner Figur irgendetwas Besonderes zu verleihen, was nicht eh zum mittlerweile bekannten Waltz-Standardrepertoire gehört. Von einem vielschichtig-faszinierenden Charakter wie in den Tarantino-Filmen ist sein Oberhauser/Blofeld jedenfalls sehr weit entfernt.
Bei den meisten anderen Nebenfiguren sieht es ebenfalls mau aus. David Bautista („Drax“ aus „Guardians of the Galaxy“) in der „Beißer“-Gedächtnisrolle als tumber Kraftprotz kann keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, ist aber immerhin noch etwas länger dabei als eine Monica Bellucci, deren Mitwirken als bisher ältestes und selbstbewusstes Bond-Girl zwar groß beworben wurde, die hier im Grunde aber nicht viel mehr als einen besseren Gastauftritt absolviert und dann im Verlauf nicht mehr zu sehen ist. Am besten schneidet da noch Lea Seydoux („Blau ist eine warme Farbe“, „Die Schöne und das Biest“) ab, die ihrer Figur eine nicht nur behauptete Mischung aus Stärke und Verletzlichkeit verleiht und auch aufgrund ihres Lebensumfelds als Tochter eines Auftragmörders (Jesper Christensen aus „Ein Quantum Trost“ sorgt mit seiner Rückkehr für ein weiteres Stückchen Kontinuität innerhalb der Craig-Filme) als verständnisvolle und geeignete Partnerin an der Seite eines James Bond erscheint, vielleicht sogar als dauerhafte. Denn es ist mittlerweile unübersehbar, dass die Filme seit „Casino Royale“ darauf hinauslaufen eine große, zusammenhängende Geschichte zu erzählen.
Innerhalb dieser nimmt „Spectre“ allerdings – trotz der Größe der Produktion an sich – nur den Platz eines eher unspektakulären Zwischenspiels ein, nicht zuletzt weil selbst die unverzichtbaren Action-Sequenzen allesamt nur das Prädikat „ordentlich“ verdienen. Denn besser als in der Eröffnungsszene wird es in dieser Hinsicht nicht mehr, weder die Auto-Verfolgungsjagd in Rom, noch eine Zugkeilerei oder ein Flugzeugabsturz in den Bergen wirken sonderlich inspiriert. Was auch für das Finale gilt, das halt – aufgrund der erwähnten Fortsetzungsfunktion – eh kein richtiges ist und somit kaum dafür entschädigen kann, dass sich das letzte Drittel des Films arg zäh dahinzieht und der ganzen Geschichte viel von der Tiefe und Wucht des Vorgängers fehlt.
So bleibt jeder neue Bond-Film eine Überraschungstüte, man weiß nie welchen Ansatz die Produzenten diesmal gewählt haben, und das ist im Vergleich zu den oft nach dem gleichen Muster ablaufenden Filmen der Moore- und auch der Brosnan-Ära an sich ja auch gar nichts Schlechtes. Trotzdem reiht sich „Spectre“ aufgrund der hier zu findenden Aneinanderreihung stetig schwächer werdender Einzelszenen und abgearbeiteter Handlungspunkte nur im unteren Mittelfeld der Reihe ein und erweist sich dabei sogar als der bisher schwächste Beitrag der Craig-Ära. Was nicht heißen soll, dass man sich deshalb nicht schon wieder auf den nächsten Film freuen darf. Denn der wird dann bestimmt auch wieder ganz anders.
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